Es ist eine Tragödie mit schrecklichen Details: Eine komplette Familie kommt zu Hause im Feuer um. Zwei kleine Kinder sterben mit ihren Eltern. Deutet alles wieder auf eine rassistische Straftat hin?
Eine komplette Familie mit kleinen Kindern wurde Anfang dieser Woche bei einem verheerenden Feuer in einem Mehrfamilienhaus getötet – jetzt kommt heraus, dass von einem kriminellen Hintergrund ausgegangen werden muss. In dem hölzernen Treppenhaus seien „deutlich Reste eines Brandbeschleunigers nachgewiesen“ worden, berichtete Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt am Mittwoch in Wuppertal. „Aufgrund dieser Erkenntnis muss daher von einer vorsätzlichen Brandlegung ausgegangen werden.“ Ermittelt werde nun mit dem Vorwurf des Mordes beziehungsweise versuchten Mordes.
Das Drama hatte in der Nacht vom Montag auf Dienstag auch die verzweifelt gegen die lodernden Flammen ankämpfenden Feuerwehrleute tief bewegt: Sie konnten die junge Familie aus dem Dachgeschoss nicht mehr retten. Zwar stehe die formale Identifizierung noch aus, es sei aber anzunehmen, dass es sich bei den Toten um eine Familie aus Bulgarien handele, sagte der Staatsanwalt. Besonders erschütternd: Die 28 und 29 Jahre alten Eltern kamen gemeinsam mit ihrem knapp dreijährigen Kleinkind und einem erst fünf Monate alten Säugling um.
Die Leiche des Babys war erst Stunden nach den anderen Familienmitgliedern in dem stark heruntergebrannten Dachgeschoss gefunden worden. Auch ein Spürhund war letztlich bei der Suche eingesetzt worden. „Trost kann es für sie kaum geben“, stellte der Ordnungsdezernent der Stadt Solingen in einer Beileidsbekundung an die Hinterbliebenen fest.
Aus der Lage der aufgefundenen Verstorbenen könne der Rückschluss gezogen werden, dass die Familie nicht im Schlaf gestorben sei, sondern versucht habe, zu fliehen, schilderte Kaune-Gebhardt die Befunde. „Eine Flucht durch das Treppenhaus war allerdings keinem der Bewohner mehr möglich.“
Der Tod kam demnach schnell: Der Brandsachverständige habe festgestellt, dass der Ausgangsort des Brandes im Treppenhaus gewesen ist. „Aufgrund der hölzernen Konstruktion und des darin entstehenden Kamineffektes dürfte sich das Feuer binnen weniger Minuten bis zu fünf Minuten bis zum Dach durchgebrannt haben.“
Nachbarn hatten Journalisten am Morgen nach dem tödlichen Feuer von Hilfeschreien berichtet und von Bewohnern, die in Todesangst aus dem etwa 100 Jahre alten brennenden Altbau auf die Straße gesprungen seien, nachdem das Feuer gegen 2.46 Uhr nachts ausgebrochen war. Etliche waren dabei schwer verletzt worden. Beim Eintreffen der Feuerwehr hatte das Holz-Treppenhaus bereits lichterloh gebrannt.
„Ein Tatverdacht gegen eine konkrete Person besteht derzeit nicht“, sagte der Staatsanwalt. „Anhaltspunkte, die auf ein fremdenfeindliches Motiv deuten, liegen nicht vor.“ Weitere Einzelheiten zu den Tatumständen könnten aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht gesagt werden.
Das katastrophale Feuer hatte bei vielen Solingern schlimme Erinnerungen geweckt: Im Mai 1993 wurden bei einem nächtlichen Brandanschlag mit rechtsextremem Hintergrund fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen ermordet. Auch dabei war Brandbeschleuniger eingesetzt worden. Der Solinger Anschlag markierte damals den Tiefpunkt einer Welle rassistischer Anschläge auf Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland.
„Allein schon vor diesem Hintergrund offenbaren die Ermittler mangelnde Sensibilität, wenn sie schon kurz nach der Tat mitteilen, es gebe keine Hinweise auf einen rassistischen Hintergrund der Tat. Wenn wir etwas aus NSU gelernt haben, dann sind es solche voreiligen Schlüsse und Mitteilungen. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung, Ermittlungen in alle Richtungen und Zurückhaltung mit voreiligen Ausschlüssen“, äußerte sich Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). „Unser Mitgefühl gilt den Opfern, Verletzten und Hinterbliebenen. Wir sind in Gedanken und in unseren Gebeten bei ihnen“, so Mete weiter.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) sagte in einer Pressemitteilung, dass es zu hoffen bleibe, dass die Staatsanwaltschaft ergebnisoffen in alle Richtungen ermittelt und dabei nicht mit „voreiligen Aussage Verunsicherung und Misstrauen“ auslöst.“Unsere Gemeinde hat bereits erste Gespräche mit den Hinterbliebenen aufgenommen. Sie planen gemeinsam das Totengebet und die Überführung der Toten nach Bulgarien“, heißt es in der Pressemitteilung (dpa, iQ)