Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat im vergangenen Jahr mit knapp 60.000 Delikten einen Höchststand erreicht. Die Zahlen seien ein Spiegelbild gesellschaftlicher Konflikte.
Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat im vergangenen Jahr mit 58.916 Delikten einen Höchststand seit Einführung der Statistik 2001 erreicht. Wie aus dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Jahresbericht des Bundeskriminalamtes (BKA) hervorgeht, stieg auch die Zahl der Gewaltdelikte um vier Prozent auf über 4.000. Nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sind die Zahlen ein Spiegelbild gesellschaftlicher Konflikte.
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, beklagte Radikalisierungstendenzen. Das gelte besonders für den Rechtsextremismus und die Hasskriminalität.
Mit 24.080 Fällen stieg allerdings die Zahl jener Straftaten am stärksten, die aufgrund ihrer „diffusen ideologischen Motivation“ politisch nicht eindeutig zuzuordnen waren. Allein 14.000 davon entfielen auf Proteste gegen Einschränkungen wegen der Covid-19-Pandemie. Am zweithöchsten war die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten mit knapp 23.500 Fällen und 1.170 Gewalttaten. Damit waren sie für rund 41 Prozent aller erfassten Opfer politisch motivierter Gewalt verantwortlich. Laut Münch bleibt der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die freiheitliche Grundordnung. Die Zahl linksextremer Straftaten sank um rund 31 Prozent auf gut 7.000 Fälle. Das bedeute aber keine Entwarnung, so Faeser.
Eine Zunahme um neun Prozent verzeichnete das BKA bei Straftaten gegen Geflüchtete. Es registrierte 1.420 Straftaten und 278 Gewaltdelikte. Auch Asylunterkünfte waren demnach häufiger Ziel von Straftaten. Rückläufig war hingegen die Zahl antisemitischer Straftaten. Sie sank um rund 13 Prozent auf 2.641 Fälle. Laut Münch gibt aber die hohe Zahl von 88 Gewaltdelikten darunter kein Grund zur Entwarnung. Der weit überwiegende Teil der Taten sei Rechtsextremisten zuzurechnen.
Einen deutlichen Anstieg an Straftaten gab es bei „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“. Sie stiegen um knapp 40 Prozent auf über 1.860 Fälle. Zudem kam es zu 333 Gewalttaten. Dies bestätigt laut Faeser die „Irrationalität und Gefährlichkeit“ dieser Gruppen. Sie müssten weiter konsequent entwaffnet werden.
Bei Klimaprotesten kam es mit rund 1.600 Straftaten zu einer Verdoppelung gegenüber 2021. Faeser über scharfe Kritik an den Aktionen. Der Klimaschutz sei zwar ein wichtiges Anliegen, das sie selbst auch teile, betonte Faeser. „Aber ich teile nicht, dass man dafür Straftaten begehen muss und dass andere Menschen verletzt werden», fügte sie hinzu. Ihr mache es auch Sorge, «dass häufig Rettungswagen behindert werden“. Die Frage, ob sie bei der Gruppe Letzte Generation Radikalisierungstendenzen sehe, verneinte die Ministerin.
Die Fallzahlen im Bereich „religiöse Ideologie“ blieben mit 481 Straftaten konstant. Allerdings sei weiter von einer erheblichen Gefährdung durch den religiösen Extremismus und Terrorismus auszugehen, so Münch. Im Bereich „ausländische Ideologie“ wurde ein starker Anstieg auf 3.886 Straftaten registriert, davon 372 Gewalttaten. Hintergrund war dabei zumeist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK sowie die Situation im Iran.
Knapp 42 Prozent der politisch motivierten Delikte wurden im vergangenen Jahr aufgeklärt. Die Quote lag in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Als «aufgeklärt» gilt eine Straftat in der Statistik, wenn mindestens ein namentlich bekannter Tatverdächtiger ermittelt wird. (dpa, iQ)