Nordrhein-Westfalen

Vom Lehrstuhl zur Anklagebank: Islamberater wegen Betrugs vor Gericht

Er hat jahrelang als vermeintlicher Professor für die NRW-Landesregierung gearbeitet. Doch der Experte war wohl ein Hochstapler. Der Schwindel sei erstaunlich einfach gewesen, sagt er vor Gericht.

12
07
2024
Symbolbild Gerichtsverfahren
Symbolbild: Gerichtsverfahren, © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Er hat jahrelang die NRW-Landesregierung als Islamberater beraten und sogar mit dem Bundespräsidenten diskutiert – nun steht ein 47-Jähriger als mutmaßlicher Hochstapler vor Gericht. Er sei weder Professor noch Doktor, nicht einmal das Staatsexamen als Lehrer habe er bestanden, gab der Angeklagte am Amtsgericht Duisburg zu. Seine rasante akademische Karriere habe sich irgendwann fast von allein entwickelt.

Von seiner Expertise ist der Angeklagte auch weiterhin überzeugt – doch juristisch geht es gar nicht darum, ob er einen guten Job gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Urkundenfälschung, Betrug und den unbefugten Gebrauch akademischer Grade in insgesamt 28 Fällen vor.

„Nichts mit moderner Technik“

Angefangen habe alles mit einer gefälschten Urkunde aus seinem Lehramtsstudium, berichtete der 47-Jährige. Aus Zeitgründen sei er nie zum Staatsexamen angetreten. Um trotzdem als Lehrer verbeamtet zu werden, habe er die Urkunden seiner Frau genommen, sorgfältig den Vornamen überklebt und davon eine echt aussehende Kopie gemacht. „Nichts mit moderner Technik“, betonte er.

Später habe er in ähnlicher Weise eine Urkunde über eine bestandene Promotion, als die Prüfung für den Doktortitel, gefälscht. Eine Behörde beglaubigte die Urkunden. „Das hat mir alle Türen geöffnet“, sagte der Angeklagte.

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Er habe sich weitergebildet, an seiner Rhetorik gefeilt. Nach und nach erarbeitete er sich einen Ruf als Experte für Integration, wurde landesweit als Referent eingeladen. Schließlich sei das NRW-Schulministerium auf ihn aufmerksam geworden und habe ihm ein Angebot als wissenschaftlicher Mitarbeiter gemacht.

Experte für Islamischen Religionsunterricht

Im Ministerium beschäftigte er sich unter anderem mit den Folgen von Migration für das Schulwesen und schließlich immer mehr mit dem politisch hochumstrittenen Thema Islamischer Religionsunterricht. Seine Vorgesetzten seien immer zufrieden gewesen, erzählte er. Ungewöhnlich rasch stieg er die Karriereleiter hoch.

Lehraufträge kamen hinzu. Als Religionssoziologe lehrte er an den Hochschulen in Bielefeld, Münster, Duisburg-Essen und an der NRW-Polizeihochschule. Er bekam eine Auszeichnung für seine Lehre, wurde als Experte zu prominent besetzten Podien eingeladen, nahm an Diskussionsveranstaltungen etwa mit dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff teil.

Schließlich beriet er direkt Minister der NRW-Landesregierung, vor allem in Islam-Fragen. „Ich war als Lehrer und als Experte gut und anerkannt“, sagte er den Richtern. Zweifel an seinen akademischen Fähigkeiten habe es nie gegeben. Dass er dabei Zeugnisse über seine formalen Qualifikationen gefälscht habe, bereue er heute.

2021 wurden Zweifel öffentlich

2021 flog der ganze Schwindel auf, das Land NRW beendete öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit. Es gebe „begründete Zweifel in Bezug auf die akademische Laufbahn“, schrieb die Landesregierung damals zur Begründung. Außerdem erstattete das Land Anzeige gegen den heute 47-Jährigen.

Der Staatsanwalt zeigte sich von dem früheren akademischen Ruhm des Angeklagten wenig beeindruckt. Er habe Urkunden gefälscht, Titel zu Unrecht getragen und den Staat um seinen Verdienst aus zwölf Jahren als Beamter betrogen, argumentierte der Anklage-Vertreter. Denn ohne die gefälschten Dokumente hätte er nie Beamter werden können.

Darum geht es ganz wesentlich in dem Prozess: Denn während es in der freien Wirtschaft vor allem auf die Leistung ankommt, müssen bei Beamten vor allem die formalen Voraussetzungen erfüllt sein. Für den Angeklagten gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung. Ein Urteil könnte in zwei Wochen verkündet werden. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Minimalist sagt:
Beim Sinnieren über sein Leben gerät der angeklagte Ex-Regierungsberater "Prof. Dr." Ahmet Ünalan vor dem Landgericht in Duisburg immer wieder in einen Verschmelzungsprozess zwischen Realität und Fiktion. Der Fälscher & Schwindler und Betrüger & Hochstapler Ünalan arbeitete jahrelang an Universitäten und räumte seine strafbaren Taten über rund 21 Jahre hinweg weitgehend ein. Durch die ergaunerte Übernahme in ein Beamtenverhältnis soll der falsche Islam-Professor bis 2021 allein für seine Arbeit als Lehrkraft beim Schulamt Duisburg Bezüge in Höhe von knapp 508.000 Euro netto erhalten haben. Dabei galt der Mann als umstritten, wie 'Bild' und 'Welt' berichten. Schon 2021 wurde über seine enge Beziehung zur Ditib berichtet, die regelmäßig durch antisemitische und islamistische Äußerungen auffällt. Der falsche Professor beriet auch die Landesregierung z.B. in Fragen des Islam-Unterrichts und soll die treibende Kraft hinter der umstrittenen Beteiligung der islamistischen Ditib an der Planung des Unterrichts gewesen sein, wie 'Bild' schon am 30.07.2021 meldete. Sogar bei der Polizeihochschule in NRW bewarb sich der vermeintliche Professor mit den gefälschten Unterlagen als Lehrbeauftragter und bekam den Job. Der Fall zeigt, dass man bei allen sog. Islam-Experten immer sehr genau hinschauen muß, wen man da vor sich hat und in welche Richtung seine primären Islam-Kontakte gehen. Vertrauen ist gut, aber Kontrolle und Überprüfung sind mittlerweile wichtiger denn je.
12.07.24
19:40