Etwa jeden Tag kommt es nach der Statistik einer Opferberatungsstelle in Berlin zu einem rassistischen Angriff oder einer Bedrohung. Insgesamt wurden 336 Angriffe erfasst.
Die Berliner Opferberatungsstelle ReachOut hat für das vergangene Jahr 336 rassistische Angriffe und Bedrohungen erfasst. Ein Jahr zuvor waren es 353 Fälle gewesen. Bei den nun gemeldeten Fällen seien mindestens 490 Menschen zum Beispiel verletzt, bedroht oder bespuckt worden.
„Erschreckend ist, dass nach unseren Erkenntnissen die meisten Angriffe im öffentlichen Raum, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Haltestellen stattfinden“, teilte Sabine Seyb von der Beratungsstelle am Donnerstag mit. Recherchen und Gespräche zeigten, dass den Betroffenen meistens niemand zur Hilfe komme.
„Die Gleichgültigkeit, manchmal vielleicht die heimliche oder offene Zustimmung der Unbeteiligten ist für die Opfer mindestens genauso verletzend und schmerzhaft wie die körperlichen Wunden, die sie davontragen“, kritisierte Seyb.
Laut Analyse war mehr als die Hälfte der registrierten Taten rassistisch motiviert (etwa 60 Prozent, 198 Fälle), andere Taten richteten sich gegen das Geschlecht (57 Taten). 25 Angriffe wurden als antisemitisch eingestuft. Erfasst wurden etwa auch Angriffe auf obdachlose Menschen oder Menschen, die von rechten Gruppen als Gegner wahrgenommen werden könnten.
ReachOut sammelt die Daten nach eigenen Angaben anhand von Mitteilungen der Polizei, Medienberichten sowie Meldungen von Zeugen und Betroffenen. Hinzu kommen Angaben anderer Initiativen in den Bezirken oder Anfragen im Parlament. Damit werden auch Ereignisse erfasst, die nicht bei der Polizei angezeigt wurden. Entscheidend für die Erfassung sind die Wahrnehmung des Opfers und die Folgen der Tat, nicht die juristische Einordnung als Gewaltdelikt.
Seyb geht davon aus, dass etliche Fälle nicht öffentlich werden. „Wir können nur das dokumentieren, wo uns belegbare Informationen vorliegen“, sagte sie. Aber sie merkten, dass Menschen in der Beratung oft nicht nur vom konkreten Anlass erzählten, sondern auch, was ihnen in der Vergangenheit schon alles passiert sei.
„Die Menschen suchen sich Unterstützung erst dann, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist“, sagte Seyb. Natürlich sei es schwierig, ein Dunkelfeld zu benennen, sie gehe aber von mindestens doppelt so vielen Fällen aus, wie öffentlich würden. (dpa, iQ)