Der Verfassungsschutz in Sachsen nimmt zunehmende Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene wahr. Zwar befinden sich klassische Neonazi-Parteien in einer Krise. Doch die Szene passt sich dem Zeitgeist an.
Die rechtsextreme Szene in Sachsen-Anhalt ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes zuletzt aktiver geworden und hat ihre Erscheinungsformen verändert. „Virtuell agierende Akteure und aktionsorientierte, eher lose organisierte Gruppierungen“ nehmen zu, teilte das Innenministerium in Magdeburg auf Anfrage mit. Diese Gruppen versuchten, maximale Aufmerksamkeit „durch regionale Aktionen und das Andocken an mehrheitlich nichtextremistisch geprägte Proteste“ zu erreichen. Zugleich sei eine Krise des „parteigebundenen Neonazismus“ zu beobachten. Parteien wie die NPD und Aktionen wie Demonstrationen und Rechtsrock-Konzerte hätten an Bedeutung verloren.
Einschränkungen infolge der Pandemie habe die rechtsextremistische Szene in Sachsen-Anhalt überwunden, hieß es. Ihre Aktivitäten nehmen zu. Obwohl sich die Szene in ihren Erscheinungsformen dem „Zeitgeist“ anpasse, bilde der historische Nationalsozialismus „weiterhin ein attraktives ideologisches Referenzmodell für Rechtsextremisten“ und „eine ideologische Klammer“.
Vor dem Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg hatten die Rechtsextremismusexperten David und Pascal Begrich eine „Krise des organisierten Neonazismus“ festgestellt. Sie wiesen darauf hin, dass es in diesem Jahr „wohl keine neonazistische Großdemonstration in Magdeburg geben“ werde. Rechtsextreme hatten den Jahrestag am 16. Januar immer wieder für große Demonstrationen genutzt. Verschiedene Initiativen organisieren seit Jahren Aktionen für Toleranz und Vielfalt und blockieren somit potenzielle Marschrouten und Plätze für rechte Demonstrationen.
Auch an diesem Samstag (21. Januar) sind rund 30 Aktionen in der Landeshauptstadt geplant. Mittlerweile hat auch die rechtsextreme „Neue Stärke Partei“ eine Kundgebung für Samstag angemeldet. Bei dieser gehe man aber nur „von einer Teilnehmendenzahl im zweistelligen Bereich aus“, heißt es vom „Bündnis gegen Rechts Magdeburg“. Polizeisprecher bestätigten, dass eine Kundgebung angemeldet ist, nannten aber keine Details.
Die angenommene Krise „des organisierten Neonazismus“ sei „nicht gleichzusetzen mit einer Krise der extremen Rechten“, schreiben David und Pascal Begrich. So treten „Deutungen des Nationalsozialismus“ mittlerweile an anderer Stelle zu Tage. Das zeige „etwa die Relativierung der Shoa in der Querdenken-Szene“. Ein Großteil vormaliger Anhängerinnen und Anhänger neonazistischer Parteien finde sich „nunmehr im politischen Vorfeld der AfD wieder“, so die Extremismusexperten.
Der Verfassungsschutz beobachtet zudem, dass die „neonazistische Ideologie auch weiterhin in Form von rechtsextremistischen Musikproduktionen“ und weiteren „Propagandamitteln verbreitet“ wird. „Die Digitalisierung, insbesondere der rechtsextremistische Online-Handel, hat den Zugang zu NS-glorifizierender Propaganda erleichtert“, heißt es abschließend. (dpa, iQ)