Muslime sehen sich einem Distanzierungsdruck ausgesetzt – vor allem nach dem 7. Oktober. IGMG-Generalsekretär Ali Mete kritisiert den Umgang mit Muslimen und fordert mehr Sachlichkeit.
In Deutschland wächst nach Ansicht der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) der Druck auf Muslime. Das zeigten unter anderem die aktuellen Debatten über Extremismus und den Krieg in Nahost, sagte Generalsekretär Ali Mete am Wochenende der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
„Von uns wird nicht nur erwartet, dass wir uns nach jedem Terrorakt distanzieren, sondern auch von Regierungen, von Personen, von Standpunkten, die als muslimisch motiviert gelesen werden“, kritisiert Mete. „Muslimen wird unterstellt, sie hätten eine Nähe zu solchen Taten oder würden sie insgeheim begrüßen.“ Das nähre Vorurteile.
„Wenn man davon ausgeht, Muslime dächten und handelten aufgrund ihres Glaubens alle gleich, spricht man ihnen ihre Individualität ab und nimmt sie in Sippenhaft“, so Mete weiter. „Dieses Denken ist gefährlich und sollte mit Blick auf die deutsche Geschichte längst überwunden sein.“ Außerdem seien die Standpunkte der IGMG gegenüber Terror und Gewalt seit jeher eindeutig. „Wir verurteilen jede Form von Hass und Gewalt, egal von wem sie ausgeht und wen sie trifft.“ Man sehe in der eigenen Religion Werte wie Frieden und Gerechtigkeit. „Das wird auch gepredigt“, so Ali Mete.
Islamfeindlichkeit und Antisemitismus sind nach den Worten des Generalsekretärs „zwei Seiten derselben hässlichen Medaille“. Dabei handele es sich nicht um eine Erfindung von Muslimen oder Juden und auch nicht um einen Import, wie oft behauptet werde. „Der allergrößte Teil ist hausgemacht und kommt von Rechten beziehungsweise Rechtsextremisten.“ Wo es Angriffe auf Synagogen gebe, seien auch Moscheen gefährdet. Antisemitismus komme auch unter Musliminnen und Muslimen vor, „ähnlich wie in allen Bereichen der Gesellschaft“, so Mete.
Die Gemeinden der IGMG förderten daher Begegnungen zwischen Juden, Christen und Muslimen und versuchten, gegenseitiges Verständnis zu vertiefen; „etwa in unseren Predigten, unserer Jugend- und Bildungsarbeit“, erläuterte Mete. „Es kann keine Feindschaft gegen eine Religion und keinen Krieg im Namen einer Religion geben.“
Dessen ungeachtet wirkten sich internationale Konflikte auch auf die Religionsgemeinschaften in Deutschland aus, stellte Mete fest. In solchen Zeiten sei es selbstverständlich, dass man sein Beileid ausspricht und solidarisch ist, wenn einem Hass entgegentritt oder Gotteshäuser angegriffen werden, „und zwar ohne mit zweierlei Maß zu messen und Anteilnahme von Religion oder Herkunft abhängig zu machen“.
Die IGMG wurde 1967 von „Gastarbeitern“ aus der Türkei in Braunschweig gegründet. Laut Generalsekretär Ali Mete ist die Gemeinschaft inzwischen weltweit aktiv. In der Bundesrepublik engagierten sich für den Verband meist deutsche Staatsbürger. „Von einer türkischen Organisation zu sprechen, scheint mir daher nicht mehr angemessen“, so Mete. Allerdings fühlten sich viele Mitglieder wegen mit ihrer Herkunftsgeschichte mit der Türkei verbunden. Der Generalsekretär betonte zugleich: „Wir sind als Religionsgemeinschaft theologisch, personell, finanziell, in jeder Hinsicht unabhängig.“
Derzeit kommen nach eigenen Angaben etwa 40 Imame in den bundesweit mehr als 400 Moscheen der IGMG aus der Türkei. Damit stamme der Großteil der Imame aus Deutschland.
„Ich gehe davon aus, dass in einigen Jahren keine Imame mehr aus der Türkei kommen müssen“; dies sei ohnehin nur eine Übergangslösung gewesen, „weil wir in Deutschland einen Imam-Engpass haben“, so Mete. Daher bilde man schon seit Langem Imame aus; „länger als in der Öffentlichkeit darüber diskutiert wird“. (KNA, iQ)