Organspende

„Ein Leben zu retten, ist ein unbeschreibliches Gefühl“

Die Konfrontation mit Krankheit offenbart die Wertschätzung der Gesundheit. Organspenden und Transplantationen bieten Hoffnung in ausweglosen Situationen. IslamiQ hat mit Empfängern und Spendern gesprochen. Ein Erfahrungsbericht.

10
02
2024
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Organspende © shutterstock, bearbeitet by iQ
Organspende © shutterstock, bearbeitet by iQ

Patienten, die von ihrem Arzt eine Empfehlung zur Organtransplantation erhalten, befinden sich möglicherweise in einem Dilemma zwischen der Akzeptanz ihrer Krankheit und der Wiedererlangung ihrer Gesundheit durch ein gesundes Organ. Patienten sind meistens mit Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Dialyse, einer lebenslangen strengen Diät und Müdigkeit konfrontiert und haben Schwierigkeiten im Alltag. Sie hoffen, diese mit einer Organtransplantation zu überwinden und ein gesünderes Leben zu führen.

Die Organtransplantation ist ein Prozess, an dem mehrere Menschen beteiligt sind: der Transplantatempfänger, der Spender und die Angehörigen des Patienten, die den gesamten Prozess begleiten. Der erste Gedanke, der einem bei einer Organtransplantation in den Sinn kommt und oft bevorzugt wird, ist, einen Spender aus dem engsten Verwandtenkreis zu haben. Es gibt jedoch auch kritischere Situationen, in denen ein naher Verwandter nicht als Spender infrage kommt.

Dieser Prozess ist ein komplexe Lebensphase mit vielen Akteuren, gemischt mit Schwierigkeiten und Freude. Während die häufigen Krankenhauskontrollen für den eigentlich gesunden Spender eine große Selbstlosigkeit bedeuten, sind die Familienmitglieder und Freunde, die dem Transplantationsempfänger Lebensmut und Motivation geben, von großer Bedeutung. Wir haben mit drei Personen über diese schwierige Lebensphase gesprochen.

„Wir reden wieder über gute Dinge.“

Mahmut Sami, ein 17-jähriger Junge aus Kerpen, hat im August letzten Jahres ein Spenderherz erhalten. Wir sprachen mit seiner Mutter (43) auf dem Rückweg vom Krankenhaus. Die Mutter erzählte uns, dass ihr Sohn auf dem Weg dorthin sagte: „Gott sei Dank, wir reden jetzt endlich über gute Dinge.“ Sie erzählte von den Schwierigkeiten der letzten vier Jahre, in denen es täglich um dasselbe Thema ging. Diese Aussage ihres Sohnes war eine Erleichterung und sehr erfreulich für sie.

Mahmut Sami wurde mit einem Herzfehler geboren und im Alter von zehn Monaten zum ersten Mal operiert. Als die zur Lunge führende Vene verschlossen war, wurde ihm eine künstliche Vene implantiert. Nach einer Verkalkung war das künstliche Gefäß zu 80 Prozent verstopft, sodass er im Alter von 13 Jahren erneut operiert werden musste. Nach einer erfolgreichen Operation in einem Kölner Krankenhaus wachte er auf und redete mit seiner Mutter. Doch in der Nacht hatte er einen Herzinfarkt, weil seine Vene anschwoll und auf eine andere Vene drückte. „Mein Sohn kämpfte eine Woche lang im Krankenhaus um sein Leben“, erzählt die Mutter. „Nach all diesen unglücklichen Entwicklungen empfahlen die Ärzte eine Herztransplantation“.

Anfang Mai wurde Mahmut Sami schließlich auf die Liste für eine Herztransplantation gesetzt. Da sein Zustand kritisch war, mussten Mutter und Sohn im Krankenhaus warten, bis ein geeignetes Herz gefunden wurde. „Man sagte uns, dass die Chancen auf eine Transplantation sinken würden, wenn wir zu Hause warteten und es bis zu zwei Jahre dauern würde, ein geeignetes Herz zu finden.“ Insgesamt blieben sie vier Monate im Krankenhaus in Gießen.

Die Mutter erzählte, dass die Krankheit von Mahmut Sami die zwei weiteren Geschwister und das Familienleben beeinflusste. „Obwohl es ein sehr schwieriger Prozess war, waren wir dankbar. Die Angst, die wir empfanden, änderte nichts an der Realität, die wir erlebten. Das Herz meines Sohnes war in einem schwierigen Zustand. Ihm war jeden Tag übel, er konnte nicht zunehmen, er konnte nicht essen. Jetzt geht es uns besser. Doch wir stehen noch am Anfang des Weges“, so die Mutter von Mahmut Sami.

„Die Krankheit ist eine Prüfung in dieser Welt“

Die 41-jährige Tuğba lebt seit etwa 30 Jahren mit nur einer Niere. In den vergangenen vier Jahren verschlechterten sich ihre Werte aufgrund eines chronischen Nierenversagens. Ihr Arzt empfahl ihr eine Transplantation, um eine Dialyse zu vermeiden. Tuğba erklärt, dass die Operation im September in der Türkei stattfand und der Spender ihr Ehemann war. Sie erklärte, dass sie sowohl über die Transplantation als auch über die Dialyse informiert war, da sie jahrelang bei Untersuchungen gewesen sei. Da sie Angst vor der Dialyse hatte, willigte sie einer Transplantation sofort ein.

Eine Organtransplantation kann sehr emotional sein, da die Funktion eines Organs im eigenen Körper versagt. „Ich war überrascht, dass meine Niere an diesen Punkt kam. Um ehrlich zu sein, habe ich bis zur Operation geweint und mich von der Öffentlichkeit vergeschlossen, erzählt Tuğba. Obwohl sie sozial war, hörte sie auf, mit ihren Freunden und ihrer Familie zu kommunizieren. „Ich habe jeden Tag über die Operation nachgedacht. Ich habe darüber nachgedacht, von wem ich eine Niere bekommen würde. Oder ob ich der Person, die mir eine Niere gibt, etwas antun würde. Ich war psychisch schwer belastet.“

Ihre Gefühle teilte Tuğba nur mit sehr wenigen Menschen. Die Reaktionen ihrer Mitmenschen gaben ihr Kraft. Jeder, der von ihrem Zustand wusste, wollte Spender sein. „Ich wollte, dass mein Bruder und mein Mann zur Untersuchung gehen. Wenn es bei ihnen nicht gepasst hätte, würden unsere anderen Verwandten infrage kommen.“ Trotz ihrer körperlichen Schwäche reiste sie noch vor der Operation zur Umra und nach Jerusalem. Nach der Operation habe sie gemerkt, dass sie sich zu viele Gedanken über dieses Thema gemacht und sich damit nur emotional belastet hat. Man sollte diesen Prozess mit Tawakkul und Ergebenheit angehen: „Die Transplantation kann als Segen betrachtet werden und man sollte geduldig sein. Die Krankheit ist eine Prüfung in dieser Welt. Ich sehe mich nicht mehr als eine Person mit einer Krankheit.“

„Menschen sollten über Organtransplantationen informiert sein“

Ahmet (25) ist Doktorand an der Universität Cottbus in Deutschland. Er wurde Spender, als er erfuhr, dass sein Cousin Erhan (32), ein Beamter im türkischen Mersin, eine Lebertransplantation benötigte. Er beschreibt diesen Moment wie folgt: „Ich wurde als Erster in der Familie gefragt. Ich erfüllte die Kriterien und habe ohne zu überlegen zugesagt, weil ich wusste, was mein Cousin durchmacht. Vielleicht hat Allah mir in diesem Moment Kraft gegeben.“

Eins steht für Ahmet fest: Die Menschen müssen für die Organspende sensibilisiert werden. Nicht erst dann, wenn jemand betroffen ist. Der Prozess der Organtransplantation, der für viele Menschen sehr ungewohnt ist, wird erst dann zur Realität, wenn es einen selbst oder einen Angehörigen trifft. Eine Organtransplantation verläuft bei jedem Menschen anders, doch Ahmet macht auf den Kern aufmerksam: „Ein Leben zu retten, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Man muss einander helfen, damit sich der Kreis des Lebens dreht, damit dir morgen jemand anderes helfen kann, wenn dein Körper ein Organ benötigt.“