Berlin

„From the River to the Sea“ – Gericht stuft Parole erstmals als Kennzeichen des Terrors ein

Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs kommt es immer wieder zu Straftaten bei Demonstrationen oder im Netz. Nun steht propalästinensische Parole im Fokus juristischer Debatten.

09
11
2024
Gericht, Parole
Landgericht in Berlin © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Erstmals hat die umstrittene propalästinensische Parole „From the river to the sea, palestine will be free“ in einem Berliner Prozess zu einem Schuldspruch wegen Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen geführt. Das Landgericht verhängte eine Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 10 Euro (1.300 Euro) gegen eine 42-Jährige. Der Verteidiger kündigte bereits Revision an.

Strafgerichte gehen bundesweit bislang unterschiedlich mit der Bewertung der Parole um. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es bislang nicht. Mit dem nun erfolgten Richterspruch habe erstmals ein Landgericht im Kontext mit der Parole auf ein Verwenden von Kennzeichen einer terroristischen Organisation entschieden, sagte Staatsanwalt Tim Kaufmann am Rande. Das Urteil entsprach seinem Antrag.

Richterin: „Die Hamas hat sich den Spruch zu eigen gemacht“

„Die Hamas hat sich den Spruch zu eigen gemacht“, sagte die Vorsitzende Richterin Susann Wettley im Urteil gegen die 42-Jährige. Die Parole stelle ein Kennzeichen der Hamas dar. Insbesondere nach dem Überfall auf Israel am 7. Oktober vorigen Jahres werde der Spruch von der Bevölkerung mit der Hamas in Verbindung gebracht. Die Angeklagte habe die Parole über einen offenen Account verbreitet. Sie habe gewusst, dass es sich bei der Hamas um eine terroristische Organisation handelt.

Zudem wurde die Angeklagte des Verbreitens von Propagandamitteln einer terroristischen Organisation schuldig gesprochen. In dem Fall hatte sie ein Foto eines Hamas-Mitglieds mit zustimmenden Kommentaren und Emojis gepostet.

„Ich war damals mit Hamas verbunden“

Die 42-Jährige mit iranischer Staatsbürgerschaft hatte laut Anklage zwischen November und Dezember 2023 über ihr öffentlich einsehbares Instagram-Profil in drei Fällen strafbare Beiträge zum Nahost-Konflikt veröffentlicht. Dabei habe sie in zwei Fällen die der Terrororganisation Hamas zuzuordnenden Parole „From the river to the sea, palestine will be free“ gepostet. Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer – dort, wo sich jetzt Israel befindet.

Im Prozess distanzierte sich die Frau davon und sprach zudem von psychischen Problemen. „Ich war damals einfach krass mit Hamas verbunden, jetzt bin ich raus aus der Bubble“, sagte die Angeklagte. Sie sei nicht antisemitisch. Der Verteidiger sagte, seine Mandantin habe nicht die Sichtweisen einer Terrororganisation verbreiten wollen. Er plädierte in erster Linie auf Freispruch, hilfsweise auf eine Geldstrafe. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ethiker sagt:
Wer sich von den Teufeln einschüchtern lässt, ist ihr bester Helfer. Unerbitterlicher, unermüdlicher und unabbringbarer Widerstand gegen die Vernichtung von Sprache, Menschen und Natur ist der einzige Weg. Die Trennung von Wahrheit und Falschheit ist offenbar.
09.11.24
19:50
Salim Spohr sagt:
From the river to the sea. Auch wenn palästinafreundliche Gruppen dieses Lied singen, heißt das noch lange nicht, daß das Lied an sich der Hamas „zugeschrieben“ werden darf. Außerdem ist völlig offen, ob dieses „zugeschrieben“ rechtlich überhaupt relevant ist. Dann fragt sich, ob die Hamas wirklich zu Recht als „Terrororganisation“ begriffen werden kann, so man berücksichtigt, daß sie bloß die Antwort auf eine mehr als 70-jährige Terror-Herrschaft Israels über Palästina ist und deshalb zu Recht als „Befreiungsorganisation“ betrachtet werden kann. Ein Staatsanwalt und eine Richterin, die sich dieses Zusammenhanges indes nicht bewußt sind, müssen als unqualifiziert bzw. befangen oder angesichts dessen, daß nach einer neuen Statistik 70% der in Gaza Getöteten Frauen und Kinder waren, nurmehr als Feinde der Gerechtigkeit beurteilt werden.
10.11.24
14:41