Rechtspopulistische Parteien haben bei den Europawahlen stark zugelegt. Die AfD ist nun zweitstärkste Kraft. Muslime haben Angst um ihre Zukunft. Wir haben unsere Leser zu den Ergebnissen befragt.
Die Europawahlen 2024 haben ein klares Zeichen gesetzt: Europa steht vor einer politischen Zäsur. Mit einem deutlichen Rechtsruck in vielen Mitgliedsländern der Europäischen Union, insbesondere in Deutschland, hat sich das politische Klima erheblich verändert.
Die Alternative für Deutschland (AfD) erzielte bei diesen Wahlen einen erschreckenden Erfolg und etablierte sich mit 16 Prozent der Stimmen zur zweitstärksten Kraft hinter der Union. Dieser Erfolg der AfD war nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern spiegelte sich auch in anderen europäischen Ländern wider, in denen rechtspopulistische und nationalistische Parteien ebenfalls zulegten.
Der Erfolg der AfD und anderer rechter Parteien hat europaweit Besorgnis ausgelöst. Viele Politikerinnen und Politiker warnen vor den Gefahren, die von einem weiteren Erstarken des Rechtspopulismus ausgehen. Sie befürchten, dass die europäische Integration und der Zusammenhalt der EU dadurch ernsthaft gefährdet werden könnten. Auch unter den Musliminnen und Muslimen in Deutschland breitet sich nach den Wahlen ein Unbehagen aus.
In einer Instagram-Umfrage fragte IslamiQ ihre Leser, wie sie mit dem Wahlergebnis umgehen, wie sie sich fühlen und welche Bedenken sie haben.
Für viele Menschen, insbesondere jene, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, kam das Resultat nicht überraschend. Die AfD, die nun als zweitstärkste Partei hervorgegangen ist, hat mit ihrem Erfolg den Rechtspopulismus im Land weiter gestärkt.
Eine IslamiQ-Leserin fasst das Gefühl vieler zusammen: „Für mich ist das Wahlergebnis nicht wirklich überraschend. Trotzdem fühle ich eine Enttäuschung, weil ich gehofft habe, dass ich falschliege.“ Diese Worte spiegeln die resignierte Stimmung vieler wider, die seit Jahren auf die Gefahren rechter Parteien und Rechtsextremismus hinweisen.
Ein weiterer Kommentator berichtet von einem zunehmenden Gefühl der Entfremdung in seinem Heimatland. „Heimatlos“, beschreibt eine andere Leserin ihre Gefühle. Solche Äußerungen sind keine Einzelfälle. Viele Muslime und Musliminnen in Deutschland fühlen sich inzwischen unsicher, haben Zukunftsängste und empfinden Hoffnungslosigkeit. „Es wird Zeit, meine Koffer zu packen“, beschreibt ein weiterer Leser seine Situation, während eine Leserin resigniert feststellt: „Was bleibt mir aber anderes, als hierzubleiben und weiterzumachen?“
Auch wenn der Rechtsruck in Europa und in Deutschland nicht unerwartet kam, ist die Enttäuschung über das Wahlergebnis groß und die Hoffnung auf Veränderung schwindet immer mehr. Die Wahlergebnisse hätten lediglich die ohnehin bereits vorhandene Stimmung im Land verdeutlicht. Denn in Deutschland ist Rassismus schon lange kein neues Phänomen. Laut Umfrage befürchten viele Muslime, dass sie in den nächsten Jahren auswandern müssen. Die Angst, dass „Hass und Hetze“ zunehmend salonfähig werden, ist groß. „Wie viel Rassismus soll ich noch erfahren?“, fragt eine Leserin und bringt damit die Befürchtungen vieler auf den Punkt.
Zudem äußern zahlreiche Muslime und Musliminnen die Sorge, dass ihre Religionsausübung künftig eingeschränkt werden könnte. Die Angst vor wachsenden Übergriffen im Alltag bleibt bestehen. Besonders hervorgehoben wird jedoch die Sorge, dass der Widerstand und die Solidarität von Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, weiter nachlassen könnten. „Ich habe Angst, dass der öffentliche Hass gegen Muslime jetzt gesellschaftsfähiger ist und es nun frei ausgelebt wird“, schreibt ein anderer IslamiQ-Follower.
Der Erfolg der AfD und anderer rechter Parteien signalisiert deutlich die Ignoranz der Politiker und der EU gegenüber dem über Jahre bestehenden Rassismusproblem. Nun sind die etablierten politischen Kräfte gefordert, die rechte Gefahr endlich ernst- und anzunehmen und Europa in eine stabile und zukunftsfähige Richtung zu führen.
Entscheidend wird sein, den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu intensivieren und ihnen wirklich zuzuhören. Doch ist das ausreichend? Der Aufstieg des Rechtspopulismus lässt sich nicht allein durch Gespräche stoppen, und ob das Vertrauen in die europäische Idee auf diese Weise tatsächlich gestärkt werden kann, bleibt fraglich. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die EU tatsächlich bereit ist, diese Bewährungsprobe ernsthaft anzugehen und die nötigen tiefgreifenden Veränderungen vorzunehmen.
Viele fragen sich jedoch, ob der Rechtspopulismus überhaupt noch aufgehalten werden kann. Statistiken prognostizieren, dass die AfD bei den nächsten Bundestagswahlen möglicherweise zweitstärkste Kraft bleibt. Wie viele Wahlperioden wird es also dauern, bis die AfD den Kanzler oder die Kanzlerin stellt? Es bleibt ungewiss, wie sich die Stimmung im Land verändern wird. Eines ist jedoch sicher: Solange keine radikalen und sofortigen Maßnahmen gegen die AfD und den Rechtsruck eingeleitet werden, wird die Entnazifizierung Deutschlands weiterhin auf der Strecke bleiben.