An Friedhöfen lässt sich nach Einschätzung von Fachleuten auch der gesellschaftliche Wandel ablesen. Dies zeige beispielsweise die Zunahme muslimischer Grabfelder auf deutschen Friedhöfen, sagte der Geschäftsführer des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur, Tobias Pehle, bei einer Online-Veranstaltung am Dienstag. Diese Möglichkeiten, auch unterschiedliche Umgangsweisen mit dem Tod zu vermitteln, müssten noch stärker genutzt werden.
„Aufklärungsbedarf über unterschiedliche Bestattungsformen“
Die Kulturwissenschaftlerin Eva-Maria Seng sieht ebenfalls Aufklärungsbedarf über unterschiedliche Bestattungsformen, beispielsweise religiöse und nichtreligiöse. „Erst im 18. Jahrhundert hat sich das entwickelt, was wir uns heute unter einem Friedhof vorstellen“, sagte sie. Zuvor habe es beispielsweise Debatten über die hygienischen Zustände gegeben; auch hätten sich auf den Gottesackern rund um Kirchen in der Geschichte auch Dinge wie Prostitution abgespielt.
Die Friedhofskultur in Deutschland wurde im März 2020 in die bundesweite Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Seit 20 Jahren fördert die Weltkulturorganisation Unesco den Erhalt von Alltagskulturen und -traditionen; seit zehn Jahren gibt es ein deutsches Verzeichnis. Das Ziel ist, nicht-dingliche Ausdrucksformen der Kultur zu würdigen und ihren Erhalt zu fördern. Die deutsche Liste verzeichnet bislang 131 Einträge: 117 Kulturformen sowie 14 Modellprogramme zur Erhaltung Immateriellen Kulturerbes.
Traditionen stärker in Bildungsbereich einbringen
Grundsätzlich könne das immaterielle Erbe viele Menschen für Kultur begeistern, erklärte Seng. „Es hat direkt mit den Menschen und ihrem Leben, mit dem Jahreslauf oder mit bestimmten Übergangsriten zu tun.“ Sie warb dafür, diese Traditionen stärker in den Bildungsbereich einzubeziehen: Sie sagten häufig viel darüber aus, was Menschen etwa an einem bestimmten Ort oder einem bestimmten Ritus fasziniere. (KNA/iQ)