Europawahl 2024

Muslime und Juden besorgt über AfD-Ergebnis bei der Europawahl

Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien: In fast allen großen EU-Staaten haben rechte Parteien bei der Europawahl deutlich zugelegt. Muslime und Juden in Deutschland zeigen sich besorgt über die AfD-Ergebnisse.

10
06
2024
Symbolbild: Europawahlen © Shutterstock, bearbeitet by iQ
Symbolbild: Europawahlen © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Der Osten ist blau. So sieht die Deutschlandkarte am Tag nach der Europawahl aus, jedenfalls auf den ersten Blick. In allen fünf ostdeutschen Flächenländern ist die AfD stärkste Kraft – trotz aller Proteste und Warnungen vor der in Teilen rechtsextremen Partei, trotz ihrer Personalquerelen, trotz Spionagevorwürfen. Auch bei den Kommunalwahlen liegt sie vielerorts vorn. Die AfD wird also gewählt – nicht nur in Ostdeutschland, aber besonders häufig dort. Und nun?

Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September erwarten Experten ähnliche Ergebnisse. Es scheint sogar nicht völlig ausgeschlossen – wenn auch sehr unwahrscheinlich -, dass die AfD erstmals einen Ministerpräsidenten stellen könnte. Den Machtanspruch formuliert die Partei klar. Darauf verlassen kann sich die AfDaber nicht. „Es gibt jetzt keinen Grund für Ohnmacht“, sagt der Extremismusforscher Matthias Quent der Deutschen Presse-Agentur.

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz geht davon aus, dass zwei von drei AfD-Wählern eine relativ feste Parteibindung entwickelt haben. Sie fühlen sich der AfD verbunden, „weil sie sich mit ihren politischen Forderungen identifizieren“. An ihnen perlten auch die Skandale einzelner AfD-Europapolitiker oder eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung von Thüringen Rechtsaußen Björn Höcke wegen Nutzung von Nazi-Parolen ab.

Sorge wegen der AfD

Mit Sorge blicken islamische Religionsgemeinschaften sowie Vertreter von katholischer Kirche und Judentum auf die Ergebnisse der Europawahl. Sie riefen angesichts der Erfolge von rechtsextremen und nationalistischen Parteien – auch bei jungen Leuten – zum Einsatz für die Demokratie und zum Zusammenhalt in Deutschland und Europa auf. Zuversichtlich zeigten sie sich jedoch mit Blick auf die gestiegene Wahlbeteiligung.“, erklärt Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). 

Auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, zeigte sich bestürzt darüber, dass unter den Erstwählern in Deutschland 17 Prozent ihr Kreuz bei der AfD gemacht hätten. Daher müssten demokratische Bildung an den Schulen gestärkt und ein dauerhaftes“ Netzwerk für Zivilcourage und gegen Rechtsextremismus“ geknüpft werden.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte, es müsse allen demokratischen Kräften zu denken geben, dass in Deutschland rechts- und linkspopulistische Parteien ein Fünftel der Wählerstimmen bekommen hätten. „Das ist kein Protest mehr.“

Der Rechtsruck ist nach Worten des Präsidenten der orthodoxen Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), Pinchas Goldschmidt, „auch eine politische Folge des 7. Oktober und seiner Nachwirkungen nach dem Angriff der terroristischen Hamas auf Israel“. Die Mehrheit der politischen Führungspersönlichkeiten der Mitte habe sich lange neutral verhalten und nicht angemessen auf pro-islamistische und anti-israelische „Hassreden und Radikalisierungen“ reagiert. Mit ihrem Verhalten hätten die Führungspersönlichkeiten „viele Wähler Europas in die Arme rechtspopulistischer Parteien getrieben“.

„Moderate Muslime in Europa besser unterstützt“

Die EU und die europäischen Regierungen dürften nicht länger passiv zuschauen, sondern müssten eine umfassende Strategie entwickeln, „die Integrations- und Religionspolitik mit sicherheitspolitischen Handlungsfeldern kombiniert, religiösen und politischen Extremismus effektiver bekämpft und moderate Muslime in Europa besser unterstützt“.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte die AfD in Deutschland nach Angaben der Bundeswahlleiterin 15,9 Prozent der Stimmen und liegt damit auf Platz zwei nach der Union mit 30 Prozent. In Ostdeutschland ist die AfD Medienberichten zufolge die stärkste Kraft. Die SPD erreicht 13,9 und die Grünen 11,9 Prozent. Die Linke bekam 2,7 Prozent, das neue BSW auf Anhieb 6,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,8 Prozent (plus 3,4 Prozentpunkte).

Leserkommentare

Salim Spohr sagt:
Salam. Es ist falsch, zu sagen, die Muslime seien über das gute Abschneiden der AfD besorgt. — Das gilt nur für solche Muslime, die sich den herrschenden Behörden und den korrupten Altparteien an den Hals geworfen haben. Andere Muslime, zu denen auch ich gehöre, finden, daß die AfD die einzige wirkliche Opposition im Lande ist, die gegen den Abstieg Deutschland etwas bewirken könnte. — Also: Die AfD ist gut für Deutschland und damit auch für die in Deutschland lebenden Muslime.
11.06.24
9:08