Sieben Bundesbeauftragte hatten am Dienstag sehr deutlich auf einen besseren Schutz diskriminierter Menschen gedrungen. Ein konkretes Angebot macht ihnen das Justizministerium aber bisher nicht.
Das Bundesjustizministerium will die öffentlich erhobenen Forderungen nach einer besseren Gesetzesgrundlage für diskriminierte Menschen in Deutschland nach eigenen Angaben nicht bewerten. Auf dpa-Anfrage verwies das Ministerium auf noch „laufende Überlegungen“ und erklärte, dass eine öffentliche Bewertung der Reformvorschläge, die mehrere Bundesbeauftragte zuvor unterbreitet hätten, „derzeit nicht vorgesehen“ sei. Außerdem teilte das Haus von Marco Buschmann (FDP) mit: „Die Überlegungen dazu, inwieweit sich Anpassungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes empfehlen, sind noch nicht abgeschlossen.“ Das Justizministerium sei dazu noch „im Gespräch mit verschiedenen Ressorts und Mitgliedern der Regierungsfraktionen“.
Am Dienstag hatten sieben Beauftragte des Bundes, darunter die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman und der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein, eine Reform des aktuell geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gefordert, um mehr Menschen als bisher vor Diskriminierung schützen zu können. Das bisherige Gesetz sei „schwach und lückenhaft“, hatte Ataman kritisiert und darauf gedrungen, dass künftig auch Fälle von Diskriminierung durch staatliche Behörden wie etwa Polizei oder Justiz vom Gesetz erfasst werden.
Bislang regelt das Gesetz vor allem Diskriminierung im Rahmen privater Rechtsbeziehungen. Eine weitere Forderung, die auch der Antisemitismusbeauftragte Klein besonders mit Blick auf israelische Staatsbürger betont hatte, war eine Ergänzung des AGG um das zusätzliche Diskriminierungsmerkmal „Staatsbürgerschaft“. Alle Beauftragten machten sehr deutlich, dass sie den Schutz diskriminierter Menschen in Deutschland aktuell für unzureichend halten.
Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Ali Mete, sprach in einer Mitteilung über Lücken im System: „Die IGMG schließt sich der Forderung nach einer umfassenden Reform des AGG an. Das Gesetz lässt Betroffene viel zu oft im Stich, verdonnert sie zur Hinnahme von Diskriminierung. Das schwächt nicht nur Betroffene, sondern – was noch schlimmer ist – stärkt die Täter. Entweder greift das Regelwerk nicht oder es setzt zu enge Fristen. Insbesondere das Fehlen eines Verbandsklagerechts führt dazu, dass Betroffene alleine gelassen werden. Was im Bereich des Umwelt-, Tier oder Verbraucherschutzes längst etabliert ist, fehlt ausgerechnet beim Diskriminierungsschutz.“
Wer in staatlichen Einrichtungen Diskriminierung erfahre, stehe komplett schutzlos da, erklärt Mete. Denn bei Ausgrenzung in Ämtern und Behörden „greife das Gesetz gar nicht“, so Mete. „Wer sich gegen Diskriminierung wehrt, wird zusätzlich vom Gesetz enttäuscht. Zu viele Verfahren scheitern an unmöglichen Beweislastregeln oder an verstrichenen Fristen. Antidiskriminierungsverbänden sind die Arme gebunden aufgrund des fehlenden Verbandsklagerechts. Dieses Gesetz war vor 18 Jahren ein wichtiger und überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Heute sind weitere Schritte nötig“, so Mete abschließend.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich eigentlich in den Koalitionsvertrag geschrieben, das AGG überarbeiten zu wollen. Konkret geschehen sei bislang aber nichts, kritisierte Ataman und machte dafür vor allem das Bundesjustizministerium verantwortlich.
Auch der Sozialverband Deutschland kritisierte die Haltung des Ministeriums scharf und sprach von „Lethargie“. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass die Bundesregierung hier hinter ihrem Koalitionsvertrag zurückbleibe, sagte die Vorsitzende Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur. Diskriminierung betreffe Millionen von Menschen in Deutschland – darunter 13 Millionen Menschen mit Behinderung, die unter vielerorts nicht existierender Barrierefreiheit leiden würden, erklärte Engelmeier. Hier müsse sich dringend etwas bewegen. (dpa, iQ)