Deutschland diskutiert über die Einführung einer Widerspruchslösung zur Organspende. Seit Jahren warten Tausende auf eine Organspende. Mit der neuen Regelung soll sich das bald ändern.
Angesichts der niedrigen Zahlen von Organspenden dringen die Länder im Bundesrat auf eine grundlegende Änderung der rechtlichen Regeln. Anstelle der geltenden erweiterten Zustimmungslösung solle eine Widerspruchslösung treten, heißt es in einer angenommenen Entschließung.
Damit wäre für die Organentnahme nicht mehr die Zustimmung des Betroffenen oder eines engen Angehörigen beziehungsweise eines Bevollmächtigten erforderlich. Vielmehr gälte grundsätzlich jeder Mensch als Organspender, es sei denn, er hat dem zu Lebzeiten widersprochen, oder einer der nächsten Angehörigen macht dies nach seinem Tod.
In dem angenommenen Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufgenommen wird.
Für den islamischen Theologen Idris Nassery erfordert die Einführung der Widerspruchslösung zur Organspende höchste Sensibilität und die Berücksichtigung unterschiedlicher Sichtweisen. „Die Widerspruchslösung hätte den klaren Vorteil, die Anzahl der verfügbaren Organe zu erhöhen und somit mehr Leben zu retten. Durch diese Regelung würde die Bereitschaft zur Organspende automatisch steigen, da jeder Bürger aktiv widersprechen müsste, um nicht als Spender zur Verfügung zu stehen“, erklärte Nassery im IslamiQ-Interview. Jedoch müsse auch eine Diskussion über mögliche Auswirkungen auf die Selbstbestimmung und Freiheit des Einzelnen geführt werden.
Kritiker argumentieren, dass der Körper und die Organe persönliches Eigentum darstellen und dass der Staat nicht ohne ausdrückliche Zustimmung in diese Privatsphäre eingreifen sollte. Daher sei es für Nassery von großer Bedeutung, rechtliche Bedingungen zu klären und kulturelle Normen sowie ethische Überlegungen einzubeziehen, wenn eine Widerspruchsregelung eingeführt wird. Hierzu sollten auch muslimische Fachtheologen miteinbezogen werden.
Der katholische Theologe und Mitglied des Deutschen Ethikrats Andreas Lob-Hüdepohl kritisierte eine Widerspruchslösung. Organspende müsse immer eine freiwillige Entscheidung bleiben, da es sich um eine Entscheidung über den eigenen Sterbeprozess handle, sagte Lob-Hüdepohl der Zeitschrift „Publik Forum“.
Im Islam gilt der Mensch als ein erhabenes, würdevolles Wesen. Sein Körper wie auch seine Seele verdienen Schutz. Dieser Schutz gilt dem lebenden wie auch dem toten Körper. Ausgehend davon gibt es Unterschiede in den Urteilen bezüglich der Verwendung seiner Organe. Muslimischen Gelehrte, die eine Organtransplantation aus islamischer Sicht als legitim betrachten, erklären, dass folgende Grundsätze befolgt werden sollten:
1) Jeder Mensch hat, unabhängig von Religion, Herkunft und Hautfarbe, sowohl im Leben als auch nach dem Tod das Recht auf die Unverletzbarkeit seines Körpers.
2) Das Recht auf eine notwendige medizinische Behandlung ist genauso wichtig wie das Recht auf Leben.
3) Im Rahmen einer Organentnahme bei einem lebenden Spender müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Damit eine Organentnahme bei einem verstorbenen Spender zulässig ist, muss der Tod nach den Maßstäben der islamischen Rechtslehre eingetreten sein.