Der Thüringer Verfassungsschutz warnt vor einem weiter hohen Gewaltpotential in der rechtsextremen Szene im Freistaat. Im Jahr 2022 wurden rund 2400 Menschen zu den Mitgliedern und Anhängern der Szene gezählt.
Die sogenannte Reichsbürgerszene in Thüringen ist im vergangenen Jahr deutlich gewachsen. Der Landesverfassungsschutz zählte 2022 rund 1000 Menschen zum Anhängerpotenzial der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Verfassungsschutzbericht hervorgeht. Im Vorjahr seien es noch etwa 770 gewesen. „Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen.
In der Szene beobachten die Verfassungsschützer zudem eine zunehmende Vernetzung untereinander. Das markanteste Beispiel hierfür seien die Durchsuchungen bei der Gruppe rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß vom vergangenen Dezember und die Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gewesen. Aber auch andere Organisationen aus dem Spektrum hätten vermehrt Zulauf bekommen. Überwiegend agierten die Thüringer Szeneanhänger als Einzelakteure. Insgesamt bescheinigt das Amt der Szene ein hohes Gefährdungspotenzial und begründet das auch mit der Affinität zu Waffen.
Krieg, Inflation, Energiekrise. Im Zuge der landesweiten Proteste rund um diese Themen sei es 2022 immer wieder zur Vermischung von bürgerlichen Anliegen und Rechtsextremisten gekommen, hieß es vom Verfassungsschutz. Hier habe sich auch gezeigt, dass die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gesunken sei. Knapp 2400 Menschen zählte der Verfassungsschutz 2022 zum Anhängerpotenzial der rechtsextremen Szene. Rund 350 davon seien gewaltorientiert.
Auch wegen der erneut gestiegenen Zahl rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten im Freistaat – im Jahr 2022 wurden 1555 so eingestuft – bleibe der Rechtsextremismus im Fokus, hieß es im Bericht. Im Jahr 2021 hatte es 1280 solcher Taten gegeben. Die Szene vernetze sich zunehmend im Internet, dränge in die Thüringer Protestbewegung und inszeniere sich als eigentliche Vertreterin des Volkes. Antisemitische Verschwörungserzählungen wirkten zudem als das zentrale verbindende Element über den Rechtsextremismus hinaus.
Der als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuften AfD in Thüringen attestierte der Verfassungsschutz nach dem Bericht vom Vorjahr erneut Positionen, die sich gegen die Menschenwürde und das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip wenden. Es sei keine Mäßigung eingetreten. Verfassungsfeindliche Positionen seien vielmehr „die beherrschende und weitgehend unumstrittene politische Ideologie innerhalb des Landesverbands“, hieß es.
Demnach vertreten Politiker der Partei das Ziel, Migranten und Asylbewerber als Menschen verächtlich zu machen. Wiederkehrend sei auch „die verschwörerische Behauptung einer globalistischen Elite, die im Verborgenen Migrationsprozesse, Pandemien und sogar Kriege anstifte“. Damit knüpfe die AfD an antisemitische Erklärmuster an, die in vergleichbarer Weise auch im Nationalsozialismus verwendet worden seien. Der Bericht hob auch hervor, „dass neonationalsozialistische Positionen innerhalb der Partei keinen wahrnehmbaren Widerspruch hervorrufen“.