Den Haag

UN-Gericht weist Forderungen gegen Deutschland ab

Im Völkermord-Verfahren gegen Deutschland hat der Internationale Gerichtshof einen Eilantrag Nicaraguas abgewiesen. Deutschland darf weiter an Israel Waffen liefern. Über die Klage wegen Beihilfe zum Völkermord haben die Richter noch nicht entschieden.

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Internationaler Gerichtshof verhandelt über Völkermord-Klage © shutterstock, bearbeitet by iQ.
Internationaler Gerichtshof verhandelt über Völkermord-Klage © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Nicaragua hat Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) beschuldigt, Beihilfe zum Völkermord geleistet zu haben. Nach Ansicht Nicaraguas ermöglichen deutsche Waffenlieferungen an Israel Völkermord im Gazastreifen. Das zentralamerikanische Land hat einen Eilantrag gestellt und verlangt im Schnellverfahren, dass Deutschland die Lieferung von Rüstungsgütern an Israel stoppt.

Die UN-Richter wiesen den Eilantrag Nicaraguas entschieden zurück. Sie ließen sich von den Argumenten Deutschlands überzeugen. Auf der „Grundlage der Sachinformationen und rechtlichen Argumente“ gebe es keine Grundlage, die Sofortmaßnahmen gegen Deutschland zu verhängen. Allerdings zeigten sich die Richter weiterhin tief besorgt über die Lage im Gazastreifen.

Dies war erst eine Vorentscheidung. Die Richter entschieden jetzt noch nicht über die eigentliche Klage wegen Beihilfe zum Völkermord. Darüber wird erst im Hauptverfahren entschieden. Das kann sich über Jahre hinziehen.

Was wurde Deutschland vorgeworfen?

Nicaragua wirft Deutschland „Beihilfe zum Völkermord“ vor. Aus Sicht von Nicaragua ermöglichen es Waffenlieferungen an Israel, dass im Gazastreifen „Völkermord“ verübt werde. Als Argument führt Nicaragua an, dass Deutschland im vergangenen Jahr Rüstungslieferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt hatte, zehnmal so viel wie im Vorjahr.

Nicaragua wirft Deutschland auch vor, dass es die Beihilfen für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA im Gazastreifen auf Eis gelegt hatte. Grund waren unter anderem Vorwürfe Israels, dass Mitarbeiter des Hilfswerks an Massakern vom 7. Oktober beteiligt gewesen seien. Außerdem soll die Hamas das Hilfswerk unterwandert haben. Die Bundesregierung hat inzwischen angekündigt, dass sie ihre Zusammenarbeit mit UNRWA fortsetzen wolle. Hintergrund sind demnach Empfehlungen eines Berichts der von den Vereinten Nationen eingesetzten Gruppe unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Demnach muss es in Schlüsselbereichen der UNRWA Verbesserungen geben, unter anderem bei der Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes.

Was sagt Deutschland?

Deutschland wies die Vorwürfe bei der Anhörung vor etwa vier Wochen im Den Haager Friedenspalast als haltlos zurück. «Diese Vorwürfe entbehren jeder rechtlichen und tatsächlichen Grundlage», sagte die Leiterin der deutschen Delegation, Tania von Uslar-Gleichen. Deutschland verletze weder die Völkermord-Konvention noch humanitäres Völkerrecht.

Bei den Rüstungsgütern ging es nach deutschen Angaben auch zu 98 Prozent nicht um Kriegswaffen, sondern um allgemeine Güter wie Helme oder Schutzwesten. Und zu der Aussetzung der humanitären Hilfe erklärte Deutschland, dass es noch immer eines der größten Geberländer für die palästinensischen Gebiete sei.

Warum klagt ausgerechnet Nicaragua?

Das mittelamerikanische Land, das selbst wegen Menschenrechtsverletzungen im internationalen Visier ist, beruft sich auf die Völkermord-Konvention. Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, alles zu tun, Völkermord zu verhindern. Das heißt auch Drittstaaten können andere deswegen zur Verantwortung ziehen.

Warum wurde Deutschland verklagt?

Deutschland erkennt die Zuständigkeit des UN-Gerichtes an und es ist einer der engsten Verbündeten Israels. Die USA zum Beispiel – größter Waffenlieferant Israels und ebenfalls ein enger Verbündeter – erkennen in diesem Fall das Gericht nicht an und können daher auch nicht belangt werden.

Die Konvention scheint so auch ein Instrument für Drittstaaten zu sein, politischen Druck auf die Verbündeten Israels auszuüben.

Ist es die erste Klage?

Sicher nicht. Erst Ende 2023 hatte Südafrika Israel vor dem Gerichtshof verklagt ebenfalls wegen Völkermordes. Im Eilantrag war eine Waffenruhe gefordert worden. Die Richter entsprachen dem zwar nicht, aber warnten Israel überraschend deutlich, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern.

Zurzeit läuft auch ein Verfahren, das Gambia gegen Myanmar anstrengte. Im Namen muslimischer Staaten beschuldigt es Myanmar des Völkermordes an der muslimischen Rohingya-Minderheit.

Sind Entscheidung der UN-Richter bindend?

Entscheidungen des Gerichtshofes sind bindend. Auch wenn er keine Mittel hat, die Durchsetzung zu erzwingen, der politische Druck kann zunehmen. Für Deutschland wäre jeder Verdacht einer Mitverantwortung für Völkermord eine bittere Schlappe. Die Völkermord-Konvention kam 1948 zustande unter dem Eindruck des Holocausts, der Ermordung von etwa sechs Millionen Juden durch deutsche Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges. Seitdem fühlt sich Deutschland nicht nur Israel besonders verpflichtet, sondern auch dem internationalen Völkerrecht.