Rechtsextremismus

Bundesweite Proteste gegen Rechtsextremismus erwartet

Schon am Samstag gingen Hunderttausende auf die Straßen, um sich für die Demokratie und gegen rechts stark zu machen. Politiker und Vertreter von Holocaust-Überlebenden dankten den Demonstranten, Muslime rufen zur Teilnahme auf. Am Sonntag soll nun wieder protestiert werden.

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2024
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Nordrhein-Westfalen, Demo gegen Rechts © Shutterstock, bearbeitet by iQ.
Demo gegen Rechts © Shutterstock, Nordrhein-Westfalenbearbeitet by iQ.

Bundesweit werden am Sonntag erneut Tausende Menschen bei Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus erwartet. Nachdem bereits am Freitag und Samstag in zahlreichen Städten Hunderttausende Menschen auf die Straßen gegangen waren, rechneten die Veranstalter der Proteste etwa in München, Köln und Berlin am Sonntag wieder mit Tausenden Teilnehmern.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser schrieb am Samstagabend mit Blick auf die Proteste: „So viele Menschen, die Gesicht und Haltung zeigen – unsere Demokratie lebt von starken Demokraten wie Euch!“ Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die aus Thüringen stammt, schrieb auf der Plattform X, vormals Twitter: „Halle, Magdeburg, Spremberg, Luckenwalde, Eberswalde, Jena, Leipzig, Dresden, Erfurt, Potsdam. Überall im Osten sind Menschen für Demokratie auf der Straße, die wir 1989 erkämpft haben. Ermutigend! Freu mich über alle, die raus gegangen sind, aber besonders im Osten.“

In Halle/Saale hatten am Samstag nach offiziellen Angaben rund 16 000 Teilnehmer demonstriert. In Erfurt sprach die Polizei von etwa 9000 Demonstranten, die Veranstalter von mehr als 10 000.

300.000 Menschen demonstrierten bundesweit

Nach ersten Zählungen der Polizei und der Veranstalter demonstrierten bundesweit insgesamt mindestens 300 000 Menschen. In einigen Städten lagen noch keine abschließenden Zahlen beider Seiten vor. Allein in Frankfurt am Main und in Hannover waren es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern jeweils 35 000 Menschen – ein Motto war „Demokratie verteidigen“.

Auslöser für die Proteste sind unter anderem die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen anderer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Weitere tausende Demonstranten erwartet

Am Sonntag werden nun in weiteren Städten Tausende auf den Straßen erwartet, die sich für die Demokratie und gegen rechts stark machen wollen. In München rechnet die Polizei mit bis zu 25 000 Menschen. In Köln erwartet das aus mehr als 50 Parteien, Organisationen und Initiativen bestehende Bündnis „Köln stellt sich quer“ rund 10 000 Teilnehmer. In Berlin ist am Nachmittag ein Protest vor dem Bundestag geplant. Dazu aufgerufen hat ein breites Bündnis unterschiedlicher Organisationen. Laut Polizei sind 1000 Teilnehmer angemeldet.

Auch in vielen weiteren deutschen Städten sind Kundgebungen und Demonstrationen geplant, unter anderem in Chemnitz, Dresden und Neubrandenburg. In Cottbus wird Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei einer Demonstration am Vormittag erwartet. In Stuttgart waren nach Angaben der Veranstalter bereits am Samstag rund 20 000 Menschen zum Protest gekommen, am Sonntag sollte es dort eine weitere Kundgebung geben.

Bundesweite Proteste als machtvolles Zeichen

Das Internationale Auschwitz Komitee dankte den Menschen, die im ganzen Land protestierten. „Überlebende des Holocaust sind all denjenigen, die in diesen Tagen gegen den Hass und die Lügenwelt der Rechtsextremen auf die Straße gehen mehr als dankbar. Sie empfinden diese Demonstrationen als ein machtvolles Zeichen der Bürgerinnen und Bürger und eine Belebung der Demokratie auf die sie lange gehofft und gewartet haben“, teilte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner am Samstagabend mit.

Zuvor hatte auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den Menschen gedankt, die bundesweit gegen rechts demonstrierten. Das zeige, dass es in der Mitte der Gesellschaft „eine breite Allianz“ gebe, sagte er. Wüst forderte erneut eine solche „Allianz der Mitte“ auch in der Politik, die sich parteiübergreifend und über alle staatlichen Ebenen hinweg bilden müsse. „Wir brauchen einen Schulterschluss der Demokraten.“ Er bezeichnete die AfD als „brandgefährliche Nazi-Partei“. Auf X, ehemals Twitter, schrieb der CDU-Politiker, die AfD stehe nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. „Die AfD ist keine konservative Partei und erst recht keine wertorientierte Partei.“

Muslime rufen zur Teilnahme auf

In manchen Bundesländern Deutschlands könnte die offen islamfeindliche AfD größte politische Kraft werden, teilte Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) auf X. Die Lage sei ernst, das muslimische Leben sei noch nie so stark bedroht. „Wer der AfD weiter politisch in die Hände spielt, macht sich mitschuldig.“

Die jüngsten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in zahlreichen Städten mit Zehntausenden Teilnehmern machen Mut, heißt es weiter im Beitrag von Mete: „Angesichts hoher Umfragewerte vor bevorstehenden Landtagswahlen und den „Remigrationsplänen“ der AfD finde ich es wichtig und begrüße, dass sich die breite Zivilgesellschaft eindeutig und unmissverständlich positioniert.“

Auch der Zentralrat der Muslime ruft Muslime zur Teilnahme an landesweiten Kundgebungen gegen Rechtsextremismus auf. „Der Hass gegen Muslime dient als Treibsand und Triebfeder für den bisher immer noch unterschätzten Rechtsextremismus in unserem Land“, schrieb Aiman Mazyek, Vorsitzender des ZMD, auf X. Auch die Schura Niedersachsen unterstützt den Aufruf zur Kundgebung „Ein starkes Zeichen gegen Rechts“. (dpa, iQ)