Islamische Begriffe werden oft missbraucht und verlieren dadurch ihre eigentliche Bedeutung. Im IslamiQ Glossar geht es um die ursprüngliche Bedeutung der Wörter. Heute der Begriff „Islamismus“.
Bei dem Begriff „Islamismus“ handelt es sich linguistisch um eine Derivation (Ableitung). Mit der Endung „–ismus“ wird aus dem Namen der islamischen Religion eine negativ konnotierte Bezeichnung „Islam+ismus“ abgleitet. Bemerkenswert ist, dass weder aus der Bezeichnung „Christentum“ oder „Judentum“, noch aus Bezeichnungen anderer Religionen eine negativ bewertete Bezeichnung stammt.
In der Forschung wird der Begriff „Islamismus“ teilweise als Synonym für die Begriffe „islamischer Fundamentalismus“, „Integrismus“ oder „islamischer Nativismus“ verwendet. Oft verschwimmen dabei die Trennlinien zwischen den synonymen Bezeichnungen.
Der Begriff „Islamismus“ bezieht sich auf die Reformbewegung innerhalb der islamischen Welt des späten 19. und 20. Jahrhunderts, die durch die Rückbesinnung auf die Religion eine Erneuerung bzw. Reform in den unterschiedlichen Lebensbereichen anstrebte. Diese Reformbewegung war eine Reaktion auf die Erschütterungen, die durchlebt wurden. Dabei stellte sich neben dem „Islamismus“ auch der Sozialismus und der arabische Nationalismus als eine mögliche Erlösung dar. Daher war der „Islamismus“ nicht nur eine Revolte gegen die Moderne, sondern vielmehr ein Aufstand gegen die ungerechten politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse.
Als Vorreiter für die islamische Reformbewegung gelten die Reformisten Dschamal al-Din al-Afghani (1838-1897), Mohammad Abdu (1849–1905) und Raschid Reda (1865-1935). Sie führten die Ursachen der vermeintlichen intellektuellen Rückständigkeit auf einem starren, inflexiblen Islamverständnis (arab. Taglid) zurück. Sie haben sich daher für eine Reform des Islams durch zeitgemäße Auslegung des Korans und der Sunna ausgesprochen, um an den wahren Islam der Altvorderen anzuknüpfen. Hierfür wurde eine Reformierung innerhalb der Gesellschaft, mit Zustimmung der politischen Herrschaft angestrebt, sprich: ohne einen revolutionären Umsturz zu propagieren.
Manche Forscher datieren die Entstehung des Islamismus aus der Gründung der Muslimbrüderschaft in Ägypten (1928) und der Dschamat-i Islami (Islamische Gemeinschaft) 1941 in Pakistan. Beide Ereignisse können als Folge bzw. eine Entwicklung der Reformbewegung gesehen werden. Seit dieser Zeit wird „Islamismus“ als Sammelbegriff betrachtet, der die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Veränderungen in Bezug auf den Islam umfasst. Mit der iranischen Revolution gewann der Begriff an Bedeutung und wurde mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Verbindung gebracht.
Im Zuge des 11. Septembers erlebte der Begriff eine Hochkonjunktur, verliert dagegen seine zentrale Kernbedeutung als eine soziale, gewaltfreie Reformbewegung, die auf den Islam zurückgreift. Seit dem 11. September verschiebt sich die Bedeutung des Begriffs vorwiegend ins semantische Feld „Gewalt“ und „Terror“. Im öffentlichen Diskurs wird der Islamismus mit Formulierungen wie „Dschihadismus“ und „religiösen Terrorismus“ in Verbindung gebracht.