Psychologische Beratung

Was ist Schizophrenie? – Ursachen und Behandlung

Schizophrenie ist eine Störung, die das Denken, Sprechen und Verhalten der Betroffenen stark beeinflusst. Die Ursachen sind vielfältig. Wie man sich fühlt, wenn man krank ist – und was dagegen hilft, erklärt Dr. Ibrahim Rüschoff.

03
12
2022
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Schizophrenie
Schizophrenie © shutterstock, bearbeitet by islamiQ

Die Schizophrenie ist für medizinische Laien die bekannteste psychische Krankheit, um die sich viele Mythen auflisten und über die viele Missverständnisse existieren. Es gibt mehrere Formen, die häufigste und bekannteste ist die sog. paranoid-halluzinatorische Schizophrenie, bei der Wahnvorstellungen und Halluzinationen besonders auffallen. 

Für die Patienten wird um sie herum alles merkwürdig, Beziehungen werden fremd und unheimlich, das vertraute Gefühl für sich und andere, die „natürliche Selbstverständlichkeit“, in der man bisher gelebt hat, geht verloren. Ihre Sprache und ihr Denken werden seltsam, wirken gekünstelt und exzentrisch, die Konzentration ist beeinträchtigt. Sie haben plötzlich sonderbare Ansichten, die ihr Verhalten beeinflussen und mit den Normen ihrer Umgebung nicht mehr übereinstimmen. 

Viele Patienten erleben beängstigende und bisher unbekannte Dinge, sie werden misstrauisch, fühlen sich bedroht und verfolgt und haben ungewöhnliche Wahrnehmungen, hören z. B. Stimmen, die sie beschimpfen und belästigen oder haben ungewöhnliche Körperempfindungen. Nichts ist mehr zufällig, alles hat plötzlich Bedeutungen. Angesichts der genannten Symptome kann man sich unschwer vorstellen, dass die Patienten auf diese Veränderungen, die sie sich nicht erklären können, mit starker Angst und aufgebracht reagieren, andere werden depressiv, sie „verstehen die Welt nicht mehr“ und ziehen sich zurück.

Ursachen und Behandlung

Die Ursachen der Schizophrenie sind vielfältig, sie können genetisch und psychologisch bedingt sein. Die Krankheit kann in unterschiedlicher Weise verlaufen. Sie beginnt meist im frühen Erwachsenenalter und verläuft zu einem Drittel mild und heilt aus. Ein Drittel der Erkrankten zeigt nach der Erkrankung eine leichte Persönlichkeitsveränderung. Oft zeigen weitere Patienten schwere Persönlichkeitsveränderungen, sodass sie selbstständig keine Lebensführung mehr führen können.

Typischerweise fühlen sich die Patienten in den meisten Fällen nicht krank und machen die verfolgend und bedrohlich erlebte Umwelt für ihren Zustand verantwortlich. Daher ist es oft schwierig, sie in psychiatrische Behandlung zu bekommen. Diese erfolgt in erster Linie mit Medikamenten, die die Wahrnehmung stabilisieren, das Denken ordnen und die massiven Ängste beseitigen. Die Medikamente verändern also nicht die Persönlichkeit und machen auch nichts abhängig, wie oft befürchtet wird, sondern sollen die ursprüngliche Persönlichkeit wieder herstellen. Wegen des schubförmigen Krankheitsverlaufes und der Gefahr bleibender Persönlichkeitsveränderungen ist eine möglicherweise auch längerfristige Medikamenteneinnahme von großer Bedeutung. Ein weiterer wichtiger Teil der Therapie ist die Einbeziehung der Angehörigen, die Informationen über die Erkrankung und den richtigen Umgang mit den Patienten benötigen. Ferner benötigen Kranke häufig Hilfen bei der Regelung ihrer sozialen Belange (Arbeitsplatz, Wohnen, Alltagsgestaltung).

Angehörige müssen Schizophrenie ernst nehmen

Für die Familie und die Umwelt ist der Umgang mit schizophrenen Patienten oft nicht leicht. Viele Eltern erklären sich die Auffälligkeiten ihres Kindes mit einem Dschinn, Zauber oder dem Einfluss des Bösen Blicks und ziehen einen Imam zurate, mit der Gefahr, dass eine psychiatrische Behandlung verzögert oder gar verhindert oder von Medikamenten abgeraten wird. Außerdem stellt die Behandlung durch einen Imam eine starke emotionale Belastung für den Patienten dar. Wichtig ist für die Angehörigen, das Erleben des Kranken ernst zu nehmen und es nicht abzutun, auch wenn er noch so auffällig ist. Sie sollten immer den Patienten das für ihn zuträgliche Maß an persönlicher Nähe bestimmen lassen, emotionale Überfürsorge ist schlimmer als eine „lange Leine“. 

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Der Patient muss sich zurückziehen und allein sein können, was in vielen Familien untypisch ist und eine besondere Fürsorge zur Folge hat. Da schizophrene Patienten in den meisten Fällen an einer mangelnden oder gar aufgehobenen inneren Struktur leiden, hilft ihnen oft eine äußere Struktur, die seelische Stabilität zu wahren. Hierzu sind ein geregelter Tagesablauf und die täglichen Gebete optimal geeignet, auch wenn viele Patienten durch ihre Krankheit keinen inneren Bezug dazu haben. 

Umgang mit Wahnvorstellungen

Eine besondere Schwierigkeit stellt der Umgang mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen dar. Die Wahnwelt des Kranken ist für diesen genauso wirklich wie die Alltagswelt für Gesunde, daher misslingt jeder Versuch, ihn von seinem „falschen“ Eindruck zu überzeugen. Darauf zu verzichten ist besonders schwierig, wenn Patienten in ihrem Wahn religiöse Themen verarbeiten. Sie könnten sich für einen auserwählten Propheten und ihre Ideen als Offenbarungen verstehen und dies auch kundtun. Allerdings könnten sie auch Gott verfluchen oder sich von den Betern in der Moschee verhöhnt oder bedroht fühlen und sich lautstark dagegen verwahren. Daher ist es wichtig, Patienten vor solchen Situationen zu schützen, in denen sie sich öffentlich unangemessen verhalten und stigmatisiert werden.

Man sollte also die Wahrnehmung des Patienten ernst nehmen und sie ihm glauben, andererseits aber auch deutlich machen, dass man die Dinge anders sieht. Da er unter seinen Wahrnehmungen meistens leidet, besteht hier eine Möglichkeit, ihn vom Sinn einer ärztlichen Behandlung zu überzeugen, allein schon deshalb, weil es ihm schlecht geht, egal aus welchem Grund und der Arzt vielleicht etwas dagegen tun kann.

Das Bild zeigt, wie man sich Wahnerleben vorstellen kann: Die Wahrnehmungsperspektive der Gesunden wird in der Krankheit „verrückt“. Die Baumgruppe liegt im verbliebenen gemeinsamen Teil, über deren Existenz gibt es keine Meinungsverschiedenheit. Durch die Verschiebung entsteht für den Patienten jedoch ein Bereich, den nur er wahrnehmen kann und in dem er mit seinem (realen!) Erleben allein ist. Ist das freundliche Lächeln nicht vielleicht doch ein teuflisches Grinsen? Was der Patient in diesem Bereich erlebt, gilt als gemeinhin als verrückt und ist Gesunden nicht vermittelbar, was ihn in der Gemeinschaft sehr einsam macht, insbesondere wenn es wichtige oder ängstigende Wahrnehmungen sind. Die Medikamente sollen dann helfen, die Wahrnehmungen des Patienten mit denen der Gesunden wieder zur Deckung zu bringen und ihn so wieder in die Gemeinschaft zurückzuholen.