Viele Muslime in aller Welt nutzen islamische Finanzinstrumente, um im Einklang mit religiösen Vorschriften Eigentum zu erwerben. Um welche Instrumente und Methoden handelt es sich? Ein Überblick.
Vielen Muslimen auf der ganzen Welt fällt es schwer, Möglichkeiten zu finden, die ihnen den Erwerb eines Hauses ermöglichen, die mit dem islamischen Recht, der Scharia, vereinbar sind. Der Koran verbietet sowohl das Zahlen als auch das Verrechnen von Zinsen. Diese religiösen Einschränkungen hindern viele in Europa und andernorts lebende Muslime daran, das herkömmliche Hypothekensystem zu nutzen.
In letzter Zeit sind Unternehmen wie die KT Bank entstanden, mit dem Ziel, diese Lücke zu schließen. Diese Unternehmen sind Teil einer weltweiten Bewegung im Finanzwesen. Es wird versucht, ein Finanzinstrument zu entwickeln, das den im Herzen Europas lebenden Muslimen ermöglicht, Hauseigentümer zu werden, ohne dafür zinspflichtige Kredite aufnehmen zu müssen.
Ich habe mehr als ein Jahr dafür aufgebracht, die Arbeitsweise eines der Zentren dieser globalen Bewegung in einem südostasiatischen Land zu dokumentieren. In Malaysia versucht die Regierung, die Hauptstadt Kuala Lumpur – um es mit den Worten eines zuständigen Beamten zu sagen – in „das New York der muslimischen Welt“ zu verwandeln und eine regelrechte islamische Wall Street zu schaffen.
Die malaysische Zentralbank und die Wertpapieraufsichtsbehörde des Landes haben ein umfassendes islamisches Finanzsystem entwickelt, das nicht nur ein Netzwerk von Bankinstituten, sondern auch einen islamischen Geldmarkt, einen islamischen Kapitalmarkt und ein islamisches Versicherungssystem (Takaful) umfasst. Unternehmen im ganzen Land arbeiten entschlossen daran, diesen Markt zu entwickeln. Islamische Finanzinstitute vermarkten plakativ scharia-konforme Kreditkarten, Darlehen zur Wohnraumbeschaffung und Versicherungspolicen. Außerdem versucht die Regierung Wachstum und Innovation durch Wettbewerb zu fördern, indem sie das Land für islamische Finanzinstitute aus der Golfregion oder anderswo öffnet.
Spaziert man durch die Straßen von Kuala Lumpur, ist es unmöglich zu übersehen, wie weitverbreitet islamische Banken und Finanzinstitute bereits sind. Auf grellen Plakaten wird den Verbrauchern die Kreditkarte der islamischen Bank angeboten, die „eine kostenlose Takaful (Versicherung auf Gegenseitigkeit), niedrige Gebühren und keine Erhöhung des Gesamtfinanzierungsbetrags“ anbietet. Es gibt mehr als zwanzig tätige islamische Banken im Land. An einem ihrer zahlreichen Geldautomaten ist die offizielle Währung, der malaysische Ringgit, leicht erhältlich. Warteschlangen sind während der Haupteinkaufszeiten keine Seltenheit.
Das Wachstum des islamischen Finanzwesens hat eine schwierige Frage aufgebracht: Was genau bedeutet eigentlich „islamisch“ in diesem Zusammenhang? Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie das islamische Verbot, Zinsen zu verrechnen oder zu zahlen, auszulegen ist. Zwei unterschiedliche Alternativen wurden entwickelt, um die Zahlung von Zinsen zu umgehen, die islamische Finanzexperten häufig als „scharia-konform“ oder „scharia-basiert“ bezeichnen. Ein scharia-konformer Vertrag, wie z. B. ein Murabaha-Vertrag, erzeugt einen Finanzierungsstrom dadurch, dass Ankauf und Verkauf eines Vermögenswertes über einen Zahlungsaufschub zustandekommen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein solcher Murabaha strukturiert werden kann. Die Art von Murabaha, die in Malaysia als Ersatz für ein herkömmliches verzinstes Hypothekardarlehen verwendet wird, erfordert einen Verkauf mit Zahlungsaufschub verbunden und einer Erhöhung des zu zahlenden Endpreises. Dieser Vertrag wird in vier Schritten umgesetzt. Zunächst wählt der Kunde das Objekt aus, das er erwerben möchte, und teilt das dem Finanzinstitut mit. In einem zweiten Schritt erwirbt das Institut das Objekt vom Eigentümer. Nachdem es vorübergehend in sein Eigentum übergegangen ist, verkauft das Finanzinstitut im dritten Schritt das Objekt an den Kunden zu einem vereinbarten höheren Preis weiter, wobei die Rückzahlung in Raten erfolgt. Im letzten Schritt schließlich zahlt der Kunde die erforderlichen Raten in regelmäßigen Abständen ab, bis der Gesamtbetrag bezahlt worden ist. Bei dieser Art von Verträgen wird dem im Koran verankerten Verbot der Zinserhebung durch zwei getrennte Verkäufe Folge geleistet: Das Institut kauft die Immobilie vom Eigentümer und verkauft sie dann mit einem Gewinnaufschlag an den Kunden weiter.
Für Finanzexperten, die mit zinsbasierten Finanzierungen vertraut sind, ist es einfach, scharia-konforme Verträge wie den Murabaha umzusetzen. Im Wesentlichen geht es darum, eine vorübergehende Lösung zu finden, um einen herkömmlichen Kreditvertrag zu umgehen, der einem solchen aber ähnlich ist. Die gesamte Infrastruktur einer Bank, wie z.B. ihre Computersysteme und die Backoffice-Prozesse, können ohne Weiteres an diese Art von Vereinbarung angepasst werden.
Mit den aufgeschobenen Ratenzahlungen und dem höheren Endpreis ähnelt dieser Vertrag sehr stark den üblichen konventionellen verzinsten Hypothekardarlehen. Einige islamische Finanzexperten kritisieren ihn deshalb, weil er zwar die formalen Anforderungen der Scharia erfülle, nicht aber die Absicht respektiere, wegen der das islamische Zinsverbot eingeführt worden sei.
Kritiker und Reformer bevorzugen eine zweite Art der Finanzierung, die „scharia-basiert“ sei, weil sie einer Investition entspreche, und nicht einer zinsbringenden Verschuldung. Diese Reformer plädieren für Partnerschaftsverträge, die Muscharaka genannt werden. Muscharaka ist ein Joint-Venture-Vertrag, der schon vor der Einführung des Islam auf der arabischen Halbinsel weitverbreitet war. In der islamischen Welt wurde er zu einer gängigen Wirtschaftspraxis. Ein Muscharaka-Vertrag ist ein Vertrag, bei dem zwei oder mehr Parteien vereinbaren, ihr Vermögen und ihre Arbeitskraft zusammenzulegen, um einen Gewinn zu erwirtschaften und zu teilen. Eventuell entstehende Verluste werden in einem von beiden Parteien vereinbarten Verhältnis ausgeglichen.
In Malaysia haben islamische Finanzexperten ein System entwickelt, das sie „abnehmende Muscharaka“ nennen, bei dem das Finanzinstitut und potenzielle Hauseigentümer gemeinsam ein Haus kaufen. Bei diesem System kann der letztere das Haus, das sich im Eigentum des Finanzinstituts befindet, im Laufe der Zeit zum Nettowert erwerben. Weiterhin muss er eine monatliche Rate zahlen, die sich an den Mietpreisen für vergleichbare Häuser in der Umgebung orientiert.
Diejenigen, die das islamische Finanzwesen so reformieren und weiterentwickeln wollen, dass es auch dem Geist des islamischen Rechts entspricht und nicht nur der Form, ziehen diese Art von Verträgen vor. Sie sehen darin die bessere Alternative im Vergleich zur ersten Vertragsart, bei der der vom Käufer zu zahlendem höherem Endpreis zu sehr den marktüblichen Verzinsungen entspricht. Fragen zur Legitimität von scharia-basierten und scharia-konformen Verträgen werden im Herzen des islamischen Finanzwesens sowohl auf intellektueller als auch praktischer Ebene intensiv debattiert. Die Entscheidungen, die letztendlich getroffen werden und die den muslimischen Verbraucher direkt betreffen, werden zeigen, inwieweit das islamische Finanzwesen eine authentische Alternative zu dem schuldenbasierten System bieten kann, das in weiten Teilen der heutigen Welt vorherrscht.
Die globale Wirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten stark instabil geworden. Eine mögliche „Wirtschaftskrise“ ist immer noch ein häufiges Problem der heutigen Zeit. Ein islamisches Finanzsystem, das sich auf Nettovermögen und nicht auf Schulden stützt, kann eine nachhaltige Lösung für diese allgegenwärtige Unsicherheit bieten.