„Alternative für Deutschland“

AfD: Die Gefahr der Normalisierung

Die AfD befindet sich im Höhenflug, Umfragen zufolge ist die Partei zweitstärkste Kraft nach der CDU. IGMG-Generalsekretär Ali Mete beobachtet das mit Sorge. Ein Gastbeitrag.

25
06
2023
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AfD
AfD © flickr.de/metropolico.org/ CC 2.0, bearbeitet by IslamiQ.

Die „Alternative für Deutschland“ wurde vor zehn Jahren als rechtsliberale, antieuropäische Protestpartei gegründet und hat sich nach und nach zu einer rechtsradikalen, rassistischen Partei entwickelt. Aktuellen Umfragen zufolge liegt sie in Ostdeutschland mit 32 Prozent der Stimmen vor den Christdemokraten. In Westdeutschland hat sie ein Potenzial von 19 Prozent. Damit liegt sie 3 Prozent vor den Grünen und 2 Prozent vor den Sozialdemokraten. Die AfD ist damit leider zweitstärkste Partei der Bundesrepublik.

Warum der Stimmenzuwachs bei der AfD?

Was sind die Gründe für diesen Stimmenzuwachs? Laut Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der Christdemokraten (CDU), liege es daran, dass die Parteien sich von den Bürgern entfernt haben. Deshalb wendeten sich diese der AfD zu, quasi aus Protest, um ihnen eine Lektion zu erteilen. 

Merz‘ Annahme scheint jedoch kaum haltbar zu sein. Untersuchungen aus dem Jahr 2017 haben gezeigt, dass die AfD den bei Weitem höchsten Prozentsatz an Wählern aufweist, die nicht bereit sind, eine andere als die „Alternative für Deutschland“ zu wählen. Mit anderen Worten: Die AfD hat eine größere und – was wichtiger ist – ihr loyalere Wählerschaft als die anderen Parteien. Obwohl alle großen Parteien seit Gründung der AfD in ihrer Rhetorik und ihrem Handeln nach rechts gerückt sind, konnten sie kaum AfD-Wähler für sich gewinnen. Das liegt daran, dass AfD-Wähler in erster Linie eben nicht Protestwähler sind, sondern von der Ideologie ihrer Partei überzeugt sind. 

Die AfD ist eine populistische Partei, und ihre Anhänger sind die populistischsten aller Wähler. Sie lehnen die liberale Gesellschaftsordnung ab, befürworten eine äußerst restriktive Einwanderungs- und Asylpolitik und schüren Hass gegen Muslime und andere Minderheiten. Die große Mehrheit der AfD-Wähler vertritt diese Position nicht aus Protest, sondern weil sie daran glaubt. Das ist der Grund, warum der Erfolg der AfD für andere Parteien so schwer fassbar ist: AfD-Anhänger teilen oft genau die Vorstellung von Demokratie und Gesellschaft, für die diese Partei steht. 

Vor diesem Hintergrund argumentiert der Soziologe Wilhelm Heitmeyer, dass es falsch sei, die AfD einfach als rechtspopulistisch zu bezeichnen; er sieht in ihre eine Art „autoritären Nationalradikalismus“. Denn Rechtspopulismus ist ein kurzfristiges Phänomen. Parteien wie die AfD hingegen bevorzugen klare Hierarchien und streben eine Gesellschaftsordnung an, in der Slogans wie „wir gegen sie“ oder „wir und die Ausländer“ die Norm sind, entsprechend ihrer autoritären Ideologie gegen jeglichen Pluralismus. 

Diese beiden Merkmale, nämlich die Ablehnung von Pluralismus und Gleichheit, sind, wenn auch in unterschiedlichem Maße, gemeinsame Merkmale rechter Parteien. Je mehr individuelle Freiheiten und gesellschaftlicher Pluralismus in der Gesellschaft zunehmen, desto stärker wird die Reaktion ihrer Wähler. 

Nachahmen ist keine Lösung

In jedem Fall ist der aktuelle Aufstieg der AfD in den Umfragen bemerkenswert, und besorgniserregend. Die Frage ist: Können die anderen Parteien die potenziellen AfD-Wähler überhaupt noch erreichen? Das Hauptproblem der Strategien, um diese Wähler zu erreichen, ist, dass die AfD politisch weit von der Mitte des deutschen Parteiensystems entfernt ist. Um sie „einzuholen“, müssten die Parteien einen weiten Bogen schlagen, wie er leider bei vielen Parteien immer wieder zu beobachten ist. So vertreten manche eine restriktivere Asyl- und Einwanderungspolitik. Das allein wird aber nicht ausreichen, um AfD-Wähler zu erreichen, denn die Loyalität zur Partei beruht nicht nur auf gesellschaftspolitischen Einstellungen. Sie resultiert aus einer Tendenz zum Populismus auf ideologischer Basis.

Für die treuen Wähler der AfD gibt es keinen Grund, zu den Christdemokraten zu wechseln. Wenn die CDU versucht, sich noch weiter rechts zu orientieren, ist sie der Verlierer, weil ihr der liberale Teil ihrer Wählerschaft abhandenkommt, ohne dass AfD-Wähler zu ihr wechseln. So könnte die CDU könnte ihre eigenen Wähler verlieren, während die AfD-Wähler, die ihrer Partei treu sind, zunehmen.

Was kann getan werden?

Es kann nicht behauptet werden, dass die großen Parteien in Deutschland eine erfolgversprechende Strategie für den Umgang mit der AfD entwickelt haben. Dazu müssten sie zunächst aufhören, eine teilweise AfD-nahe Sprache zu benutzen und in manchen Bereichen eine AfD-mäßige Politik zu betreiben. Sie müsste sich nicht nur klar gegen Diskriminierung und Rassismus positionieren, vor allem in Bezug auf Minderheiten, sondern ihren Worten müssten auch entsprechende Taten folgen. Das Misstrauen gegenüber Politikern und den politischen Parteien darf nicht durch Handlungen genährt werden, die den eigenen Werten zuwiderlaufen. 

Rechtsextreme Strukturen in staatlichen Institutionen wie Polizei und Armee müssen stärker bekämpft werden. Im Bildungswesen sollte nicht nur für eine pluralistische Gesellschaft geworben, sondern auch Argumente gegen rechte Ideologien vermittelt werden. 

Die Zivilgesellschaft muss entschieden gegen Diskriminierung in allen Bereichen vorgehen – auch auf die Gefahr hin, kritisiert zu werden. Sonst wird die Normalisierung der AfD leichter. Das ist die eigentliche Gefahr: die Normalisierung von autoritären, rassistischen Diskursen.