Die Recherchegruppe Forensic Architecture hat im Untersuchungsausschuss zu den rassistischen Morden in Hanau die Kritik der Gruppe an der Arbeit der Polizei erneuert.
Die Recherchegruppe Forensic Architecture hat im Untersuchungsausschuss zu den rassistischen Morden in Hanau die Kritik der Gruppe an der Arbeit der Polizei erneuert. Es seien bei dem Einsatz am Täterhaus zahlreiche Versäumnisse festgestellt worden, sagte ein Mitglied der Gruppe am Montag im Wiesbadener Landtag.
Die Gruppe Forensic Architecture war 2011 in London gegründet worden, die Mitglieder sehen sich als Recherchekollektiv und „Forschungsagentur“. Sie setzen moderne Technologien ein, um Daten auszuwerten und Spuren zu analysieren, etwa 3D-Modellierung, Geomapping und digitale Rekonstruktion, aber auch investigative Recherchen. Die Recherchegruppe war aus den Reihen der Opfer-Angehörigen beauftragt worden. Auch nach den „NSU“-Morden in Kassel war die Gruppe im Einsatz gewesen.
Das Mitglied der Gruppe sagte im Ausschuss, unter anderem hätten laut ihren Erkenntnissen die ersten Polizeistreifen das Haus nicht richtig bewacht. Der Täter habe unbemerkt hinaus gelangen und weiter morden können. Auf einem Polizeivideo sei zu sehen, wie nach dem Eintreffen der Streifen mutmaßlich ein Zivilist in der Nähe des Hauses des bewaffneten Extremisten gelaufen sei. Auch sei die Besatzung des Polizeihubschraubers über ihre Rolle im Unklaren gewesen.
Auf einer bei der Sitzung abgespielten Sequenz der Aufzeichnungen aus dem Hubschrauber war zu hören, wie Besatzungsmitglieder mutmaßlich den Polizeifunk als „Müll“ und „Katastrophe“ bezeichneten. Zudem fielen Sätze, sie seien „abgehängt“ und niemand rede mit ihnen. „Diese und viele weitere Sequenzen zeigen, dass sie keine Ahnung hatten, was auf dem Boden passiert“, sagte das FA-Mitglied. Nach den Angaben des Ausschuss-Vorsitzenden hatte das Gremium erst durch die Gruppe von dem Video erfahren, zuvor sei es nicht bei den Akten gewesen.
Zwei Fraktionen des hessischen Landtags kritisierten das Mitglied der Gruppe Forensic Architecture: „Seine Annahmen stehen in deutlichem Kontrast zu den von Polizeiführern in der Tatnacht vorgegebenen Einsatzbefehlen“, sagte Jörg-Michael Müller von der CDU. Die Kritik sei „unsachlich und inkompetent“. Das Gutachten weise mehrere Mängel auf, meinte Dirk Gaw von der AfD-Fraktion. Diese seien aufgrund von falschen Annahmen oder fehlenden Informationen zustande gekommen. Heike Hofmann von der SPD kritisierte dagegen den damaligen Einsatzleiter. Der Hubschrauberbesatzung seien essenzielle Informationen zum Täterhaus vorenthalten worden. „Ein Fehler, der dramatische Konsequenzen hätte nach sich ziehen können“, sagte sie.
Bei seiner letzten Anhörung im vergangenen Herbst hatte das Mitglied von Forensic Architecture gesagt, die Menschen an einem der Tatorte, der Arena-Bar, hätten mutmaßlich fliehen können, wenn der Notausgang nicht verschlossen gewesen wäre.
Am Abend des 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Rechtsextremist in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen und sechs weitere Menschen verletzt, danach tötete er seine Mutter und sich selbst.
Der Ausschuss soll klären, ob es rund um die Tat zu Behördenversagen gekommen war. Seine Arbeit befindet sich auf der Zielgerade, unter anderem soll noch Innenminister Peter Beuth (CDU) als Zeuge vernommen werden. Seine Aussage war für den 31. Mai geplant gewesen, wurde nach Angaben des Ausschuss-Vorsitzenden jedoch verschoben. Ein neuer Termin werde diese Woche festgelegt. (dpa/iQ)