Genau 32 Jahre nach dem tödlichen rassistischen Brand eines Asylbewerberheims in Saarlouis neigt sich der Prozess gegen den Täter dem Ende zu. Nun geht es darum, ob nach Jugendstrafrecht verurteilt wird.
Nach Einschätzung der Jugendgerichtshilfe und einer Gutachterin soll der Angeklagte im Prozess um einen tödlichen rassistischen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim 1991 in Saarlouis nach Jugendrecht bewertet werden. Zerrüttete Familienverhältnisse, Beziehungsbrüche, Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie einschlägige Delikte und extremer Alkoholkonsum des Angeklagten sprächen für die Anwendung des Jugendstrafrechts, sagte eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Die forensisch-psychiatrische Gutachterin schloss sich der Einschätzung an.
Der Angeklagte sei bereits 1990 und 1993 wegen anderer Delikte nach Jugendstrafrecht verurteilt worden, sagte die Vertreterin des Jugendgerichtshilfe. Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte 20 Jahre alt und damit laut Gesetz ein Heranwachsender. Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Werden Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nach Jugendstrafrecht verurteilt, sind nur in seltenen Fällen bei Mord mit besonderer Schwere der Schuld bis zu 15 Jahre möglich.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem heute 52-jährigen Angeklagten vor, den Brand aus rassistischer Gesinnung gelegt zu haben. Der damals 27-jährige Asylbewerber Samuel Yeboah aus dem westafrikanischen Ghana war infolge der Flammen gestorben. Der Angeklagte hatte im Prozess ausgesagt, bei dem Brand dabei gewesen zu sein. Gelegt habe das Feuer aber ein damaliger Bekannter aus der Skinhead-Szene. Der Prozess läuft bereits seit November vergangenen Jahres.
Zu Beginn des Verhandlungstages überraschte der Angeklagte mit einer weiteren Einlassung. Er bereue sein Fehlverhalten im Jahre 1991, ließ er über seinen Anwalt vorlesen. Er habe ein Mitglied einer Gruppe sein und dazugehören wollen. Mittlerweile habe er sich aber distanziert und sei Vater. Von Freunden und Familie für ihn gesammeltes Geld in Höhe von 3000 Euro wolle er den Brandopfern zur Verfügung stellen.
Im Prozess ging es am Dienstag neben der Frage des Jugendrechts vor allem um die damaligen Lebensverhältnisse und den Alkoholkonsum des Mannes. Der Angeklagte habe sein Leben damals ohne Weitsicht auf die Konsequenzen geführt, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Der erster Bruch in seinem Lebenslauf sei geschehen, als er erfahren habe, dass sein Stiefvater nicht sein leiblicher Vater sei. Dieser Vertrauensbruch habe tiefgreifende Veränderungen in der Familie ausgelöst.
Für klassische psychiatrische Erkrankungen gebe es keine Anhaltspunkte, sagte die forensisch-psychiatrische Gutachterin Sylvia Leupold. „Wohl gibt’s Hinweise auf eine nicht unproblematische Persönlichkeitsentwicklung.“ Das damalige Leben des Angeklagten sei sehr vom Lustprinzip geprägt gewesen. Der Angeklagte habe „überhaupt keine Reflexion“ der Konsequenzen gehabt. Es gebe Hinweise für eine leichte Alkoholkonsumstörung in den damaligen Jahren, sagte Leupold. Zum Tatzeitpunkt sei der Angeklagte alkoholisiert gwesen. Allerdings sei eine gewisse Bewusstseinsklarheit da gewesen.
Auf den Tag genau 32 Jahre nach dem Brandanschlag am 19. September 1991 wurde am Dienstag die Beweisaufnahme des Prozesses geschlossen. Nach 44 Hauptverhandlungstagen steht am kommenden Montag das Plädoyer der Generalbundesanwaltschaft an. (dpa/iQ)