Gaza

Deutschland verweigert medizinische Hilfe für Kinder aus Gaza

Rund 40 deutsche Krankenhäuser wollen Kinder aus Gaza medizinisch behandeln. Doch das Auswärtige Amt und das Innenministerium äußern Sicherheitsbedenken, die zu Verzögerungen führen. Muslime zeigen sich empört.

17
07
2024
Gaza - Nahostkonflikt 2023
Gaza - Nahostkonflikt 2023 © Anadolu Images Photographer: Belal Khaled, bearbeitet by iQ

Rund 40 deutsche Krankenhäuser haben sich bereit erklärt, Kinder aus Gaza medizinisch zu behandeln und die Kosten dafür zu übernehmen. Doch das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium äußerten Sicherheitsbedenken, die zu Verzögerungen führen. Die Bundesregierung stellt sich gegen die Einreise der Kinder und ihrer Eltern aufgrund von Sicherheitsbedenken.

„In den letzten Monaten haben Sicherheitsprüfungen im Gaza-Kontext deutlich gemacht, dass extremistische Einstellungen vorkommen können“, heißt es aus Regierungskreisen. Daniela Neuendorf von der „Refugees Foundation“ kann das nicht verstehen: „Es ist unerklärlich, warum andere Länder das hinkriegen und wir in Deutschland daran kapitulieren, 20 Kinder mit Begleitpersonen zu holen.“

Mehrere Hilfsorganisationen hatten monatelang für die medizinische Hilfe dieser Kinder gekämpft. Sie organisierten Spendengelder für Flüge, Visaanträge und die vollständige Kostenübernahme der Krankenhäuser. Doch das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium unterstützten die Einreise einer Begleitperson pro Kind nicht, was die Aktion vorerst stoppte.

Das Auswärtige Amt verstehe die Kritik nicht. „Deutschland ist der größte Geber für humanitäre Hilfe in Gaza. Bei all unserer humanitären Hilfe schauen wir darauf, die verwundbarsten Gruppen zu schützen – sehr oft sind das auch Kinder. Vor kurzem erst hat die Außenministerin weitere 19 Mio. humanitäre Hilfe für Gaza angekündigt, davon alleine 2 Mio. für die WHO sowie 4 Mio. für das Deutsche Rote Kreuz“, erklärte das Auswärtige Amt auf Anfrage von IslamiQ. Die medizinische Versorgung der Menschen in Gaza sei eine wichtige Priorität der Hilfe vor Ort.

Die Bundesregierung unterstütze zudem konkrete Hilfsprojekte zur Ausreise von verletzten Kindern aus Gaza. Dazu stehe das Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie das Auswärtige Amt im engen Austausch mit Hilfsorganisationen. Leider sei seit dem 6. Mai schon wegen der geschlossenen Grenze zu Ägypten eine Ausreise aus Gaza aus faktischen Gründen nicht möglich.

Unverständnis und Empörung

„Mit größtem Unverständnis und tiefer Empörung reagieren die Mitglieder des KRM auf die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern und des Auswärtigen Amts, die von verschiedenen Kliniken vollständig finanzierte Behandlung verletzter Kinder aus Gaza zu verhindern. Diese Entscheidung stellt eine humanitäre Bankrotterklärung dar und ist aus unserer Sicht zutiefst unmenschlich“, erklärt der Koordinationsrats der Muslime in einer aktuellen Pressemitteilungen.

Herzzerreißend sei, dass die Gliedmaßen einiger Kinder ohne die von den Ministerien verursachten Verzögerungen durch die Behandlung möglicherweise zu retten gewesen wären. Stattdessen müssten sie nun Amputationen über sich ergehen lassen, und einige der Kinder sollen tragischerweise sogar bereits verstorben sein. Besonders empörend sei, dass die Maßnahme an der Bedingung der Ministerien, dass keine Begleitpersonen aus Sicherheitsgründen mit den Kindern einreisen dürften, gescheitert sei. Diese Bedingung würde dazu führen, dass bereits mehrfach traumatisierte Kinder aus ihrem familiären und vertrauten Umfeld herausgerissen und über Monate bei Fremden in einem fremden Kulturkreis untergebracht würden, was die Traumatisierung der Kinder deutlich verschärfen würde.

Der Sprecher des Auswärtiges Amt sehe dabei keine Bankrotterklärung. „Zunächst haben wir leider die Situation, dass die Grenzen zwischen Gaza und Ägypten seit dem 6. Mai geschlossen sind. Deshalb ist derzeit aus faktischen Gründen gar keine Evakuierung verletzter Kinder möglich. Aber seien Sie versichert, dass wir, wenn das wieder möglich ist, auch daran arbeiten werden, dass Kinder mit einer Begleitperson nach Deutschland kommen können.

Muslime bieten Hilfe an

Für den Koordinationsrat der Muslime sei eine moralische Verpflichtung, diesen Kindern die notwendige Hilfe zukommen zu lassen, unabhängig von politischen Erwägungen. Daher bieten Muslime ihre Unterstützung bei der Aufnahme von Verletzten Kindern aus Gaza an. „Wir fordern das Bundesministerium des Innern und das Auswärtige Amt auf, ihre Entscheidung umgehend zu revidieren und den betroffenen Kindern die dringend benötigte medizinische Hilfe in Deutschland zu ermöglichen. Es ist unsere gemeinsame menschliche Pflicht, diese unschuldigen Opfer zu unterstützen und ihnen eine Chance auf ein gesundes Leben zu geben“, so der KRM abschließend.

Leserkommentare

Minimalist sagt:
Bei aller Tragik des Geschehens frage ich mich dennoch, warum diese Kinder keine medizinische Hilfe in den hyperreichen arabischen Golfstaaten erhalten. Dort wären sie ausserdem auch in keinem fremden Kulturkreis und befänden sich in vertrauterer Umgebung. Die megareichen Scheichs mit islamischer Glaubensausrichtung könnten problemlos jederzeit medizinisch erstklassig ausgestattete Klinik-Ambulanz-Flugzeuge losschicken und schnellstens Hilfe organisieren, wenn sie denn wollten. Verweigern diese extrem wohlhabenden islamischen Länder medizinische Hilfe für Kinder aus Gaza? Wo zeigt sich hier die helle Empörung muslimischer Kreise angesichts des verhaltenen Verhaltens jener Bruderländer Allahs? Ich kann da leider gar nichts vernehmen. Aber auf das Auswärtige Amt verbal eindreschen können, das geht immer und ist nichts neues. Warum wendet sich der Koordinationsrat der Muslime nicht auch direkt an die überreichen Scheichs und fordert dort mal umfangreiche Hilfsmaßnahmen mit Aufnahme von Flüchtlingen an?
18.07.24
0:13
grege sagt:
In der Berichterstattung von islamiq.de dominiert die hier in Deutschland angeblich grassierende Islamfeindlichkeit. Dann ist es doch konsequent muslimischen Palästinensern keine Zuflucht in diesem Land zuzumuten.
19.07.24
17:00