NACHGEFRAGT

„Die Grenze am Himmel“ verdeutlicht die Absurdität von Rassismus

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? IslamiQ liefert Antworten. Heute mit der Autorin Elif Zehra Kandemir.

20
08
2024
„Die Grenze am Himmel“ von Elif Zehra Kandemir
„Die Grenze am Himmel“ von Elif Zehra Kandemir

IslamiQ: Wem würden Sie Ihr Buch gerne schenken und warum?

Elif Zehra Kandemir: Ich würde mein Buch jenen Seelen schenken, die sich angesichts von großen und scheinbar unüberwindbaren Hürden klein und machtlos fühlen. Ich möchte, dass sie verstehen, dass dieses Gefühl der Ohnmacht nicht auf einen vermeintlichen „Mangel“ ihrer Person zurückzuführen ist, sondern auf ungerechte Strukturen, die sich über Jahrhunderte hinweg verfestigt haben.

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches wichtig?

Kandemir: Nachdem ich Mutter geworden bin, habe ich gelernt, wie wichtig es ist, auf die wachsenden Seelen unserer Kinder zu achten. Die Nahrung, die ein Kind zu sich nimmt, die angenehmen Düfte, die es wahrnimmt, und die Spiele, die seine motorischen Fähigkeiten fördern, tragen dazu bei, dass es sich wohl, ausgeglichen und für das Leben bereit fühlt. Allerdings könnte es dazu kommen, dass ihre Kinder aufgrund ihrer Haarfarbe, Hautfarbe oder einer vermeintlichen ethnischen Zugehörigkeit auf offener Straße oder in der Schule mit Hass konfrontiert werden.

Es ist von großer Bedeutung, die zerstörerische Wirkung dieses Hasses auf die Kinderseele zu verstehen, sie zu stärken und gemeinsam über diese Themen nachzudenken, besonders wenn es sich um rassifizierte Kinder handelt.

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Kandemir: Mein Buch „Die Grenze am Himmel“ vermittelt den Lesern und Leserinnen von Anfang an eine kraftvolle Botschaft: Kann es am Himmel tatsächlich eine Grenze geben? Bereits mit dem Titel nehmen die Leser und Leserinnen die Absurdität rassistischer Barrieren wahr und tragen dieses Bewusstsein durch das gesamte Buch. Ich glaube, dass dieses Gefühl die Seele nährt und erhebt.

IslamiQ: Ihr Buch in drei Wörtern zusammengefasst?

Kandemir: Humorvoll, empowernd, solidarisch.

IslamiQ: Ihr Buch behandelt das Thema Rassismus aus einer kindlichen Perspektive. Warum war es Ihnen wichtig, dieses Thema auf eine Weise zu vermitteln, die für junge Leser verständlich ist?

Kandemir: Als Erwachsene verfügen wir über mehr mentale und soziale Fähigkeiten, um rassistische Stereotype zu bewältigen. Doch Kinder betrachten die Welt aus einer Höhe von etwa 120 cm, und alles erscheint groß, hart und schmerzhaft. Es ist für mich eine moralische Verpflichtung, jungen Lesern und Leserinnen zu vermitteln, dass sie die Kraft haben, die rassistischen Grenzen zu überwinden.

IslamiQ: Die Grenze am Himmel ist eine starke Metapher. Was hat Sie dazu bewogen, Rassismus als etwas darzustellen, das surreal und unnatürlich ist? Glauben Sie, dass diese Darstellung Kindern hilft, die Absurdität von Rassismus besser zu verstehen?

Kandemir: Ich kann diese Frage mit einer Anekdote beantworten: In der Kita meiner Kinder gab es ein schwarzes Kind. Um meiner Tochter ein Bewusstsein zu vermitteln, dass die Hautfarbe keinen Unterschied in den zwischenmenschlichen Beziehungen spielt, habe ich ihr einen kurzen Vortrag vorbereitet. Meine Tochter sah mich an und fragte: „Mama, ich verstehe nicht. Warum sollte die Hautfarbe eines Menschen überhaupt ein Problem sein?“ Rassismus, rassistische Stereotypen und Barrieren sind für Kinder die absurdesten Dinge auf der Welt. Sie übernehmen diese Stereotypen von uns Erwachsenen und reproduzieren sie anschließend weiter. „Die Grenze am Himmel“ spricht genau diese Absurdität des Rassismus in der kindlichen Welt an und richtet sich daher direkt an diese Zielgruppe.

Leserkommentare

grege sagt:
Islamismus ist auch eine Form von Rassismus, die sich gegen Nichtmuslimie sowie Homosexuelle richtet. Bei dieser Form von Rassismus erlebt auf Seiten mancher Muslime, insbesondere hier im Forum, blinde Flecken.
20.08.24
19:22
Marco Polo sagt:
Dieses Buch könnte sicherlich auch in islamischen Republiken gute Dienste leisten und dort besonders jenen Seelen helfen, die sich klein und machtlos fühlen. Ungerechte Strukturen, die sich über Jahrhunderte verfestigt haben - kombiniert mit Gefühlen der Ohnmacht - zeichnen ja z.B. auch den Iran aus. Ist das Buch dort schon veröffentlicht worden oder liegen dafür schon konkrete Pläne vor? Das wäre sehr zu begrüßen. Vielleicht hat die leitende Redakteurin und Autorin Elif Zehra Kandemir dorthin auch gute Kontakte, die sie spielen lassen kann?
22.08.24
13:20