Am 14. Mai findet die Bürgerschaftswahl in Bremen statt. Wie stehen die Parteien zu Themen rund um Islam und Muslime? IslamiQ liefert die Antworten. Ein Überblick.
Am 14. Mai 2023 wird in Bremen eine neue Bürgerschaft gewählt. Derzeit leben mehr als 60.000 Muslime in Bremen und Bremerhaven.
Auch wenn Themen wie Bildung, besseres Wohnen, die steigende Inflation und die Energie- und Klimakrise den Wahlkampf dominieren, beschäftigen Themen rund um den Islam und die Muslime die aktuelle Legislaturperiode.
Gemeinsam mit der Schura Bremen hat IslamiQ Wahlprüfsteine zu den wichtigsten Themen rund um antimuslimischer Rassismus, Dialog, islamische Seelsorge, Gebetsruf und islamische Bestattungen erstellen.
IslamiQ: Welche wichtigen Themen wollen Sie in den nächsten vier Jahren in Zusammenarbeit mit den islamischen Religionsgemeinschaften und im speziellen mit der Schura Bremen angehen?
Uns ist die Zusammenarbeit mit den islamischen Religionsgemeinschaften in Bremen
und im speziellen mit der Schura sehr wichtig und wir möchten den Kontakt gerne
weiter ausbauen. Wir würden uns freuen, einen regelmäßigen Austausch stattfinden
zu lassen, um gemeinsam Themen und Projekte anzustoßen. Wir möchten
Musliminnen und Muslime in Bremen eine Heimat bieten, in der sich jede und jeder
wohl fühlt. Vielleicht könnte der Tag der offenen Moschee zum Anlass genommen
werden, um das Miteinander noch mehr zu stärken und den Austausch zu
intensivieren. Ein Thema, dass uns am Herzen liegt, ist ein Religionsunterricht für alle
Religionen: katholisch, evangelisch, jüdisch und muslimisch. Ein weiteres Thema, das
wir – auch gerne gemeinsam mit den islamischen Religionsgemeinschaften –
vorantreiben möchten, ist das verpflichtende Vorschuljahr für Kinder mit
festgestelltem Förderbedarf, um möglichst allen Kindern zur Einschulung die gleichen
Startmöglichkeiten geben zu können.
Wir treten weiter für den notwendigen interreligiösen Dialog in Bremen ein und sehen uns als SPD einer Kultur der Anerkennung, die religiöse und kulturelle Vielfalt als Möglichkeit neuer Gemeinsamkeit begreift, verpflichtet. Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit bekämpfen wir auf struktureller und individueller Ebene und werden unsere gute Zusammenarbeit mit der Schura – Islamische Religionsgemeinschaften e. V. fortsetzen. Den Wunsch islamischer Religionsgemeinschaften, als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, fördern wir.
Wir Grüne stehen an der Seite aller Religionsgemeinschaften und treten für die freie Ausübung der Religionen und die Sicherheit ihrer Gotteshäuser ein. Wir wollen Religionsfreiheit vielfältig ermöglichen. Das gilt für Zugänge zu seelsorgerischen Angeboten in Krankenhäusern, für Wohnformen im Alter, für eine diversere Trägerschaft bei Kinderbetreuungseinrichtungen oder für Ausweichtermine für universitäre Prüfungen an religiösen Feiertagen. Staatliches Handeln muss sich in Zukunft darauf konzentrieren, Teilhabebarrieren aufgrund von Religionszugehörigkeiten abzubauen und religiöse Vielfalt zu schützen, sodass alle verfassungstreuen Kirchen und Religions- sowie Weltanschauungsgemeinschaften sich frei entfalten können.
Die islamischen Religionsgemeinschaften sind ein wichtiger Partner im Bereich der Integration. Eine solche Partnerschaft muss Vorurteile gegenüber Muslimen entkräften und so Muslimfeindlichkeit entgegentreten.
Wir setzen uns vehement gegen antimuslimischen Rassismus und die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Religionsgemeinschaften in Bremen ein. Das machen wir nicht bloß über einzelne Anträge, sondern integrieren dieses Anliegen in alle Maßnahmen zu Antidiskriminierung und Diversitätssteigerung, etwa im öffentlichen Dienst oder der Antidiskriminierungsgesetzgebung. Um diese gemeinsamen Ziele zu erreichen, stehen wir immer für Gespräche zur Verfügung.
IslamiQ: Mit welchem Beitrag unterstützen Sie das Vorhaben islamischer Religionsgemeinschaften wie der „Schura – Islamische Religionsgemeinschaft Bremen e. V.“ zur Erlangung des Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts?
Wir können das Interesse den Status der Körperschaft öffentlichen Rechts zu erlangen, nachvollziehen. Einer Gewährung dieses Status stehen wir offen gegenüber und begleiten diesen Prozess gerne positiv.
Allen Religionsgesellschaften ist – verfassungsrechtlich abgesichert – die Möglichkeit eröffnet, die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr des dauerhaften Bestehens und der Rechtstreue bieten. Anerkennungsverfahren islamischer Religionsgemeinschaften in Bremen werden wir als SPD im Dialog begleiten und unterstützen.
Wir treten für die Gleichstellung der Religionsgemeinschaften und der damit verbundenen verfassungsrechtlich gewährten Rechte ein, dies gilt insbesondere auch für die Prüfung von Anträgen auf Anerkennung des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Sollte Schura alle Voraussetzungen für die Erlangung dieses Status‘ erfüllen, sehen wir als FDP aktuell kein Hindernis für eine solche Unterstützung. Wir erkennen an, dass das staatliche Kirchenrecht auf muslimische Gemeinden derzeit nicht zugeschnitten ist. Daher wollen wir es zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln. Es soll einen passenden rechtlichen Status bieten für alle Religionsgemeinschaften, die das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen.
DIE LINKE will Möglichkeiten prüfen, der Schura den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu ermöglichen.
IslamiQ: Welche Mittel und Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen, um antimuslimische Diskriminierung / Islamfeindlichkeit (Bildungsbereich, Wohnungsmarkt, etc.) in Bremen zu bekämpfen bzw. ihr vorzubeugen?
Wir lehnen entschieden jede Form von Ausgrenzung und Diskriminierung ab! Den
einen Weg zur Lösung dieses vielschichtigen gesellschaftlichen Problems gibt es
nicht. Es muss daher eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden. Neben der
Sanktionierung von Diskriminierung ist aus unserer Sicht die Präventionsarbeit in den
Schulen wichtig, denn gerade junge Menschen können und müssen im Kampf gegen
Islamfeindlichkeit erreicht werden. Zu diesem Zweck hat die CDU-Fraktion am 28.
August 2019 den Antrag „Islamfeindlichkeit wirksam begegnen“ mit der Drucksache
20/45 in die Bremische Bürgerschaft eingebracht. Dort haben wir u.a. gefordert, dass
im Bereich der Bildungsarbeit frühzeitig darauf hinzuwirken ist, dass insbesondere an
Bremer Schulen über antimuslimischen Rassismus aufgeklärt wird.
Wir setzen uns zudem für einen Religionsunterreicht ein, der alle Religionen ernst nimmt. Das Ziel von Religionsunterricht muss sein, die eigene Religion und die der anderen zu kennen und zu verstehen, Unterschiede sichtbar und erklärbar zu machen.
Die Bekämpfung von Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus sehen wir als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die es des langfristigen Engagements von Politik und Zivilgesellschaft bedarf. Wir setzen uns seit Jahren für langfristige Strategien und wirksame Instrumente ein. Im Bund haben wir uns maßgeblich für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz stark gemacht, das es ermöglicht, gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft und Religion vorzugehen; in Bremen haben wir zuletzt für die Einrichtung einer Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) sowie von Antidiskriminierungsberatungen für Bremer Schulen gesorgt. Klar ist, dass sich das Land Bremen weiter zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft bekennen muss, die Verantwortung für diesen bedeutenden Politikbereich übernimmt und der Antidiskriminierungspolitik in allen Lebensbereichen hohe Priorität und einen staatlichen Rahmen gibt. So soll die LADS auch zur Anlaufstelle bei Verdacht auf Diskriminierung am Wohnungsmarkt werden.
Auf unsere Initiative wurde der Landesaktionsplan gegen Rassismus beschlossen. Ziel ist ein Maßnahmenpaket, mit dem rassistische Vorurteile, Ausgrenzung und Gewalt effektiv bekämpft werden können, verbindlich für das Land Bremen zu entwickeln und zu verankern. Bildungsarbeit und Prävention sind dabei zentral, insbesondere gegen antimuslimische Diskriminierung. Der strukturelle Rassismus unserer Gesellschaft, wie in der Schule oder bei der Wohnungssuche, ist ein zentraler Mittelpunkt des Landesaktionsplans.
Die Landesantidiskriminierungsstelle, die auf grüne Initiative hin entstand, wird in Kürze ihre Arbeit aufnehmen, ebenso wie das Beratungsangebot für Menschen, die bei der Wohnungssuche Unterstützung brauchen. Wir werden weiter daran arbeiten, ein Landesantidiskriminierungsgesetz auf den Weg zu bringen. Denn für uns ist klar: Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, die den Schutz vor Diskriminierung für alle Menschen im Land Bremen verankert.
Diskriminierung hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Der Gesetzgeber hat umfangreiche Möglichkeiten geschaffen, um gegen Diskriminierung und Verhetzung juristisch vorzugehen. Zu nennen wäre da der § 192a StGB als neuere Gesetzgebung oder der schon lange bestehende § 166 StGB. Antimuslimischer Diskriminierung ist, wie jede Form der Diskriminierung, abzulehnen und entgegenzutreten.
Wir haben die Landesantidiskriminierungsstelle geschaffen, die auf Grund von einem Arbeitsgerichtsprozess noch besetzt werden konnte. Wir hoffen, dass sie zeitnah starten kann. Wir haben in Folge des BREBAU-Skandals eine diskriminierungsfreie randomisierte Vergabe von Wohnraum eingeführt. Auch haben wir mit den Antidiskriminierungsstellen an den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) niedrigschwellige und regionale Unterstützungsangebote an den Schulen erkämpft.
In der kommenden Legislatur wollen wir mit einem Antidiskriminierungs- und Partizipationsgesetz sowohl Betroffene direkt besser unterstützen als auch die Verbände stärken, beispielsweise durch ein Verbandsklagerecht. Mit Gesundheits- und Sorgezentren wollen wir nicht nur die allgemeine Gesundheitsversorgung und Pflege verbessern, sondern insbesondere auch eine kultursensible Versorgung in den Quartieren verankern.
IslamiQ: In den letzten Jahren haben sich Übergriffe auf muslimische Einrichtungen gehäuft. Wie sieht ihr Konzept zum Schutz muslimischer Einrichtungen aus?
Laut einer Bertelsmannstudie sind über 50 Prozent der Deutschen anfällig für Islamfeindlichkeit. Der Islam wird teilweise zu einer politischen Gefahr umetikettiert und damit die Ablehnung gerechtfertigt. Diese festgefahrenen Bilder sind letztlich der Zündstoff für die geistige Brandstiftung der radikalen Rechten in diesem Land und damit auch der Nährboden für die zahlreichen Übergriffe auf muslimische Einrichtungen oder auf Frauen mit Kopftuch in der Öffentlichkeit. Es ist unsere feste Überzeugung, dass wir die Rechtspopulisten und die Rechten in diesem Land nur bremsen und die Übergriffe stoppen können, indem wir die Islamfeindlichkeit in diesem Land nachhaltig bekämpfen. Auf der repressiven Seite sagen wir klar: Jede islamfeindliche Tat ist eine Straftat, die in einer offenen, toleranten und freien Gesellschaft nicht hinnehmbar ist.
Führt Islamfeindlichkeit zu Straftaten, so müssen diese mit aller Konsequenz verfolgt und die Straftäter zur Verantwortung gezogen werden. Die zunehmende Islamfeindlichkeit ist eine zutiefst besorgniserregende Entwicklung und darf nicht dazu führen, dass unsere muslimischen Mitmenschen das Vertrauen in die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden verlieren. Vielmehr müssen wir dafür Sorge tragen, dass sich alle Muslime in Bremen sicher fühlen und Vertrauen in den Rechtsstaat besitzen. Sie haben dabei den vollen Rückhalt und die Unterstützung der Bremer Politik und Behörden verdient. Wir setzen uns für ein tragfähiges Sicherheitskonzept ein, das die Belange der Muslime berücksichtigt. In unserem in Antwort 3 erwähnten Bürgerschaftsantrag kann unser Konzept nachgelesen werden. Grundsätzlich ist ein enger Austausch zwischen den muslimischen Einrichtungen und den Sicherheitsbehörden wichtig, um die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen treffen zu können.
Islam- und Muslimfeindlichkeit sind eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, der sich die Gesellschaft in all ihren Teilbereichen gemeinsam und entschlossen annehmen muss. Ein Schwerpunkt liegt hierbei im Bereich der Prävention. Wir treten dafür ein, die Vielfalt muslimischen Lebens auch im Rahmen politischer Bildungs- und Informationsangebote sichtbar zu machen und so Stereotype aufzubrechen und islamfeindlicher Ausgrenzung entgegenzuwirken. Gleichzeitig ist klar, dass wir jeder Form von Extremismus entschieden entgegentreten und Islam- und Muslimfeindlichkeit in Bremen weiterhin mit allen rechtsstaatlichen Mitteln begegnen werden. Die bremischen Sicherheitsbehörden treffen – ggf. unter Berücksichtigung der allgemeinen Hinweise des BKA – laufend Gefährdungsbewertungen für die einzelnen Objekte sowie Maßnahmen zum unmittelbaren Schutz. Wir begrüßen eine Kontaktaufnahme und Erörterung mit den muslimischen Gemeinden und Verbänden durch die Polizeibehörden im Land Bremen.
Die Sicherheit von Gotteshäusern und Gemeindemitgliedern wollen wir konsequent gewährleisten. Daher wollen wir eine Strategie auflegen, die Gotteshäuser in Bremen und Bremerhaven wirksamer schützt und Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Richter*innen insbesondere zu antimuslimischer Gewalt stärker sensibilisiert.
Wir fordern eine Stärkung der Polizei – sowohl personell als auch technisch. Die konkreten Schutzkonzepte obliegen dann den jeweiligen Fachabteilungen, wie beispielsweise dem polizeilichen Staatsschutz.
Wir stehen für einen Ansatz, nach dem religiöse Einrichtungen und die in ihnen versammelten Gemeinden gemeinsam mit den Behörden Schutzbedarfe und -möglichkeiten identifizieren und umsetzen. Die Sicherheit von Religionsgemeinschaften, die aufgrund von Ideologien wie Rassismus oder Antisemitismus gefährdet sind, darf nicht vom Vermögen der Gemeinde abhängen und deshalb vom Staat bei Bedarf auch finanziell ermöglicht werden.
IslamiQ: Nach den positiven Erfahrungen mit der Seelsorgearbeit in der JVA, plant die Schura das muslimische Seelsorgeangebot zu erweitern. Wie würden Sie die Ausbildung und den Einsatz muslimischer Seelsorger in Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen auch mit öffentlichen Mitteln fördern?
Das Engagement aller Religionen in der Lebens- und Glaubenshilfe findet bei der CDU hohe Anerkennung und wir freuen uns, dass die Schura die muslimische Seelsorge erweitern und Menschen in Not helfen möchte. Es ist zu prüfen, ob – ähnlich wie bei der JVA – Finanzmittel für eine muslimische Seelsorgearbeit in Krankenhäusern und Pflegeheimen durch das Gesundheits- oder Sozialressort zur Verfügung gestellt werden können.
Als SPD wertschätzen wir die muslimische Seelsorgearbeit im Justizvollzug. Die Situation in unserer JVA, in der die Seelsorgestunden staatlich finanziert werden, ist angesichts der Haftsituation mit ihren Beschränkungen für die Gefangenen auch im Hinblick auf den Zugang zu Seelsorge eine ganz besondere. Die religiöse Begleitung kann dort zudem eine wichtige Rolle bei der Resozialisierung spielen – Vorhaben mit dem Ziel, die Resozialisierung zu stärken, unterstützen und begleiten wir als Sozialdemokraten. Die staatliche Neutralitätspflicht steht hierüber hinaus einer Finanzierung und Organisation religiöser Arbeit als Staatsaufgabe entgegen.
Die muslimische Seelsorge in der JVA ist ein wichtiges Angebot, die Ausweitung sehr wünschenswert. Hier stehen wir gerne unterstützend zur Seite.
Resozialisierung ist ein wichtiger Bestandteil in unserer Justiz. Muslimische Seelsorge ist zugleich ein Mittel zur Verhinderung der Radikalisierung, welche oft in Haftanstalten passiert. Wir unterstützen selbstverständlich einen solchen Ausbau auch mit öffentlichen Mitteln, wenn hierbei eine Verbesserung der Rückfallquoten entsteht.
Wir wollen, dass Menschen im Gesundheitssystem die für sie passende Unterstützung bekommen. Dazu gehört auch eine für sie passende Seelsorge. DIE LINKE setzt sich deshalb dafür ein, dass Zugänge in die Krankenhäuser auch für muslimische Seelsorge äquivalent zur christlich organisierten Seelsorge möglich werden. Die LINKE Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard befasst sich bereits konkret mit den Möglichkeiten und Bedarfen.
IslamiQ: Wie sieht ihr Konzept aus, um dem steigenden Bedarf an muslimischen Grabfeldern zu begegnen, bzw. die Einrichtung eines eigenständigen muslimischen Friedhofs zu fördern?
Der wachsende Bedarf an muslimischen Bestattungen mit den besonderen Anforderungen an eine Beisetzung stellt den Stadtstaat Bremen mit begrenzter Fläche vor eine große Herausforderung. Einen würdevollen Ort für einen eigenständigen muslimischen Friedhof zu finden, ist mit den vielen Flächenkonkurrenzen schwierig. Insbesondere das Problem, dass die Verstorbenen auf ewig an einem Ort ruhen müssen, ist schwer lösbar. Wir setzen hier auf den Willen gemeinsam mit der Schura in Gesprächen eine Lösung zu finden, damit die muslimischen Mitmenschen eine würdevolle Ruhestätte finden.
Wie bisher praktiziert, ist es das Ziel der SPD, für Verstorbene muslimischen Glaubens ausreichenden Raum für Bestattungen nach muslimischen Regeln zu geben und für die Bedarfe Lösungen zu finden. Neben der bisherigen Praxis, hierfür separat ausgewiesene Flächenanteile öffentlicher Friedhöfe zu nutzen, sind wir als SPD offen für Gespräche über Lösungen auf separaten muslimischen Friedhöfen.
Der Umweltbetrieb Bremen arbeitet aktuell intensiv an der Realisierung weiterer muslimischer Grabfelder. Wir werden hier alle Möglichkeiten ausnutzen.
Wie bei jedem Friedhof, egal welcher Religion, muss der Bedarf gedeckt werden. Dies ist Grundaufgabe der Verwaltung und wir unterstützen dahingehend eine Erweiterung muslimischer Grabfelder.
DIE LINKE unterstützt die Einrichtung eines eigenständigen muslimischen Friedhofs und die Ausweitung muslimischer Grabfelder entlang des steigenden Bedarfs. Dafür soll die Stadt ausreichend Gelder und geeignete Flächen zur Verfügung stellen.
IslamiQ: Wie ist Ihre Einstellung zu einer diskriminierungsfreien Ausübung von Berufen im öffentlichen Dienst, vor allem in der Justiz (Anwältin und Richterin) und bei der Polizei, von Kopftuch tragenden muslimischen Frauen?
Der deutsche Staat ist säkular und darf sich mit keinem religiösen Bekenntnis identifizieren. Beamte sind Repräsentanten des Staates und müssen neutral sein. Auch wenn es die absolute Neutralität nicht gibt, sollte sie doch zumindest angestrebt werden. Eine pluralistische weltoffene Gesellschaft kann sich nur frei entwickeln, wenn der Boden – in diesem Sinne der Staat – neutral ist. Polizisten müssen während der Dienstzeit daher Uniform tragen, Anwälte und Richter Roben. Diese Dienstbekleidung ist eine Vorkehrung, um nach außen die Neutralität zu wahren. Aus unserer Sicht kann das Kopftuch, als eindeutiges Zeichen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Überzeugung, kein Teil der Polizeiuniform sein und nicht in Ausübung des Richter- oder Anwaltsamtes getragen werden, da es eine mögliche Parteinahme suggerieren könnte und das in jedem Fall vermieden werden muss.
Ähnlich wie Tätowierungen, Körperschmuck und Piercings, gehört das Tragen des Kopftuchs längst zum gesellschaftlichen Erscheinungsbild. Aus unserer Sicht steht z. B. dem Kopftuchtragen in weiten Teilen des öffentlichen Dienstes nichts entgegen; wir sehen es als
wichtig an, die Diversität unserer Gesellschaft auch im öffentlichen Dienst abzubilden – und dies gilt auch für Musliminnen und Muslime, ob mit oder ohne Kopftuch. Ein Verbot ist daher nur zu rechtfertigen, wenn ansonsten die staatliche Neutralität konkret gefährdet oder eine Störung des gesellschaftlichen Gesamtfriedens zu befürchten ist. In Bremen pflegen wir ein friedliches und gemeinsames Miteinander.
Wir fördern die Ausübung der eigenen Religion und bieten eine sichere und unterstützende Atmosphäre auch und insbesondere in der Ausbildung und am Arbeitsplatz. Wir erlauben religiös und weltanschaulich motivierte Kleidung (auch zur Uniform) in allen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes.
Wir Freie Demokraten lehnen Diskriminierung aufgrund des Glaubens ab. Zudem setzen wir uns für Religionsfreiheit und Berufsfreiheit ein. Hier ist jedoch zwischen allgemeinen, privaten Kopftuchverboten und staatlichen Kopftuchverboten zu differenzieren: Allgemeine, private Kopftuchverbote, z.B. bei Anwältinnen, greifen in die Religions- und Berufsfreiheit ein uns sind daher wahrscheinlich ohnehin verfassungswidrig. Diese lehnen wir daher ab.
In der Justiz ist das etwas anderes, denn die Justiz gehört zum Staat. Der Staat muss jedoch religions- und weltanschaulich neutral dem Bürger gegenübertreten. Die staatliche Neutralität ist ebenfalls ein hohes Gut, weshalb die Gerichte in anderen Bundesländern Kopftuchverbote für Richterinnen als verfassungsmäßig eingestuft haben. Wir sehen für ein solches Verbot in Bremen jedoch aktuell keinen Anlass.
Dort, wo es das Neutralitätsgebot des Staates nicht zwingend ergibt, stehen wir für die Möglichkeit, ein Kopftuch zu tragen, um die Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Muslima nicht einzuschränken. Das gilt in den Bereichen Schule ebenso, wie in der Justiz, also beispielsweise bei Richterinnen, oder der Polizei. Dort, wo etwa die Uniformpflicht bisher das Tragen eines Kopftuches verbietet, ist die LINKE für eine Überprüfung, denn das Verbot hat de facto den Effekt, einige Frauen bestimmte Karrieren unmöglich zu machen.
IslamiQ: Das Thema Gebetsruf (Adhan) hat für die Muslime eine besondere emotionale Bedeutung als Ausdruck ihrer religiösen Identität. Inwiefern würden Sie ein Modellversuch mit öffentlich wahrnehmbaren Gebetsruf an ausgewählten Moscheegemeinden im Land Bremen unterstützen?
Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens ist eine große Bereicherung für die Hansestadt Bremen. Wir sind sehr dankbar und froh, dass sehr viele Musliminnen und Muslime Bremen selbstverständlich als ihre Heimat ansehen. Und jede und jeder hat das Recht, seine Religion frei ausleben zu können. Die Frage ist jedoch, ob ein öffentlich wahrnehmbarer Gebetsruf auch dazu gehört. Für einige zählt der Gebetsruf zur freien Religionsausübung, für andere ist er dagegen kein Bestandteil des muslimischen Gebets. Die CDU Bremen ist der Auffassung, dass der öffentliche Raum neutral bleiben muss. Der Ruf des muslimischen Glaubensbekenntnisses würde diesem Neutralitätsgebot nicht gerecht werden.
Darüber hinaus ist für uns das Glockengeläut der Kirchen nicht zu vergleichen mit dem Adhan: Während das Läuten weder zum Gebet gehört, noch eine theologische Botschaft proklamiert, also inhaltlich neutral ist, besteht der Gebetsruf im Ausrufen eines Textes, dem das islamische Glaubensbekenntnis zugrunde liegt.
Zentral für die Ermöglichung öffentlicher Gebetsaufrufe ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Deshalb sollte versucht werden, darüber ein möglichst breites Einvernehmen im Stadtteil herzustellen. Die SPD wird Sie dabei unterstützen, wenn Sie im Stadtteil mit den Beiräten das Gespräch suchen und führen.
Wir unterstützen die modellhafte Einführung des Adhan sehr und werden beim Abbau eventueller bürokratischer Hürden helfen.
Es obliegt den jeweiligen Gemeinden für einen solchen Modellversuch einen verwaltungsrechtlichen Antrag zu stellen. Sollten die Voraussetzungen hierfür erfüllt sein, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, genauso wie bei Kirchenglocken auch.
Wir unterstützen einen entsprechenden Modellversuch. Solange Kirchen in Bremen und Bremerhaven läuten, ist es eine Ungleichbehandlung, Gebetsrufe nicht zuzulassen.
IslamiQ: Die Arbeiten der islamischen Religionsgemeinschaften werden ausschließlich von Spendengeldern finanziert. Welche Maßnahmen können Sie sich vorstellen, diese gesellschftlich bedeutenden Arbeiten anzuerkennen und für bedürftige Gemeinden bei deren Bewältigung entsprechende Fördermöglichkeiten einzurichten?
Wir wissen, wie viel die Schura im Bereich der Jugendarbeit, der Bildung, der
Integration, der Seelsorge und in vielen anderen Bereichen leistet. Der Wunsch nach einer finanziellen Unterstützung für diese Arbeit ist nachvollziehbar. Eine pauschale finanzielle Förderung kann es derzeit nicht geben. Wir sehen aber zum Beispiel Möglichkeiten zur Förderung in dem Programm „Wohnen in Nachbarschaft“ (WiN). Diese Fördermittel können die islamischen Gemeinden bei der Sozialsenatorin beantragen. In Regierungsverantwortung werden wir als CDU den Ganztagsschulausbau massiv vorantreiben. Wir planen hierfür eine enge Kooperation mit den bestehenden Einrichtungen, wie den Sportvereinen, den Musikschulen und auch den Moscheevereinen, um den Kindern und Jugendlichen ein attraktives Nachmittagsangebot in den Ganztagsschulen anbieten zu können. Die von der Schura bisher ehrenamtliche Arbeit könnte auf diese Weise in das Ganztagsschulkonzept eingebunden werden.
Für die SPD ist die Trennung zwischen religiösen Gemeinschaften und staatlichem Handeln durchaus ein wichtiges Gut. Daher sind wir der Auffassung, dass der Staat die religiöse und/oder seelsorgerische Arbeit von religiösen Gemeinschaften nicht prägen oder finanzieren darf. Überall dort, wo religiöse Gemeinschaften Aufgaben übernehmen, die nicht weltanschaulich neutral sein müssen, z. B. in der Kinderbetreuung, der Jugendarbeit oder bei Projekten der sozialen oder integrativen Arbeit, werden die muslimischen Gemeinden gleichbehandelt und müssen in der Bewerbung oder Beantragung öffentlicher Mittel die gleichen Voraussetzungen und Regeln befolgen wie andere Träger (z. B. kirchliche), Gemeinschaften oder Initiativen. Wir schätzen das ehrenamtliche Engagement der muslimischen Gemeinden und begrüßen, wenn sie sich im Zuge von Projektanträgen und Aktivitäten um finanzielle Unterstützung in den jeweiligen Handlungsfeldern bemühen.
Spezifische Fördermaßnahmen werden wir gerne gemeinsam mit der Schura und den betroffenen Gemeinden beraten.
Jede Religionsgemeinschaft muss gleichwertig behandelt werden. Das gilt auch im Bereich der öffentlichen Förderungen.
Wir halten eine Unterstützung für sinnvoll und auch gerecht. In Frage kommen etwa Ausbildungskosten für Imame, die an deutschen Hochschulen studiert haben. Außerdem wollen wir generell das Ehrenamt stärken und auch mit finanziellen Anreizen (Ehrenamtskarte, Fortbildungen usw) fördern.
IslamiQ: Mit welchen konkreten Maßnahmen würden Sie islamische Religionsgemeinschaften wie z. B. die Schura Bremen unterstützen einen Kindergarten in muslimischer Trägerschaft zu eröffnen?
Die Rot-Grün-Rote Koalition hat es Schulen und Kindergärten in freier Trägerschaft in der Vergangenheit in Bremen nicht leicht gemacht! In Regierungsverantwortung werden wir uns als CDU für eine einfachere und strukturiertere Handhabung mit den freien Trägern einsetzen. Wichtig bei einem muslimischen Kindergarten ist aus unserer Sicht, dass wie bei den evangelischen und katholischen Kindergärten, der Zugang allen unabhängig von der Religionszugehörigkeit offensteht. Denn mit Blick auf Integration und dem Kampf gegen Islamfeindlichkeit ist der frühe Kontakt zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Kindern sehr wichtig. Kindern fällt es besonders leicht, offen und ohne Vorbehalte mit kulturellen Unterschieden umzugehen.
Das Betreiben einer Kita ist an bestimmte Rechtsformen geknüpft, die für alle Träger gleichermaßen gelten. Eine Kita muss nicht weltanschaulich neutral sein. Insofern ist die Schura anderen Trägern gleichgestellt. Das ist auch gut so, denn der Islam gehört auch zu Bremen.
Konfessionsgebundene Kindertageseinrichtungen bereichern die Landschaft der Kinderbetreuung, wir beteiligen uns gerne an diesbezüglichen Planungen.
Die Eröffnung eines Kindergartens ist keine politische, sondern eine verwaltungsrechtliche Entscheidung. Sollten die verwaltungsrechtlichen Vorgaben erfüllt sein, dann steht diesem Schritt nichts entgegen.
Wir stehen für starke öffentliche Kindertagesstätten, in denen alle Kinder ihre Identität leben und entwickeln können. DIE LINKE setzt sich daher für die transkulturelle Öffnung der Kitas in Bremen ein, damit alle Kinder in Bremen sich – auch in ihrer Religion – frei entfalten können. Wir sind auf diesem Weg für Gespräche mit allen Religionsgemeinschaften offen.