Hessen

Urteil in NSU 2.0-Prozess erwartet – Opfer sehen Polizei nicht entlastet

Am Donnerstag wird im Prozess um die „NSU 2.0“-Drohschreiben ein Urteil erwartet. Betroffene sehen die Polizei nicht entlastet. Die Gewerkschaft dagegen wies die Kritik an der Polizei zurück.

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Seda Başay-Yıldız, NSU
Seda Başay-Yıldız, Janine Wissler und Idil Baydar - NSU 2.0-Drohschreiben © Twitter, bearbeitet by iQ

Zwei Tage bevor im „NSU 2.0“-Prozess das Urteil erwartet wird, haben sich einige der bedrohten Frauen zu Wort gemeldet. „Mit dem Urteil – so viel steht schon jetzt fest – ist kein Freispruch für rechte Netzwerke in der Polizei verbunden“, schrieben unter anderem die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die Schauspielerin İdil Baydar und die Politikerin Janine Wissler in einer gemeinsamen Erklärung am Dienstag.

„Wir erhoffen uns von dem Gericht ein wichtiges Urteil mit einer starken Signalwirkung“ – für den Angeklagten ebenso wie für mögliche Nachahmer, heißt es in dem Schreiben, das auch Anne Helm, Martina Renner und Hengameh Yaghoobifarah unterzeichnet haben. Ebenso erhofften sie sich von dem Gericht ein Signal, dass die Drohserie nicht vollständig aufgeklärt und die hessische Polizei durch eine Verurteilung des Angeklagten auch nicht entlastet sei.

Auch nach umfangreicher Beweisaufnahme sei die Rolle von mindestens einem Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin des 1. Frankfurter Polizeireviers ungeklärt, schrieben die Betroffenen. Es sei „ein Skandal“, dass die Staatsanwaltschaft sich auf den vermeintlichen Einzeltäter festgelegt habe und damit versuche, die Rolle von hessischen Polizeibeamten und einer „verfestigten Gruppe“ rechter Polizistinnen und Polizisten „aus dem Verfahren herauszuhalten“.

Polizei-Gewerkschaft weist Kritik zurück

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hessen Kritik zurückgewiesen. „Es gibt keine rechten Netzwerke innerhalb der hessischen Polizei“, sagte der Landesvorsitzende Jens Mohrherr am Mittwoch in Wiesbaden. Es sei klar, dass nicht hessische Polizeibeamte die Drohmails verfasst und versendet hätten. Die Polizei sei vorverurteilt und unter Generalverdacht gestellt worden.

In dem Prozess muss sich ein Mann aus Berlin wegen Beleidigung, Bedrohung und Nötigung verantworten. Er ist der mutmaßliche Verfasser von rund 80 mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Drohschreiben gegen Politikerinnen, Rechtsanwälte und Personen des öffentlichen Lebens. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. (dpa, iQ)