Die Studie zur Muslimfeindlichkeit wurde aufgrund eines Urteils zurückgezogen und überarbeitet. Nun wurde sie stillschweigend erneut veröffentlicht – allerdings mit einer deutlichen Distanzierung.
Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) hatte das Bundesinnenministerium den Bericht zur Muslimfeindlichkeit von seiner Internetseite genommen. Vier Monate später wurde der Bericht nun erneut veröffentlicht – allerdings stillschweigend und nur noch auf der Seite der Deutschen Islamkonferenz.
Im Fokus des juristischen Streits standen Äußerungen über den Publizisten Henryk M. Broder und der „Islamismus-Expertin“ Sigrid Herrmann-Marschall. In dem Bericht war Broder vorgeworfen worden, Muslime in einem seiner Artikel pauschal „dämonisiert“ zu haben. Broder wehrte sich juristisch gegen diese Darstellung und klagte erfolgreich gegen die Veröffentlichung der beanstandeten Passagen.
Neben Broder klagte auch Herrmann-Marschall. Der UEM befand, dass Herrmann-Marschall auf Basis von Mutmaßungen und unbelegten Vorwürfen muslimische Existenzen zerstören würde. Die Passagen über Broder und Herrmann-Marschall wurden jetzt komplett entfernt.
Mit der Wiederveröffentlichung des Berichts wurden allerdings auch weitere Änderungen vorgenommen. Ein erster Blick zeigt, dass das ursprüngliche Vorwort von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in dem sie den Expertinnen und Experten für ihre konkreten Handlungsempfehlungen dankte und zum entschlossenen Vorgehen gegen Muslimfeindlichkeit aufrief, entfernt wurde. Statt ein Wort wurde ein kurzer Text hinzugefügt, wo nun die Unabhängigkeit des UEM betont und sich deutlich von den Inhalten des Berichts distanziert wird.
„Der UEM war während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit in seiner Arbeitsweise und inhaltlichen Schwerpunktsetzung unabhängig von Weisungen des BMI. Der Bericht spiegelt die unabhängige Position des UEM wider. Er ist keine amtliche Veröffentlichung, insbesondere kein Bericht des BMI oder der Bundesregierung. Das BMI macht sich die Inhalte des Berichts ausdrücklich nicht zu eigen.“
Zusätzlich wurden das Logo des Bundesinnenministeriums vom Cover und eine amtliche Artikelnummer aus dem Impressum des Berichts entfernt. In der ersten Version des UEM-Berichts war angegeben, dass die Publikation „im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung herausgegeben wurde“, was in der neuen Version weggelassen wurde.
Überdies wurde im Impressum ein Satz hinzugefügt, der klarstellt, dass die inhaltliche Verantwortung für den Bericht ausschließlich bei den ehemaligen Mitgliedern des UEM liegt, die die Autorinnen und Autoren des Berichts sind.
Die Änderungen im UEM-Bericht werfen die Frage auf, inwieweit das Bundesinnenministerium nun noch hinter dieser Studie steht. Durch die deutliche Distanzierung und die Entfernung offizieller Kennzeichen scheint das Ministerium sich auch von den Inhalten des Berichts zu distanzieren. Dies lässt Zweifel aufkommen, ob der Bericht und seine Empfehlungen in der politischen und gesellschaftlichen Praxis die notwendige Unterstützung finden werden.
Der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) wurde vom Innenministerium nach dem rassistischen Anschlag von Hanau ins Leben gerufen und veröffentlichte im Juni des vergangenen Jahres seinen Abschlussbericht. Es war der erste Bericht zur Muslimfeindlichkeit überhaupt, und die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass Feindlichkeit gegenüber Muslimen und dem Islam in Deutschland weitverbreitet sei.