Fraktionsübergreifend herrscht Einigkeit, dass der zweite NSU-Ausschuss richtig und notwendig war. Der Vorsitzende hat eine klare Einschätzung.
Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im bayerischen Landtag, Toni Schuberl, geht persönlich nicht von bislang unbekannten bayerischen Helfern bei der Vorbereitung und Ausführung der NSU-Morde aus. „Weitere, noch nicht bekannte, direkte Unterstützungsleistungen bayerischer Rechtsextremisten bei der Tatplanung oder Tatausführung der Morde und Anschläge des NSU konnten nicht nachgewiesen werden“, heißt es in seiner Bewertung der zurückliegenden Ausschussarbeit, die der Grünen-Politiker am Donnerstag in München vorstellte. Jedenfalls habe man dafür keine Beweise finden können. Und: Seiner Einschätzung nach habe es „wahrscheinlich“ tatsächlich keine örtlichen Helfer gegeben.
Der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) war eine Terrorzelle, bestehend aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die von 2000 an jahrelang unerkannt zehn Morde in ganz Deutschland verübte, fünf davon in Bayern. Opfer waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Mundlos und Böhnhardt töteten sich 2011, um ihrer Festnahme zu entgehen. Zschäpe, die einzige Überlebende des Trios, wurde 2018 nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer zu lebenslanger Haft verurteilt – als Mittäterin, auch wenn es keinen Beweis gibt, dass sie an einem der Tatorte war. „Trotz aller Bemühungen ist es dem Ausschuss im Zuge der Aktenrecherchen und Zeugenvernehmungen nicht gelungen, den Nachweis für konkrete Kontakte zu bayerischen Rechtsextremisten nach dem Untertauchen des NSU zu erbringen“, heißt es in Schuberls Fazit. Das war eine der zentralen Fragen für den Untersuchungsausschuss gewesen.
Auffällig sei indes „die Häufung von Wohnorten und Treffpunkten der örtlichen Rechtsextremisten in der Nähe der Tatorte“. „Es scheint teilweise, als seien die Morde an Hotspots der rechtsextremen Szene verübt worden.“ Diese seien aber in einigen Fällen zum Tatzeitpunkt auch nicht mehr vorhanden gewesen. Es liege die Vermutung nahe, dass an Orten mögliche Tatorte ausgespäht worden seien, „die den Tätern bereits bekannt waren durch frühere Besuche in der örtlichen Szene“. Und Nürnberg sei vor dem Untertauchen „ein Bezugspunkt“ für die drei gewesen. „Nürnberg war ein Ort, den das Trio kannte.“ In Nürnberg verübten die NSU-Terroristen später drei Morde. Schuberl betonte zudem, es dürfe nicht der falsche Schluss gezogen werden, es habe sich um isolierte Einzeltäter gehandelt. „Der NSU ist aus einer vorhandenen Struktur erwachsen“, so seine Bewertung.
Den bayerischen Behörden machte Schuberl in dem Zusammenhang schwere Vorwürfe: Ein hiesiger V-Mann sei einst eine zentrale Figur beim Aufbau rechtsextremer Strukturen in Thüringen gewesen. Dafür trage der Freistaat – ungeachtet der „lauteren Ziele“ hinter dem V-Mann-Einsatz – die Verantwortung. Daraus habe sich der „Thüringer Heimatschutz“ entwickelt. „Und daraus ist der NSU entstanden.“ Zudem beklagte Schuberl Fehleinschätzungen der bayerischen Justiz bei der Bewertung eines Anschlags auf eine Nürnberger Gaststätte – diese Tat wurde erst durch die Aussage eines Mitangeklagten im NSU-Prozess dem NSU zugeordnet. Dem ehemaligen Innenminister Günther Beckstein (CSU) attestierte Schuberl den „richtigen Riecher“, weil dieser früh die Frage nach einem möglicherweise rechtsextremen Hintergrund aufgeworfen habe. Der heutige Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) habe sich hingegen nicht aktiv um die damals ungeklärten Morde gekümmert.
Arif Taşdelen (SPD) sagte: „Es ist äußerst bedenklich, wenn wir die Verfassung vor dem Verfassungsschutz schützen müssen.“ Dieser Eindruck sei aber bei Zschäpes Vernehmung entstanden, die ausgesagt habe, erst durch einen V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes radikalisiert worden zu sein. „Der Verfassungsschutz darf nicht als Aufbauhelfer für rechtsradikale Strukturen auftreten“, betonte er. (dpa, iQ)