Vor fast drei Jahren wurden in einem Stadtteil im Südosten Erfurts drei Männer überfallen. Das Landgericht Erfurt hat nun vier mutmaßliche Angreifer wegen des Übergriffs verurteilt und die Tat als rassistisch motiviert eingestuft. Offenbar erstmals in Thüringen haben die Verurteilten wegen des Motivs eine härtere Strafe erhalten.
Nach einem Überfall auf drei Männer aus Guinea in Erfurt im Sommer 2020 sollen drei der mutmaßlichen Angreifer ins Gefängnis. Sie würden unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und vier Monaten und vier Jahren und neun Monaten verurteilt, sagte der Vorsitzende Richter der zuständigen Strafkammer am Landgericht Erfurt am Montag bei der Urteilsverkündung. Ein weiterer Angeklagter erhielt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Drei Angeklagte sprach das Gericht von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Erfurt frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Mit seiner Entscheidung stuft das Gericht den Übergriff ausdrücklich als rassistisch motivierte Tat ein – und verhängte deshalb besonders harte Strafen. „Was in dieser Nacht passiert ist, lässt einen als Bürger schon erschaudern“, sagte der Vorsitzende Richter während der Urteilsbegründung. Es habe sich um „eine äußerst brutale Tat“ gehandelt, die aus „einer verurteilungswerten Gesinnung“ heraus begangen worden sei.
Die Tat sei eindeutig aus rassistischen Motiven erfolgt. Dennoch seien die vier Männer nicht wegen der Ideologie verurteilt worden, der sie folgten, sondern weil sie aus rassistischen Motiven heraus gehandelt hätten. „Dafür hat die Kammer null Verständnis, null Verständnis“, sagte der Vorsitzende Richter.
Die Kammer hat nach eigenen Angaben bei der Strafzumessung ausdrücklich auf den Paragrafen 46, Absatz 2 des Strafgesetzbuches zurückgegriffen. Dieser erlaubt es bei der Strafzumessung „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende“ Motivationen strafschärfend zu berücksichtigen. Bei der Bildung der einzelnen Strafen in diesem Verfahren hat das Gericht teilweise auch frühere Verurteilungen einzelner Männer aus anderen Gerichtsverfahren mit einbezogen.
Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass die Verurteilten vor inzwischen fast drei Jahren im Erfurter Stadtteil Herrenberg auf die drei Männer aus Guinea eingeschlagen und eingetreten hatten. Dabei haben sie ihre Opfer nach Überzeugung des Gerichts massiv rassistisch beleidigt. Überhaupt seien die Männer nur deshalb angegriffen worden, weil sie eine andere Hautfarbe als die Angreifer hätten, hieß es. Alle Angeklagten werden der rechtsextremen Szene zugeordnet. Sie sind teilweise einschlägig wegen Körperverletzungs- und Propagandadelikten vorbestraft.
Die Staatsanwaltschaft hatte ausschließlich Haftstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und vier Jahren und drei Monaten für die Angeklagten gefordert. Die Verteidiger hatten auf Freisprüche für ihre Mandanten plädiert. Das Urteil kann per Revision beim Bundesgerichtshof angefochten werden.
Bei den drei freigesprochenen Angeklagten gebe es keine ausreichenden Beweise dafür, dass auch sie an dem Übergriff auf die Männer aus Guinea beteiligt gewesen seien, sagte der Vorsitzende Richter. Auch für Rechtsextreme gelte der Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten.“
Die Opferberater von ezra reagierten mit gemischten Gefühlen auf die Entscheidung des Gerichts. Einerseits bleibe das Urteil hinter ihren Erwartungen zurück, sagte eine ezra-Sprecherin. Andererseits sei es gut, dass bei der Strafzumessung die rassistische Motivation der Tat berücksichtigt worden sei. Dies sei nun mutmaßlich das erste Mal in einem solchen Verfahren in Thüringen geschehen. Die Opferberater von ezra sind auf die Begleitung von Menschen spezialisiert, die aus rassistischen oder rechtsextremen Motiven heraus angegriffen werden. (dpa/iQ)