Die Debatte nach der Messerattacke von Solingen hat aus Sicht von Politikforscher Botsch dazu beigetragen, dass sich die AfD in Sprache und Auftreten radikaler zeigt. Er sieht noch ein Phänomen.
Die AfD in Brandenburg ist nach Einschätzung des Extremismusforschers Gideon Botsch im Zuge der Migrationsdebatte radikaler geworden. „Die Sprache ist deutlich radikalisiert, das Auftreten ist deutlich radikalisiert und der Tendenz nach findet auch eine Nazifizierung statt“, sagte der Politikprofessor an der Universität Potsdam der Deutschen Presse-Agentur. Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt.
„Je schriller die Töne aus den demokratischen Parteien werden insbesondere in Zuwanderungsfragen und je absurder und hysterischer die vorgeschlagenen Maßnahmen werden, desto mehr radikalisiert die AfD ihre eigene Sprache“, sagte er. „Das sind die Sachen, die bisher hinter vorgehaltener Hand gesagt wurden.“ Der Verfassungsschutz Brandenburg stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.
Vor der Landtagswahl liegt die AfD in Umfragen vor der SPD – allerdings mit unterschiedlichem Abstand. Im ZDF-Politbarometer Extra von Freitag erreicht die AfD 29 Prozent, die SPD kommt auf 26 Prozent. Im Brandenburg-Trend für die ARD von Donnerstag liegt die AfD bei 27 Prozent, dicht gefolgt von der SPD mit 26 Prozent.
Wahlumfragen sind immer mit Unsicherheiten behaftet. Grundsätzlich spiegeln sie nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang.
Seit dem Anschlag in Solingen mit drei Toten wird über eine schärfere Asylpolitik debattiert. „Das ist das Themenfeld, das die AfD erfolgreich bespielen kann, vor allem, wenn die demokratischen Parteien ihr immer Gelegenheit und Vorlagen geben, um sich zu profilieren“, sagte der Forscher.
Die AfD hat nach seiner Einschätzung in Brandenburg einen hohen Anteil an Stammwählern. „Da verdichtet sich ein Milieu, in dem die AfD-Wahl eine Selbstverständlichkeit ist – und dieses Milieu wird zunehmend bestimmend in manchen Regionen des Landes Brandenburg und setzt diejenigen, die anders wählen wollen, durchaus unter Druck“, sagte Botsch.
„Es ist schwer geworden, in manchen Regionen und Ortschaften zu sagen: „Ich wähle eine der demokratischen Parteien.““ Stammwähler zu sein und aus Protest zu wählen, schließt sich nach Ansicht des Wissenschaftlers aber nicht aus. Dies hätten Nachwahlbefragungen vergangener Wahlen gezeigt.
Der Extremismusforscher sieht als Trend dieses Sommers „ein offenes Auftreten von jüngeren bis sehr jungen Personen im Umfeld der AfD, meistens männlich dominiert, aber auch Frauen darunter“. „Das überschneidet sich mit den jungen bis sehr jungen Männern, die für sich modisch einen Neonazi-Stil der vergangenen Jahrzehnte wiederentdeckt haben“, sagte Botsch.
Jüngere Anhänger sind aus der Sicht des Politikprofessors aber nicht entscheidend für die Wahl. Bei der Wahl in Thüringen hatte die AfD laut einer MDR-Analyse von Infratest dimap mit 38 Prozent einen besonders hohen Stimmenanteil bei den 18- bis 24-Jährigen. (dpa/iQ)