EUROPÄISCHER GERICHTSHOF

Muslime und Juden kritisieren Urteil zum Schächten

Belgien darf Juden und Muslimen die religiöse Schächtung von Tieren verbieten. Das hat der EU-Menschenrechtsgerichtshof in einem aktuellen Urteil entschieden. Muslimische und jüdische Vertreter kritisieren das umstrittene Urteil.

15
02
2024
Urteil zum Schächten
Urteil zum Schächten © shutterstock, bearbeitet by iQ

Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, Ali Mete, hat das jüngste Urteil des EU- Menschenrechtsgerichtshof zum Schächten, also das betäubungslose Töten von Schlachttieren durch Ausbluten, als enttäuschend und nicht nachvollziehbar bezeichnet.

„Die Richter erschweren Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern das muslimische und jüdische Leben in Europa. Diese Entscheidung reiht sich nahtlos ein in eine zunehmend religionsfeindliche Rechtsprechungslinie der europäischen Jurisprudenz“, erklärt Mete in einer Pressemitteilung. Es sei ein Novum, dass der Schutz der öffentlichen Moral erstmals auf den Tierschutz ausgelegt werde.

Aus muslimischer Sicht sei diese Entscheidung nicht nur bitter, sondern auch nicht nachvollziehbar. EU-Richter haben mehrfach das Tierwohl hintenangestellt, als es darum ging, industriellen Fleischbetrieben größtmögliche Freiheiten bei Zucht und Tötung zu geben. Selbst kleinsten wirtschaftlichen Nachteilen wurde in der Vergangenheit mehr Gewicht beigemessen als dem Tierwohl, betont Mete weiter.

Schächtverbot ist ein Rückschritt

Auch Maram Stern, Geschäftsführender Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, brachte seine Bestürzung zum Ausdruck und betonte in einer Mitteilung die nachteiligen Auswirkungen dieses Urteils auf die Religionsfreiheit der jüdischen und muslimischen Gemeinschaften in ganz Europa. „Die unkluge Entscheidung des Gerichts, die die Diskriminierung belgischer Juden und Muslime aufrechterhält, ist bedauerlich. Dieses Urteil ist ein Rückschritt, der nichts mit Tierschutz zu tun hat, sondern mit einer klaren Unterdrückung der Religionsfreiheit. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie sich Fälle religiöser Verfolgung häufen“, so Stern.

Der WJC forderte die europäischen Regierungen auf, die Tragweite dieses Urteils anzuerkennen und Gesetze zu erlassen, die die Grundrechte auf Religionsfreiheit und die Bedeutung des rituellen Schlachtens in der jüdischen und muslimischen Religionsausübung in ihren jeweiligen Ländern wahren.

Urteil: Länder dürfen das Schächten verbieten

Staaten dürfen laut einem Grundsatzurteil des Menschenrechtsgerichtshof für jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaften das Schächten verbieten. Der EGMR wies die Klagen aus Belgien ab. Mit Blick auf das Leid der Tiere beim betäubungslosen Schlachten sei die mit dem Verbot des Schächtens verbundene Einschränkung der Religionsfreiheit rechtens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein Einspruch ist innerhalb von drei Monaten möglich. Bei Annahme des Einspruchs würde die große Kammer des Menschenrechtsgerichtshof die Beschwerden noch einmal behandeln.

Leserkommentare

Evergreen sagt:
Entsetzlich ist es für mich, wie Religionsfunktionäre Tierwohl und Religion gegeneinander ausspielen wollen. Es ist nicht im Sinn Allahs, Tiere das Schächten bewusst erleben und betäubungslos ausbluten zu lassen. IslamiQ hätte unter dem Artikel auf nachfolgend von mir genannten IslamiQ-Artikel verweisen sollen, damit Religionsfunktionäre ihr scheinheiliges Gerede abstellen. Wer bei Google eingibt > Tierethik im Islam < „Wir leben auf Kosten der Tiere“ findet dort den IslamiQ-Artikel vom 14.9.2019. Religionsfunktionäre sollten nicht auf Kosten der Tiere gegen Allahs Willen sich profilieren wollen.
15.02.24
20:12
Timotheus sagt:
Der Deutsche Tierschutzbund e.V. in Bonn ist ein gemeinnütziger Verein und vertritt bei dem Thema Schächten - ob nun religiös oder unreligiös durchgeführt - trotz allem die folgende Sichtweise bezüglich der Tiere: "Sie leiden unter erheblichen Schmerzen, Atemnot und Todesangst. Der Todeskampf kann bis zu 30 Minuten andauern und endet erst, wenn sie verblutet sind." Es gilt: "In Deutschland ist es grundsätzlich verboten, ein Tier ohne Betäubung zu schlachten. So steht es im Tierschutzgesetz und der sogenannten Tierschutzschlachtverordnung. Wer dagegen verstößt, muss bis zu 25.000 Euro Geldbuße bezahlen. Menschen, die auf diese Weise wiederholt Tiere quälen, droht Gefängnis." Da es jedoch Ausnahmen gibt, bei denen irgendwelche religiösen Gründe das Schächten rechtfertigen sollen, wird von entsprechender Seite aus dieses Schächtungs-Schlachten mitunter in den Himmel der Tierfreundlichkeit gehoben und schöngeredet. Auch das große islamische Tier-Schlachtopferfest befremdet natürlich viele Menschen. Somit ist eine zunehmend tierfreundliche Rechtsprechungslinie der europäischen Jurisprudenz nur zu verständlich. Dies mag für erklärte Schächtungsbefürworter bitter sein; sie können aber auch umlernen, zumal in Europa keinerlei "höhere" Scharia-Jurisprudenz eine übergeordnete Machtstellung hat. Und das ist gut so, befindet die Mehrheit der europäischen Bevölkerung.
16.02.24
1:45
Peter Tomasek sagt:
Schächten darf sein, Holzpferde auf Karussells nicht...
18.02.24
11:35