Bosnien-Herzegowina geht erstmals gerichtlich gegen einen mutmaßlichen Völkermord-Leugner vor. Bald könnten viele weitere solcher Klagen folgen, wenn ein geplanter UN-Beschluss den Weg ebnet.
In Bosnien-Herzegowina ist es am Montag erstmals zu einer Anklage wegen Leugnung von Völkermord gekommen. Das berichteten örtliche Medien. Bei dem Angeklagten handelt es sich demnach um den Anführer einer prorussischen, nationalistischen Vereinigung, der voriges Jahr eine Gedenkveranstaltung gestört hatte.
In dem Westbalkan-Land belastet die Erinnerung an das Genozid von Srebrenica 1995 immer noch das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Volksgruppen. Binnen weniger Tage hatte die bosnisch-serbische Armee bei der Stadt Srebrenica mehr als 8.000 muslimische Bosniaken ermordet, größtenteils Jungen und Männer. 2021 erließ der damalige Hohe UN-Repräsentant für Bosnien, Valentin Inzko, ein Gesetz, das die Leugnung des Genozids unter Strafe stellt.
Die Klage gegen einen 48 Jahre alten mutmaßlichen Völkermord-Leugner kommt nun zu einem möglicherweise historischen Augenblick für Bosnien-Herzegowina: Demnächst wollen die UN-Vertreter in New York über einen internationalen Gedenktag für die Srebrenica-Opfer abstimmen. Serbiens Regierung und die Anführer der Republik Srpska, einer der beiden Teilrepubliken Bosniens, wollen dies verhindern.
Insgesamt forderte der Bosnienkrieg (1992-1995) an die 100.000 Tote. Die Leugnung ethnischer Massaker sei heute weit verbreitet, sagte die Historikerin Belma Zulic: „Es herrschen verschiedene Versionen über etwas, was eine historische Tatsache ist.“ Bisher sei Bosniens Rechtssystem „nicht stark genug“, um Genozid-Leugnern entgegenzutreten. Mit einer UN-Resolution hätte man laut Zulic ein stärkeres Instrument gegen sie in der Hand. (KNA, iQ)