Umfrage

Berichterstattung über Gaza-Krieg – Kein Vertrauen in deutsche Medien

Die Berichterstattung über den Nahen Osten zwischen Israel und Palästina stößt auf herbe Kritik. Aufgrund einseitiger Berichterstattungen zugunsten Israels, hat jeder Zweite kein Vertrauen mehr in deutsche Medien.

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08
2024
Muslime in Medien - Deutsche Medien
Symbolbild: Medien in Deutschland © shutterstock, bearbeitet by iQ

Seit fast 11 Monaten greift die Israelische Armee vorwiegend Zivilisten in Gaza mit gezielten Angriffen an, bei der mindestens 40.000 Palästinenser getötet wurden, darunter eine erhebliche Anzahl von Kindern. Und seit fast 11 Monaten werden deutsche Medien für ihre Berichte immer wieder kritisiert: Deutsche Medien würden einseitig berichten, und zwar zugunsten Israels. Zuvor berichtete die Tagesschau darüber.

Das NDR-Medienmagazin ZAPP hat bei Infratest Dimap dazu eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: 48 Prozent aller Befragten, also jeder Zweite, hat wenig oder gar kein Vertrauen in die deutsche Berichterstattung zu den israelischen Angriffen in Gaza.

„Das ist ziemlich viel für eine Umfrage zum Medienvertrauen, die repräsentativ angelegt ist“, sagt Carola Richter. Sie ist Professorin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin, forscht dort unter anderem zum Thema Auslandsberichterstattung. Normalerweise gebe es immer ein gewisses Grundvertrauen in die Berichterstattung klassischer Medien: „Insofern ist das hier schon ein sehr bezeichnender Befund.“

Zahlen erschreckend und beängstigend

ARD-Chefredakteur Oliver Köhr findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein der öffentlich-rechtliche Rundfunk. „Insgesamt ist es aber tatsächlich beängstigend, dass so viele Menschen kein Vertrauen in die Berichterstattung haben.“ Ein weiteres Ergebnis der ZAPP-Umfrage: 31 Prozent finden, deutsche Medien ergriffen zu sehr Partei für Israel. 26 Prozent können oder wollen keine Angaben machen.

Ein Grund, für den Eindruck einer Unausgewogenheit zugunsten Israels sei der, dass unter anderem in den deutschen Medien Palästinensische Perspektiven zu wenig vorkämen. Um exemplarisch zu prüfen, ob dieser Eindruck stimmt, hat ZAPP sich alle Talkshows im Ersten und im ZDF angeschaut, die seit dem 7. Oktober bis Ende Juli gesendet wurden. In den 15 Talksendungen der ARD, die sich mit dem Krieg beschäftigten, gab es drei Gäste mit palästinensischem Hintergrund. Deutlich mehr, nämlich zehn Gäste, hatten die israelische Staatsangehörigkeit.

Warum es bei den Talkshows so eine Unausgewogenheit gäbe, sagt ARD-Chefredakteur Oliver Köhr: „Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen.“ Seiner Meinung nach würden die Talk-Redaktionen der ARD in aller Regel bei solchen Dingen auf Ausgewogenheit achten. „Eine deutliche Diskrepanz wäre mir aufgefallen.“

Springer: „Wir unterstützen das Existenzrecht des Staates Israel“

Eine Sonderrolle bei der Berichterstattung zu diesem Thema spielt der Axel-Springer Verlag. Zum Verlag gehören unter anderem die Zeitung und der Fernsehsender „Welt“ sowie die „Bild“, die auflagenstärkste Zeitung Deutschlands. Der Verlag hat eine eigene „Unternehmensverfassung“, sie besteht aus fünf Grundsätzen. Einer davon: „Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht des Staates Israel.“

„Die Solidarität mit dem jüdischen Volk und das Existenzrecht Israels, das ist, glaube ich, etwas, was viele andere Medien auch unterschreiben würden“, meint Carola Richter. Daraus leite Springer aber ab, dass man Palästinenser und alle, die sich kritisch gegenüber Israel äußern, „diskreditieren muss und dass man sozusagen dagegen dann auch anschreibt“.

Ein prominentes und viel kritisiertes Beispiel aus dem Mai: Als sich Lehrkräfte von Berliner Unis gegen polizeiliche Räumungen von pro-palästinensischen Studierenden-Protesten aussprechen, schreibt die Bild polemisch über „die Universitäter“ – inklusive Fotos und vollständige Namen der Lehrkräfte.

Der Springer-Verlag reagiert auf mehrere schriftliche Fragen von ZAPP lediglich mit einer pauschalen Antwort. Darin betont der Verlag, redaktionelle Unabhängigkeit sei eines seiner wichtigsten Prinzipien. „Zu dieser Unabhängigkeit gehört, dass die Redaktionen aus ihrer Sicht über die Politik der israelischen Regierung berichten, aber auch klar und deutlich über den Terrorangriff der Hamas und diesen relativierende antisemitische Aktivitäten.“

Narrative der rechtsextremen israelischen Regierungen werden nicht hinterfragt

Ein weiterer Vorwurf der Kritiker der deutschen Nahost-Berichterstattung: Narrative der in Teilen rechtsextremen israelischen Regierung oder der Armee würden in deutschen Medien immer wieder unhinterfragt übernommen. Beispiele dafür gibt es tatsächlich – in Zeitungen, in Online-Medien und auch in der tagesschau.

Am 10. Juli ruft die israelische Armee alle Bewohner von Gaza-Stadt auf, den Ort zu verlassen. Am gleichen Tag ist in der tagesschau um 14 Uhr Laura Goudkamp aus Tel Aviv zugeschaltet. Auf die Frage, wohin die Zivilisten denn fliehen sollten, verweist sie zunächst darauf, dass das israelische Militär dazu Informationen an die Bevölkerung von Gaza-Stadt geben würde. Später behauptet sie: „Und auch durch Mund zu Mund kommt natürlich die Information an, wo die Menschen durch einen sicheren Korridor die Stadt verlassen können, um dort dann in den Ausläufen der Stadt in Schutzbunkern unterkommen zu können.“

Soweit bekannt, gibt es in Gaza allerdings weder solche sicheren Fluchtkorridore noch Schutzbunker. Christian Limpert leitet das ARD-Studio in Tel Aviv, das inhaltlich für diese Schalte verantwortlich war. Er räumt ein: „Das ist ein Fehler, der so nicht passieren darf und der natürlich auch unseren Ruf als Studio massiv schädigt.“

Soziale Netzwerke statt traditionelle Medien

Es sind Beispiele wie diese, die in sozialen Netzwerken sofort geteilt werden, sich rasant verbreiten und Vertrauen kosten. Viele Menschen wenden sich schließlich ganz von traditionellen Medien ab und informieren sich nur noch über soziale Netzwerke.

Kommunikationswissenschaftlerin Carola Richter beobachtet hier einen grundsätzlichen Trend: „Es zeichnet sich ab, dass es eine Form von Fragmentierung in der Bevölkerung geben wird und damit eben auch, dass dann unterschiedliche Perspektiven gar nicht mehr miteinander in Bezug kommen.“

Leserkommentare

Dilaver_Ç. sagt:
Deutsche Medien und Politiker sind größtenteils Rassisten. Und das schon seit Jahrzehnten. Ergo gibt es keinen Grund, ihnen zu vertrauen. Ein Trost dass der Tag, an dem mit ihnen abgerechnet wird, immer näher rückt. Dann sitzen sie auf der Anklagebank und müssen sich vor Gericht verantworten.
29.08.24
19:46
grege sagt:
Sind denn muslimische Medien glaubwürdiger? In diesen wird gerne gegen Juden und Nichtmuslime gehetzt.
30.08.24
13:00
grege sagt:
Ein gedeihliches Miteinander kann nur dann stattfinden, wenn jeder zunächst seine eigenen Fehler und Mängel beseitigt, ehe er diese anderen vorwirt. Abgesehen von schlagzeilenträchtigen Terroranschlägen berichet Islamiq.de ausschließlich immer über antimuslimischen Rassismus, während muslimischer Rassismus / Extremismus in der Berichtersattung nichtexistent sind. Vor dem Hintergrund sollte sich gerade islamiq. de um eine ausgewogenere Berichterstattung bemühen, bevor islamiq.de anderen Medienunternehmen Vorhaltungen macht.
31.08.24
19:01
Marco Polo sagt:
Islamische Scharia-Gerichte haben in Deutschland und Europa definitiv nichts verloren und sind sowieso nicht diskutabel. Den (Staats-)Medien und Politikern, die gleichzeitig in die höchsten Religionsämter gehievt sind, in islamisch beherrschten Ländern Vertrauen schenken zu sollen, ist geradezu grotesk und absurd. Dazu zählen selbstverständlich diverse Ableger, welche die westliche Gesellschaft einseitig unterwandern und liebend gerne destabilisieren wollen. Deutsche Medien-Berichterstattung ist für mich hundert-fach glaubwürdiger, als hetzerische Internet-Medien von muslimischen Kalifat-Forderern und selbstherrlichen Untergrund-Imamen. Islamistische Hardliner gieren nach Blutrache-Aktivitäten, die an ein Inferno erinnern. Und all das mit archaischen Buchtexten aus grauer Vorzeit begründet. Religiöser Irrsinn und Wahn stellen eine ernste Bedrohung dar. Antiwestlicher Rassismus existiert schon lange Zeit und gehört explizit ausgemerzt. Ein Trost ist, daß immer mehr Menschen aufwachen und radikale Islamarbeit und destruktive Bestrebungen erkennen und aufdecken.
01.09.24
14:35