Religionsmonitor 2023

Studie zeigt: Differenzierte Wahrnehmung mindert Diskriminierung gegen Muslime

Mehr als die Hälfte der Deutschen sieht im Islam eine Bedrohung. Dem aktuellen Religionsmonitor zufolge trägt eine differenzierte Sicht auf Muslime maßgeblich zur Verringerung von Diskriminierung bei.

21
06
2024
Symbolbild: Muslime in Deutschland © shutterstock, bearbeitet by iQ.
Symbolbild: Muslime in Deutschland © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Neben tief verwurzelten antimuslimischen Vorurteilen gibt es in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung auch eine differenzierte Sicht auf muslimisches Leben in Deutschland. Diese differenzierte Wahrnehmung baut die Vorurteile zwar nicht ab, trägt aber dazu bei, dass Muslime weniger benachteiligt und diskriminiert werden. Das zeigt der aktulle Religionsmonitor 2023 „Zwischen Pauschalisierung und Differenzierung. Einstellungen gegenüber Muslim und dem Islam in Deutschland“ der Bertelsmann Stiftung.

Die Studie verdeutlicht, dass antimuslimische Vorbehalte und ein differenziertes Bild der muslimischen Bevölkerung nebeneinander existieren können. Diese Haltungen stehen nicht im Widerspruch zueinander und bauen sich nicht gegenseitig ab. Ein wichtiger Effekt ist jedoch, dass sie diskriminierendes Verhalten verhindern. Insbesondere das Bewusstsein darüber, dass Muslime häufig Diskriminierung und Rassismus erleben, trägt dazu bei, dass Vorurteile nicht in ausgrenzendes Verhalten umschlagen.

„Dieser bedeutende Befund zeigt, wie wichtig und wirksam Bemühungen sind, eine differenzierte Sichtweise auf muslimisches Leben in Deutschland zu fördern“, betont Yasemin El-Menouar, Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung, gegenüber dem MiGAZIN. Interreligiöse Bildung bleibt hierbei ein zentraler Faktor. Auch die Förderung einer differenzierten Debattenkultur trägt zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bei. „Auch wenn es derzeit noch nicht greifbar ist, kann eine differenziertere Wahrnehmung von Muslim und ihrer Religion langfristig dazu beitragen, antimuslimische Vorurteile abzubauen“, so El-Menouar weiter.

Mehr als die Hälfte sieht Islam als Bedrohung

Antimuslimische Vorurteile sind weit verbreitet. Laut Daten aus dem Religionsmonitor 2023 sehen 52 Prozent der Deutschen im Islam eine Bedrohung, während nur 18 Prozent den Islam als Bereicherung empfinden. Diese Negativwahrnehmung spiegelt sich auch in den Diskriminierungserfahrungen der muslimischen Bevölkerung wider: Etwa ein Drittel berichtet von regelmäßiger Benachteiligung im Alltag.

Für die Studie haben die Expertinnen ein breites Spektrum an antimuslimischen Vorurteilen untersucht und deren Auswirkungen auf Verhaltensintentionen analysiert. Die Daten stammen aus dem Jahr 2022, also vor den Ereignissen im Nahen Osten im Oktober 2023. Die Studienautorinnen vermuten daher, dass antimuslimische Einstellungen seither weiter zugenommen haben könnten. Die Daten von 2022 zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen negativen Stereotypen und diskriminierendem Verhalten. Vorurteile, die sich direkt auf Muslime beziehen, führen häufiger zu diskriminierenden Handlungen als negative Einstellungen gegenüber der Religion Islam. Besonders die Unterstellung, Muslim seien anfällig für Extremismus, hat deutliche Auswirkungen auf die Verhaltensabsicht und führt zu starken Distanzierungsreflexen.

Trotz Vorurteile gibt es auch differenzierte Ansichten

Zu den häufigsten Vorurteilen gehört die Annahme, Muslime würden lieber unter sich bleiben (74 Prozent), in eigenen Stadtteilen leben (70 Prozent) und seien frauenfeindlich (65 Prozent). Vorurteile gegenüber dem Islam sind noch verbreiteter und beinhalten oft die Vorstellung, der Islam sei mit „westlichen“ Werten unvereinbar und gewaltbereit (57 Prozent). Zudem haben 58 Prozent der nichtmuslimischen Befragten ein Problem damit, in einen Stadtteil zu ziehen, in dem viele Muslime leben.

Trotz dieser Vorurteile gibt es auch differenzierte Ansichten: 83 Prozent der Befragten wissen, dass es sowohl streng religiöse als auch weniger streng religiöse Muslime gibt. 85 Prozent sind sich bewusst, dass Handlungen einzelner Muslime oft der gesamten Gruppe zugeschrieben werden. 60 Prozent stimmen zu, dass Muslime häufig benachteiligt oder angefeindet werden, und 69 Prozent glauben, dass Muslime Rassismus erfahren.

Weniger Bedenken haben die Befragten bei muslimischen Lehrkräften mit einem Kopftuch: Immerhin 60 Prozent der Befragten würden ihr Kind an einer Schule anmelden, in der auch eine kopftuchtragende Muslimin unterrichtet. Auf der anderen Seite würden immerhin 40 Prozent sich gegen eine Schule entscheiden, wenn dort eine kopftuchtragende Lehrkraft angestellt ist.

Mehr Begegnungen schaffen

Um den Zusammenhang zwischen Vorurteilen und diskriminierendem Verhalten zu durchbrechen, fordert die Studienleiterin mehr Begegnungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Besonders die jüngere Generation hat eine differenziertere Sicht auf Muslime und den Islam, basierend auf alltäglichen Erfahrungen und interreligiösen Kontakten in Schule und Ausbildung. Auch die Erwachsenengeneration müsse sensibilisiert werden, wofür es neben persönlichem Kontakt auch differenzierteres Wissen über muslimisches Leben in Deutschland brauche. „Mehr Erzählungen über die Normalität muslimischen Lebens können den kursierenden Negativbildern etwas entgegensetzen“, so El-Menouar abschließend.

Leserkommentare

gege sagt:
Extremismus unter Muslimen scheint es lt. Islamiq.de und den Vertretern der Islamverbände nicht zu geben. Diese Thematik wird totgeschwiegen, stattdessen wird nicht mal drei Wochen seit dem islamistischen Anschlag in Mannheim wieder das Opfernarrativ hochgehalten. Anstatt sich mit dem Exgtremisproblem unter Muslimen und Reformbedarf der muslimischen Religion auseinanderzusetzen, verfällt man wieder in alte Verhaltensmuster. Das Nichtmuslime dem Islam daher kritisch sehen, verwundert kaum.
21.06.24
23:30
Evergreen sagt:
Das Anliegen des Artikels und Religionsmonitors ist richtig. Doch soll- ten sie selber eine differenzierte Wahrnehmung praktizieren und nicht pauschalierend und undifferenziert generell von Vorurteilen sprechen, sonst pflegen sie eigene Vorurteile. Völlig ausgeblendet wird in dem Artikel, wie viele Muslime sich ihrer- seits durch Muslime ausgegrenzt fühlen, sehr viele gemobbt, manche sogar bedroht. Das habe ich sogar selbst wiederholt in Moscheever- einen erlebt, auch religiöse Todesdrohungen. Zu sogenannten Vorurteilen drei Beispiele : A]] Richtig ist, dass man nicht pauschal sagen kann, dass Muslime lieber unter sich bleiben wollen. Aber ebenso wenig kann man unsere wie- derholte Erfahrung leugnen: dass muslimische türkische Mütter klag(t)en, dass sie von Ihresgleichen angehalten würden, man müsse unter sich bleiben. Heute kam in einer großen Tageszeitung ein ganzseitiges Interview mit einem türkischen Imam, der freimütig Folgendes beklagte: Manche Imame (vor allem auch Prediger im Internet) verwirren Jugendliche mit der Botschaft, dass sie Juden und Christen nicht als Freunde haben dürften. Diese Imame würden einfach Koranverse aus ihrem Zusam- menhang herausreißen. Und da ich erinnere mich genau (auch hier verbreite ich kein Vorurteil), dass vor Jahren die Religionsbehörde DIYANET übers Internet in die ganze Welt die Weisung hinausgab, dass muslimische Kinder und Jugendliche keine nichtmuslimischen Freunde haben dürften. Und exakt diese Zurückweisung bekamen oft nichtmuslimische Kinder und Jugendliche dann zu hören. Das war doch kein Vorurteil! B]] Dass vielfach Frauen im Islam diskriminiert werden, diese Erfahrung kann man doch nicht als Vorurteil abtun. 1] Obwohl im Koran nichts von einem Kopftuchgebot steht (an den ein- schlägigen Koranstellen geht es um ganz Anderes!), gebieten die mei- sten Imame das Kopftuch. Eine Frau muss sich als Muslimin outen, Männer müssen das nicht. Frauen werden somit einer Sozialkontrolle ausgesetzt. Das ist eine Ungleichbehandlung, also Diskriminierung. 2] Muslime dürfen auch Jüdinnen und Christinnen heiraten. Aber Mus- liminnen dürfen nur Muslime heiraten. Auch dies eine krasse Un- gleichbehandlung und Diskriminierung. 3] Nach muslimischem Recht dürfen Muslime mehrere Frauen haben; aber eine Muslimin nur einen einzigen muslimischen Mann. Auch hier eine krasse Ungleichbehandlung. 4] Auch das islamische Erbrecht enthält diskriminierende Elemente. 5] Muslimische Männer sind verpflichtet, am Freitagsgottesdienst teilzu- nehmen. Bei Frauen kommt es nicht so drauf an. Wollen sie den- noch teilnehmen, dann oft ganz hinten und abgesperrt vom Gottes- dienstraum. Ebenfalls eine Ungleichbehandlung. Das Grundgesetz gebietet in Artikel 3 (3) : „ Niemand darf wegen seines Geschlechts … benachteiligt oder bevorzugt werden. „ Diskriminierung muss beendet werden. C]] Auch die muslimische Gemeinschaft kann mithelfen, dass in der Mehrheitsgesellschaft manche Sorgen abgebaut werden. Einmal sollte man diejenigen Moscheen, welche in ihrem Namen an blu- tige Eroberer erinnern, umbenennen. Kaiser Barbarossa ertrank im Fluss Saleph; man würde in der Türkei dort nicht einmal eine kleine Barbarossa-Kapelle erlauben. Viel wichtiger ist, dass die muslimische Gemeinschaft endlich ihre blutigen Ursprünge aufarbeitet, auf die sich Islamisten be- rufen. Der Islam hat sich von Anfang an mit dem Schwert durch- gesetzt, trug von Anfang an mit dem Schwert innerislamischen Glaubensstreit aus (z.B. Kerbela 680), expandierte mit dem Schwert. Und dies wird nicht aufgearbeitet und Islamisten wollen daran anknüpfen und Andere behaupten ohne Argumente ein- fach: Das hat mit dem Islam nichts zu tun. Dann bitte Argumente und die Vergangenheit aufarbeiten!!! Zwar ist es richtig, dass die christliche Kirche sich ca. 300 Jahre lang trotz häufiger Verfolgungen friedlich ausgebreitet hat. So wie viele islamische Vertreter heute stellten christliche Apologeten 250 Jahre lang immer wieder heraus : Wir sind doch ganz harmlos, wir sind doch ganz harmlos. Das nehme ich ihnen auch ab. Doch im 4. Jahrhundert war es damit vorbei, unbarmherzig und brutal ging man nicht nur gegen Fremdgläubige vor, sondern auch gegen christliche Gruppen, welche bestimmte Dogmen nicht teilten. Wer die Geschichte nicht aufarbeitet und sich von blutigen Ge- schichten nicht distanziert, darf sich nicht wundern, wenn Miss- trauen bleibt. Das gilt auch für Juden, Christen, Muslime.
21.06.24
23:54