Neun Menschen haben bei dem rassistischen Anschlag in Hanau vor drei Jahren ihr Leben verloren. Zum Jahrestag mahnen Politiker und Experten den Kampf gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Menschenwürde an.
Zum dritten Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau an diesem Sonntag haben Politiker und Experten zu einem deutlichen Eintreten gegen Rassismus und Rechtsextremismus aufgerufen. Es gelte, «Empathie für die Betroffenen und Härte gegen Extremisten» zu zeigen, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag in Berlin. Auch wenn sich der öffentliche Fokus durch Russlands brutalen Krieg gegen die Ukraine verändert habe und sich Deutschland vor neuen Bedrohungslagen schützen müsse, dürfe nicht vergessen werden: „Der Rechtsextremismus ist weiterhin die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie.“
Rechtsextreme Hetze und Gewalt, Anfeindungen und Ausgrenzung – all das erlebten viele Menschen in der Gesellschaft tagtäglich, so Faeser, die auch bei der hessischen Landtagswahl im Oktober als SPD-Spitzenkandidatin antritt. „In vielen dunklen Ecken des Netzes wird weiter ein Klima der Menschenverachtung geschürt.“ Die Morde in Hanau hätten vor drei Jahren das ganze Land zutiefst erschüttert. „Der 19. Februar 2020 bleibt ein tiefer Einschnitt. Wir werden Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili-Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov nie vergessen.“
Auch die hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) bezeichnete den Rechtsextremismus als gegenwärtig größte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft. „Dieser Ideologie entschieden und mit allen Mitteln entgegenzutreten ist Aufgabe und Verpflichtung aller staatlicher Gewalt – aber auch aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.“
Der Anschlag von Hanau beschäftige bis heute viele Menschen – allen voran die Hinterbliebenen und Opfer. „Auch drei Jahre nach der schrecklichen Tat lautet unsere Botschaft klar und unmissverständlich: Die Opfer von Hanau waren ein Teil von uns, sie waren unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Opfer sind nicht „die anderen“ – „die anderen“ sind die Täter“, betonte Wallmann. „Lassen Sie uns das Gedenken an die Opfer zum Anlass nehmen, Fremdenfeindlichkeit noch entschiedener entgegenzutreten. An diese Verantwortung und Verpflichtung erinnert uns der 19. Februar 2020.“
An jenem Abend hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Bei einer Gedenkstunde auf dem Hanauer Marktplatz und weiteren Veranstaltungen wird an diesem Sonntag an die Opfer erinnert. Auch drei Jahre danach mahne dieser „verabscheuungswürdige und rassistisch motivierte Anschlag noch immer zum Erinnern, zum Gedenken, vor allem aber auch zum Handeln“, erklärte die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Ines Claus. „Weder die Tat noch die neun Opfer dürfen vergessen werden. Ihnen, ihren Familien und Freunden gilt an diesem traurigen und dunklen Tag unser Gedenken, unser tief empfundenes Mitgefühl und unsere Solidarität.“
Auch der Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Mathias Wagner, sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus. „Mit Worten können wir den Verlust eines geliebten Menschen nicht mildern“, erklärte er. „Wir können aber durch unsere Taten zeigen, dass wir geschlossen und entschlossen gegen Rassismus und Rechtsextremismus zusammenstehen.“ Die Vorsitzende der Linksfraktion, Elisabeth Kula betonte: „Für uns ist klar: Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit und politische Konsequenzen muss unsere Losung bleiben. Denn all das ist nicht selbstverständlich und muss allzu häufig erkämpft werden, oft gegen Ignoranz in Behörden.“
Laut Experten nahm die Zahl der Menschen, die nach rassistischen Vorfällen Rat suchen, bundesweit und in Hessen in den vergangenen zwei bis drei Jahren spürbar zu. Das dürfte auch daran liegen, dass solche Vorfälle, von denen sehr viele Menschen betroffen seien, mittlerweile klarer gesehen und benannt würden, sagte Reiner Becker, Leiter des an der Philipps-Universität Marburg angesiedelten Demokratiezentrums Hessen. Für ihn hinge das auch mit der Aufarbeitung und Debatte über Taten wie die in Hanau zusammen. „Diesen Morden liegen Einstellungen und Vorurteile zugrunde, die weit verbreitet und nicht abstrakt sind“, erklärte Becker. Umso wichtiger sei die Arbeit von Initiativen in Hanau und bundesweit, um auf das Thema aufmerksam zu machen. „Die Initiativen sind der Stachel im Fleisch. Wir leben in einer Gesellschaft, die diesen Stachel braucht“, sagte Becker. (dpa, iQ)