Nordrhein-Westfalen

„Die IRU-Studie in NRW ist nicht tragbar“

Aktuell wird in Nordrhein-Westfalen eine umstrittene Studie zum islamischen Religionsunterricht durchgeführt. Lehrerverbände, Eltern sowie Muslime haben die Studie kritisiert. IslamiQ sprach mit zwei Lehrerinnen.

10
07
2024
Muslimische Lehrerin © shutterstock, bearbeitet by iQ.
Muslimische Lehrerin © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Eine Studie zum islamischen Religionsunterricht, die vom Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster im Auftrag des Ministeriums für Schule und Bildung geführt wurde, führte zu vielerlei Kritik. Bemängelt werden insbesondere Inhalt und Methodik der Studie.

Hülya S. unterrichtet den islamischen Religionsunterricht an einer Realschule. Anfangs befürwortete die 38-Jährige die Durchführung einer Studie, da sie dazu beitragen könnte, sich selbst zu evaluieren, sowie den Stand der Dinge und Optimierungsbedarf festzustellen. Doch als sie die Fragen sah, war sie plötzlich sehr irritiert.

Schnell gab es die ersten Meldungen im Gruppenchat und auf den sozialen Medien. Diese Studie sollte so nicht durchgeführt werden, da sie Stereotypen und Vorurteile bediene. „Wir haben mit der Schulleitung über unsere Bedenken gesprochen und ihr mitgeteilt, dass wir nicht an der Studie teilnehmen.“ Die 38-jährige Lehrerin findet die Studie weder zielführend noch gewinnbringend. „Die Studie sollte nach der Qualität des Unterrichts fragen und den Lernerfolg messen, stattdessen wirken die Fragen wie ein Gesinnungstest.“ 

Trotz der Kritik von Eltern und Lehrern wird die Studie aktuell fortgeführt. „Es wird über unsere Köpfe hinweg entschieden, welche Studie für uns angemessen sei. Das finden wir auf diese Weise nicht tragbar“, kritisiert Hülya.

„Ein antimuslimischer Schlagwortkatalog“

Die Gesamtschullehrerin Sara hat zunächst von einer WhatsApp-Gruppe von der Studie erfahren. Die Fragen lösten eine hitzige Diskussion aus. Als die 35-Jährige daraufhin ihre E-Mail im Postfach öffnete, sah sie, worum es ging: „Ich habe mir die Studie angesehen; es waren provokante Inhalte. Deshalb habe ich nicht teilgenommen.“ Für Sara schien die Studie wie ein aufgereihter „antimuslimischer Schlagwortkatalog“.

Besonders kritisch seien der Inhalt und die ausgewählte Methode, findet Sara. Es gebe keine Mehrfach-Antwortmöglichkeiten. Man müsse sich für die eine oder andere Sache entscheiden. Aus ihrer Sicht handelt es sich um eine fehlerhafte und leicht manipulierbare Studie, da sich die Studie über einen QR-Code unkontrolliert von jedem aufrufen ließ. Beispielsweise könnten auch viele antimuslimische Organisationen an der Studie teilnehmen.

„Fragen können Jugendliche provozieren“

Zudem kritisiert die IRU-Lehrerin den Zeitpunkt der Studie. Die heutige Jugend ist durch die mediale Darstellung des Islam, des Nahost-Konflikts oder des Remigration-Geheimtreffens bereits stark belastet. Eine solche Studie sei deshalb nur kontraproduktiv. Die Jugendlichen befinden sich noch in der Identitätsphase und sind in diesem Alter leicht zu provozieren, daher sind solche Fragen nicht in Ordnung.

Die Studie soll sich mit inhaltlichen Fragen zum islamischen Religionsunterricht allgemein auseinandersetzen und in Absprache mit erfahrenen Akteuren stattfinden. Lehrerverbände und islamische Religionsgemeinschaften sollten ein Mitspracherecht haben, da dies auch Vertrauen bei Schülern und Eltern schafft. „Ich hoffe, dass die Ergebnisse dennoch positiv ausfallen und wir nicht in eine islamfeindliche Krise zu steuern.“

Leserkommentare

grege sagt:
Mit den Argumenten wären auch Studien zum Thema Fremden-, Islamfreindlichkeit oder Rechtsextremismus obsolet. Fragen zu derartigen Gesinnungen sind notwendig, werden aber von den Befragten als provokant empfunden
10.07.24
19:44