Hessen wählt einen neuen Landtag. Das planen die SPD, CDU, Grüne, FDP, die Linke und AfD im Hinblick auf Islam und Muslime. Ein Überblick.
Am 8. Oktober finden in Hessen Landtagswahlen statt. Rund vier Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Bislang sind sechs Parteien im Landtag vertreten. Auf die zwei Regierungsfraktionen entfallen 69 Mandate (CDU 40 und die Grünen 29). Die SPD hat 29 Sitze, die FDP 11, die LINKE 9 und die AfD 19.
Knapp eine Woche vor der Landtagswahl liegt die CDU (31 Prozent) in mehreren Umfragen deutlich vor der SPD (16 Prozent) und den Grünen (17 Prozent). Themen wie Wohlstand, Polizeireform und Bildung dominieren den Wahlkampf und die Programme, doch was steht in den Wahlprogrammen über den Islam und was stellen die Parteien für Muslime in Aussicht.
Die SPD betont im Wahlprogramm die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Diese werde auch in Zukunft von großer Bedeutung für die Gesellschaft sein. Aus diesem Grund möchte man das Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln und auf breiter Basis zukunftsweisend gestalten, sodass die unterschiedlichen Religionen zum kulturellen und religiösen Reichtum von Hessen beitragen.
Auch weiterhin möchte die SPD den Religionsunterricht für alle Glaubensrichtungen ermöglichen. Hierbei bedarf es eines islamischen Religionsunterrichts, der im Einklang mit GG 7 (3) nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. Ferner möchte die SPD den Ausbau der islamischen Theologie an den Hochschulen erleichtern. „Religionsgemeinschaften und Kirchen leisten sozial, diakonisch und karitativ einen großen Beitrag für unser Land. Wir werden dieses Engagement auch in Zukunft unterstützen“, erklärt die Partei im Wahlprogramm.
Nach diversen Rechtsextremismus-Vorwürfen und dem Entdecken rechter Chatgruppen innerhalb der hessischen Polizei, möchte die SPD, dass die Polizei wieder ihrer Vorbildfunktion nachkommt. „Wir brauchen eine echte neue offene Fehler- und Führungskultur“, heißt es im Wahlprogramm. Die SPD stehe für eine weltoffene, pluralistische und demokratische Gesellschaft. „Jeglichen Extremismus, vor allem dem Rechtsextremismus müssen wir gerade in Hessen nach dem Mord an dem ehemaligen Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübke und dem Attentat von Hanau entschieden entgegentreten“, so die SPD. Dafür legt die SPD einen umfangreichen Aktionsplan vor.
Im Wahlprogramm der CDU findet sich kein Wort zur Aufklärung des Anschlags in Hanau und zur Bekämpfung von Islamfeindlichkeit. Zudem will sich die CDU verstärkt für die Integration von Muslimen einsetzen. Muslime hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten für eine positive Entwicklung des Landes engagiert. „Sie bestärken uns in der Zielsetzung, muslimische Kultur und Lebensweise stärker als bisher in unsere Gesellschaft einzubinden“, heißt es im Wahlprogramm.
Auch möchte man die Zusammenarbeit mit islamischen Religionsgemeinschaften weiterführen und „ihre wichtige Arbeit in den Bereichen der Seelsorge und der sozialen Arbeit in den Kommunen unterstützen“. Außerdem wolle die CDU die Anstrengungen der Moscheen intensivieren, ihre Gläubigen in „unsere Gesellschaft zu integrieren“. Initiativen zur Öffnung der Moscheen und zum Austausch mit den Kommunen, zum Beispiel durch Kulturfeste, unterstützen man besonders. Zum Schluss erklärt die CDU, dass sie sich weiterhin für den flächendeckenden konfessionellen Religionsunterricht einsetzen und ein Unterrichtsangebot für muslimische Schülerinnen und Schüler gewährleisten wollen.
Die FDP stehe für eine offene Gesellschaft, „in der jeder und jede seine Religion frei ausüben kann und keiner aufgrund der Religionszugehörigkeit diskriminiert wird“, heißt es im Wahlprogramm. Auch möchten die Liberalen den interreligiösen Dialog weiter fördern. „Für eine bessere interreligiöse Zusammenarbeit wollen wir einen Runden Tisch der Religionen als Experten- und Beratungsgremium des Landtags einberufen. Hierbei wird eine enge Zusammenarbeit mit geeigneten Institutionen angestrebt“, erklärt die Partei im Wahlprogramm.
Des Weiteren wolle man in Zusammenarbeit mit den Hochschulen eine deutschsprachige Imamausbildung in Hessen etablieren und die Seelsorge in Krankenhäusern und Justizvollzugsanstalten ausbauen. Außerdem spricht sich die FDP für einen islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache, unter deutscher Schulaufsicht und von in Deutschland ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern aus. „Kooperationspartner müssen die Gewähr dafür bieten, die Einflussnahme ausländischer Regierungen sowie religiöser Gruppen und Institutionen auszuschließen“, so die FDP.
Hessen war in den letzten Jahren immer wieder im Fokus aufgrund von extremistischen Anschlägen, etwa dem Mord an Dr. Walter Lübcke oder dem Attentat in Hanau. Die furchtbaren Taten dürfen nicht instrumentalisiert werden und es gilt ein Klima aus Hass, Vorurteilen und Angst zu verhindern. Aus diesem Grund möchte die liberale Partei auch die Sicherheitsvorkehrungen an Moscheen und Synagogen effizienter erweitern. Auch sehe die FDP, dass es hinsichtlich der Bekämpfung von Rechtsextremismus einen großen Handlungsbedarf gibt – „er ist eine ständige Bedrohung unserer offenen und freien Gesellschaft und muss daher stärker in den Fokus der Politik und der Sicherheitsbehörden gelangen“.
Die Grünen den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht weiter ausbauen. Auch wenn sie sich für ein gemeinsamen und verpflichten Ethikunterricht starkmachen, bleiben der islamische Religionsunterricht von dieser Idee unberührt. Zudem soll die muslimische Seelsorge, die in den Anstalten deutlich verbessert wurde, weiterentwickelt werden.
Ferner erklären die Grünen, dass die Untersuchungsausschüsse zur NSU-Mordserie, zum Mord an Walter Lübcke und zum rassistischen Anschlag von Hanau gezeigt haben, dass die Sicherheitsbehörden „ihrer Aufgabe, Menschenleben zu schützen und Gefahren für unsere Demokratie abzuwehren, nicht gerecht geworden sind“. In der hessischen Polizei seien Fehlentwicklungen und strukturelle Probleme vorhanden. Doch diese zu benennen und an ihnen zu arbeiten, „ist eine Stärke und keine Schwäche“. Eine Fehlerbearbeitung sei Voraussetzung, um Vertrauen zurückzugewinnen, das in Teilen der Bevölkerung „insbesondere im Zuge des rechten Terrors des NSU und der rassistischen Anschläge von Hanau verloren gegangen ist“, heißt es im Wahlprogramm.
Zum Schluss heißt es im Wahlprogramm, dass sich die Grünen aktiv gegen Rassismus einsetzen und ein friedvolles und rassismusfreies Leben in Hessen anstreben. „Daher wollen wir gemeinsam mit der Wissenschaft und den Verbänden einen landesweiten Aktionsplan gegen Rassismus auf den Weg bringen“.
Die Linke betont in ihrem Wahlprogramm, dass der Staat im Kampf gegen den rechten Terror versagt haben: „Die Morde des NSU, die Ermordung Dr. Lübckes und der rassistische Terroranschlag in Hanau belegen das“. Demzufolge fordert die Partei auch eine Polizeireform. „Hessen wurde in den letzten Jahren von einer Reihe von Skandalen innerhalb der Polizei erschüttert. Ausgelöst durch den selbst ernannten ‚NSU 2.0‘ traten verheerende Missstände und Probleme in der Polizei ans Licht“. Rechte Netzwerke seien auch in der hessischen Polizei bittere Realität.
Die LINKE prangert die Verbreitung von Rassismus und andere menschenverachtende Einstellungen in der Gesellschaft an. So seien Erfahrungen von Alltagsrassismus und Diskriminierung etwa bei der Wohnungssuche, im Job oder bei rassistisch motivierten Polizeikontrollen sind für viele Menschen in Hessen tägliche und traurige Realität. „Es ist aber nicht nur die AfD, die Hetze befeuert. Es sind Äußerungen am Stammtisch, Hatespeech in den sozialen Netzwerken und Kommentare auf Familienfeiern“, heißt es im Wahlprogramm. Viel zu oft fühlen sich Betroffene rechter Gewalt von den Behörden im Stich gelassen und nicht ernst genommen.
Ferner spricht sich die Partei für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht für alle Religionsgemeinschaften aus. „Der Stigmatisierung von Menschen wegen ihres Glaubens stellen wir uns entschieden entgegen“. Außerdem sehe die LINKE Nachholbedarf im Gesundheitssystem und in der Pflege. „Alle Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religion, müssen Anspruch auf umfassende medizinisch-pflegerische Versorgung haben. Hierzu gehöre auch die kultursensible Altenpflege.
Auch die AfD hat ein Wahlprogramm veröffentlicht. Für die rechtsgesinnte Partei gehöre der Islam weder zu Deutschland noch zu Hessen. „Der Islam ist nicht nur Religion, sondern zugleich Glaube, Gesetz, Politik und Herrschaft. Der Islam hat unsere Geschichte und Kultur nicht geprägt“, heißt es im Wahlprogramm. Zusätzlich dürfe er in „keiner Weise Anwendung in der deutschen Rechtsprechung“ finden. So fordert die AfD das Ende des Islamunterrichts und wirbt für einen christlichen Religionsunterricht und neutralen Ethikunterricht. Zugleich wende man sich gegen jede politische und religiöse Einflussnahme Moscheen wie die DITIB an Schulen.
Weiter kritisiert die AfD, dass die Kritik am Islam und „der schleichenden Islamisierung“ vielerorts von Politik und Medien unter der Religionsfreiheit „im Keim erstickt“ wird. Auch fordert die AfD die Unterbindung des öffentlichen Gebetsrufs, da er „den Alleinherrschaftsanspruch des Islams verbreitet“. Zum Schluss fordert die AfD ein Verbot der Vollverschleierung von Frauen in der Öffentlichkeit, so wie das Tragen eines Kopftuches im öffentlichen Dienst und bei Kindern unter 14 Jahren.