Saarlouis

Nach 30 Jahren: Mordprozess um Brand in Asylbewerberheim

Mehr als 30 Jahre nach dem nächtlichen rechtsextremistischen Anschlag von Saarlouis versucht ein Gericht, Licht ins Dunkel zu bringen. Einstige Mitbewohner des verbrannten Mordopfers sagen als Zeugen aus. An was können sie sich nach so langer Zeit noch erinnern?

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2023
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Symbolbild Gerichtsverfahren
Symbolbild: Gerichtsverfahren, © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Im Prozess um einen tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim 1991 in Saarlouis haben drei einstige Bewohner der Unterkunft als Zeugen ausgesagt. Der mutmaßliche Täter steht seit November 2022 wegen eines Mordes sowie versuchten Mordes in 20 Fällen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz.

Zwei Männer schilderten am Montag, wie sie vor mehr als drei Jahrzehnten in einem Zimmer im Erdgeschoss der Flüchtlingsunterkunft bei einer nächtlichen Geburtstagsfeier zu acht plötzlich das Bersten von Glasscheiben und laute Schreie gehört hätten. Sie seien ins Freie geflohen. Sie hätten Flammen und von höheren Fenster springende Mitbewohner gesehen. Einige von ihnen hätten sich trotz zuvor heruntergeschmissener Matratzen Knochen gebrochen. Oben unterm Dach habe der Ghanaer Samuel Yeboah um Hilfe geschrien, doch die Holztreppe hinauf habe längst gebrannt. Der 27-jährige Flüchtling aus Westafrika starb mit schwersten Brandverletzungen noch am selben Tag.

Rassistischer Gesinnung

Einer der beiden Zeugen am Montagvormittag sagte, ein anderer Teilnehmer der damaligen Geburtstagsfeier habe ihm mitgeteilt, seinerzeit einen verdächtigen Mann gesehen zu haben und wohl gegebenenfalls wiederzuerkennen. Diesen weiteren Zeugen will der Staatsschutzsenat des OLG ebenfalls noch vernehmen.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem 51-jährigen deutschen Angeklagten vor, damals im Alter von 20 Jahren aus rassistischer Gesinnung die Holztreppe des Asylbewerberheims im Saarland angezündet zu haben – nachts mit Benzin. Das Feuer breitete sich rasch aus. Der angeklagte heutige Familienvater bestreitet die Vorwürfe. Sein Verteidiger Guido Britz hatte beim Prozessauftakt gesagt, es gebe Anhaltspunkte, die auf andere Menschen als Täter hindeuteten.

Ein Prozess mehr als 30 Jahre nach einer Straftat ist ungewöhnlich – aber Mord verjährt nicht. Die ursprünglichen Ermittlungen stellte die saarländische Polizei ein – und entschuldigte sich später für Defizite ihrer Arbeit. Vor zwei Monaten begann nun doch ein Prozess in Koblenz, nachdem eine Zeugin aufgetaucht war, der der Angeklagte bei einem Grillfest die Tat gestanden haben soll.

Die drei Zeugen am Montag sprachen wiederholt von Erinnerungslücken. In dem Fall soll es keine verdächtigen Fingerabdrücke oder DNA-Spuren geben. Umso mehr Bedeutung kommt der Hauptzeugin der Grillfeier zu, die demnächst in dem Prozess erwartet wird.

„Es gibt eine Fülle von Beweisen“

Anwalt Alexander Hoffmann, der Überlebende des Brandanschlags als Nebenkläger vertritt, sagte am Montag am Rande des Verfahrens, bislang hätten Zeugen der Brandnacht von einem Mann oder einer Frau draußen bei der Unterkunft sowie einem davonrasenden Auto gesprochen. Ein Feuerwehrmann habe im Prozess auch ausgesagt, „dass er unten neben der Treppe einen Benzinkanister sah“. Allerdings hätten die Ermittler keinen solchen Behälter verwahrt. Hoffmann fügte indes generell hinzu: „Es wurden auch schon Urteile gesprochen, ohne dass man eine Leiche gefunden hatte.“

Oberstaatsanwalt Malte Merz von der Bundesanwaltschaft hatte beim Prozessauftakt versichert: „Es gibt eine Fülle von Beweisen.“ Jetzt sagte er am Rande des Verfahrens, er wolle dazu noch nichts Näheres sagen, um dem Staatsschutzsenat bei dessen Arbeit nicht vorzugreifen. Es gehe um die Gesamtwürdigung: „Man muss die Puzzlesteine zusammensetzen.“ Nebenkläger-Anwalt Hoffmann sagte: „Das wird ein langer Weg.“ Der Prozess am OLG Koblenz ist vorerst bis zum 18. April 2023 terminiert – und könnte auch später enden. (dpa/iQ)