Belgien darf Juden und Muslimen die religiöse Schächtung von Tieren verbieten. Das hat der EU-Menschenrechtsgerichtshof in einem aktuellen Urteil entschieden. Muslimische und jüdische Vertreter kritisieren das umstrittene Urteil.
Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, Ali Mete, hat das jüngste Urteil des EU- Menschenrechtsgerichtshof zum Schächten, also das betäubungslose Töten von Schlachttieren durch Ausbluten, als enttäuschend und nicht nachvollziehbar bezeichnet.
„Die Richter erschweren Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern das muslimische und jüdische Leben in Europa. Diese Entscheidung reiht sich nahtlos ein in eine zunehmend religionsfeindliche Rechtsprechungslinie der europäischen Jurisprudenz“, erklärt Mete in einer Pressemitteilung. Es sei ein Novum, dass der Schutz der öffentlichen Moral erstmals auf den Tierschutz ausgelegt werde.
Aus muslimischer Sicht sei diese Entscheidung nicht nur bitter, sondern auch nicht nachvollziehbar. EU-Richter haben mehrfach das Tierwohl hintenangestellt, als es darum ging, industriellen Fleischbetrieben größtmögliche Freiheiten bei Zucht und Tötung zu geben. Selbst kleinsten wirtschaftlichen Nachteilen wurde in der Vergangenheit mehr Gewicht beigemessen als dem Tierwohl, betont Mete weiter.
Auch Maram Stern, Geschäftsführender Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, brachte seine Bestürzung zum Ausdruck und betonte in einer Mitteilung die nachteiligen Auswirkungen dieses Urteils auf die Religionsfreiheit der jüdischen und muslimischen Gemeinschaften in ganz Europa. „Die unkluge Entscheidung des Gerichts, die die Diskriminierung belgischer Juden und Muslime aufrechterhält, ist bedauerlich. Dieses Urteil ist ein Rückschritt, der nichts mit Tierschutz zu tun hat, sondern mit einer klaren Unterdrückung der Religionsfreiheit. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie sich Fälle religiöser Verfolgung häufen“, so Stern.
Der WJC forderte die europäischen Regierungen auf, die Tragweite dieses Urteils anzuerkennen und Gesetze zu erlassen, die die Grundrechte auf Religionsfreiheit und die Bedeutung des rituellen Schlachtens in der jüdischen und muslimischen Religionsausübung in ihren jeweiligen Ländern wahren.
Staaten dürfen laut einem Grundsatzurteil des Menschenrechtsgerichtshof für jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaften das Schächten verbieten. Der EGMR wies die Klagen aus Belgien ab. Mit Blick auf das Leid der Tiere beim betäubungslosen Schlachten sei die mit dem Verbot des Schächtens verbundene Einschränkung der Religionsfreiheit rechtens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein Einspruch ist innerhalb von drei Monaten möglich. Bei Annahme des Einspruchs würde die große Kammer des Menschenrechtsgerichtshof die Beschwerden noch einmal behandeln.