Seit fast 20 Jahren mischt der Rechtsaußen Wilders mit seiner islamfeindlichen Partei die Niederlande auf. Jetzt ist er der große Wahlsieger. Doch allein regieren kann er nicht. Auch wenn andere Rechtspopulisten in Europa schon jubeln.
Die Niederlande stehen nach dem triumphalen Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl vor einem historischen Rechtsruck. Der Rechtsaußen will nun mit seiner islamfeindlichen Partei regieren und Nachfolger des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte werden, der nach einer Rekord-Amtszeit von der nationalen Politikbühne abtritt. Doch ob Wilders‘ Partei wirklich ein Bündnis mit anderen Partnern schmieden kann ist offen. Denn Koalitionsverhandlungen dürften schwierig werden.
„Das Signal, das der niederländische Wähler nun gibt, ist: Es muss anders werden“, sagte Wilders am späten Mittwochabend. „Die Niederländer müssen wieder Nummer eins sein.“ In seinem Parteiprogramm fordert der 60-Jährige, Moscheen und den Koran zu verbieten und spricht sich für den Nexit aus – den Austritt der Niederlande aus der EU. Auch will er die Grenzen schließen, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten nicht mehr ins Land lassen und Klimaschutz als politisches Ziel abschaffen.
Nach einer Hochrechnung, die die Nachrichtenagentur ANP am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichte, dürfte Wilders‘ Partei für die Freiheit (PVV) auf 36 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments kommen, die vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag ist. Das wären mehr als doppelt so viele Mandate wie bei der vorherigen Wahl 2021.
Zweitstärkste Kraft ist demnach das rot-grüne Bündnis mit dem früheren EU-Kommissar Frans Timmermans an der Spitze, das auf 25 Sitze hoffen kann – acht mehr als bislang. Ruttes rechtsliberaler VVD mit der Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz werden nur noch 24 Sitze zugerechnet – zehn weniger als bei der vorigen Wahl. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), kommt laut Hochrechnung auf 20 Sitze. Für eine koalitionsfähige Mehrheit wären also mindestens drei Parteien nötig.
Der Wahlsieg der mit islam- und ausländerfeindlichen Parolen punktenden PVV in den als liberal geltenden Niederlanden schockte viele etablierte Parteien. Nicht nur Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände reagierten entsetzt. Andere Rechtspopulisten in Europa hingegen bejubelten Wilders‘ Triumph. „Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!“, schrieb AfD-Chefin Alice Weidel im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders.
Wilders zeigte sich sehr bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen seiner Partei zu zerstreuen. Er wolle ein „Premier aller Bürger sein“. Die von ihm angestrebte Zwangsschließung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, den „Asyl-Tsunami“ zu begrenzen. Im Endspurt des Wahlkampfes hatte Wilders in den Umfragen zugelegt und die Favoritin Yesilgöz abgehängt. Viele sehen die rechtsliberale Frontfrau als mitverantwortlich dafür an. Sie habe Wilders endgültig salonfähig gemacht, meinen Kritiker. Während Yesilgöz eine Koalition mit Wilders nicht ausgeschlossen hatte, war ihr Parteifreund Rutte stets als vehementer Gegner eines Bündnisses aufgetreten.
Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen. Zu Wilders‘ Parolen gehört deshalb nicht nur „Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden“, sondern auch „Mehr Personal in der Pflege“ und „Niedrigere Mieten und Steuern“. Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders‘ Partei hat nur ein einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten. (dpa, iQ)