Haben Menschen in Ostdeutschland häufiger eine rechtsextreme Einstellung? Eine Studie bescheinigte das den Sachsen-Anhaltern kürzlich. Nun geht es darum, welche Lehren daraus zu ziehen sind.
Nach den jüngsten Wahlerfolgen der AfD in Sachsen-Anhalt und Thüringen haben mehrere Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Organisationen gemeinsam dazu aufgerufen, Maßnahmen gegen Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus zu verstärken. Außerdem müsse grundlegend untersucht werden, warum rechtsextreme Einstellungen in Sachsen-Anhalt im Vergleich der ostdeutschen Länder am weitesten verbreitet sind, hieß es in einer Stellungnahme, die am Mittwoch von der Hochschule Magdeburg-Stendal verbreitet wurde.
Die Lage sei viel ernster als die Reaktionen in den vergangenen Wochen hätten vermuten lassen, sagte Katrin Reimer-Gordinskaya vom Institut für demokratische Kultur. Man müsse weg von einer Symptombekämpfung und die Ursachen stärker in den Blick nehmen, betonte die Professorin. Die Stärke der äußersten Rechten sei der Schwäche des demokratischen Spektrums zuzuschreiben, sagte Reimer-Gordinskaya. Ihr Kollege Matthias Quent betonte, die Konkurrenten der AfD müssten besser aufzeigen, welche Folgen eine rechtsextreme Politik hätte.
In Thüringen nahm kürzlich der bundesweit erste AfD-Landrat Robert Sesselmann seine Arbeit auf. In der sachsen-anhaltischen Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz gewann AfD-Politiker Hannes Loth die Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister. Der Verfassungsschutz stuft die Partei bundesweit als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus einstuft. In deutschlandweiten Umfragen rangiert die AfD bei um die 20 Prozent.
Der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich rief die anderen Parteien dazu auf, ihren Umgang mit den Rechtspopulisten insgesamt zu überprüfen. Interaktionen könne man in den Kommunalparlamenten nicht aus dem Weg gehen, sagte Begrich. Es dürfe aber keine Kooperation geben. „Es braucht die Kunst der Unterscheidung“, sagte Begrich. Die anderen Parteien müssten alles vermeiden, was den Anschein erwecke, dass man die politische Agenda der AfD unterstütze. Dabei müssten Anträge zu Parkbänken oder Baumpflanzaktionen anders behandelt werden als Anträge, die Kernthemen der AfD beträfen, so Begrich. „Diese kommunalpolitische Auseinandersetzung wird sehr kleinteilig werden.“ Die anderen Parteien müssten es jedoch vermeiden, „der ohnehin schon vorangeschrittenen Normalisierung der AfD als einer rechtsextremen Partei weiterhin Vorschub zu leisten“.
DGB-Landesleiterin Susanne Wiedemeyer sieht einen Erklärungsansatz in der zum Teil noch immer nicht vollständig vollzogenen Angleichung der Löhne in Ost und West. Beschäftigte fühlten sich hier häufig als Menschen zweiter Klasse, weil die Arbeitsleistung nicht in gleicher Weise gewürdigt werde, sagte sie. Zudem sei es heute schwerer für Parteien und Organisationen, Menschen argumentativ zu erreichen oder diese zu Veranstaltungen einzuladen. „Eine Lösung haben wir alle noch nicht“, räumte Wiedemeyer ein.
Eine Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Universität Leipzig hatte kürzlich ergeben, dass in Sachsen-Anhalt im Vergleich der ostdeutschen Länder rechtsextreme Einstellungen am weitesten verbreitet sind. Das Institut für demokratische Kultur der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Landesfrauenrat, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Verein Miteinander, das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen und der Trägerverein der Beratungsstellen bei antisemitischer Gewalt (OFEK) sprachen sich dafür aus, die Ursachen dessen genauer zu untersuchen. (dpa, iQ)