Nach dem Tod des 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé während eines Polizeieinsatzes in Dortmund verhandelt das Schwurgericht gegen fünf Polizisten. Erstmals bringt die Staatsanwaltschaft nun den Vorwurf der fahrlässigen Tötung ins Gespräch.
Im Prozess um den Tod des 16 Jahre alten Mouhamed Lamine Dramé bei einem Polizeieinsatz in Dortmund hat die Staatsanwaltschaft erstmals eine neue rechtliche Bewertung ins Gespräch gebracht. Demnach könnte es sich bei der Tat vom 8. August 2022 auch um eine fahrlässige Tötung gehandelt haben. „Ich rege an, den Angeklagten entsprechende rechtliche Hinweise zu erteilen“, sagte die Sitzungsvertreterin vor dem Dortmunder Schwurgericht.
Mouhamed Lamine Dramé war im Innenhof einer Jugendeinrichtung von fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole der Polizei getroffen und tödlich verletzt worden. Mouhamed Lamine Dramé, ein Geflüchteter aus dem Senegal, soll sich mit einem Messer in der Hand auf mehrere Beamte zubewegt haben.
Eine Polizistin schilderte in einer früheren Vernehmung, dass der junge Geflüchtete einen Gegenstand in der Hand gehalten habe. Aufgrund von Büschen, die die Sicht der Einsatzkräfte einschränkten, konnte sie jedoch nicht erkennen, um was es sich dabei genau handelte. Unmittelbar nach dem Einnehmen ihrer Position hätten weitere Beamte Pfefferspray eingesetzt, wodurch eine „Sprühfontäne“ aus dem Gerät entwich. Ob Mouhamed Dramé dabei getroffen wurde, konnte die 24-Jährige vor Gericht nicht mit Sicherheit sagen. In ihrer ersten polizeilichen Aussage unmittelbar nach dem Vorfall hatte sie jedoch von einem langen Sprühstrahl berichtet, der den Jugendlichen am Hinterkopf getroffen habe.
Kurz darauf sei ein Taser eingesetzt worden, während Dramé noch an der Hauswand gelehnt habe. Die Drähte des Distanz-Elektroimpulsgeräts (DEIG) hätten anschließend im Zaun zwischen den Polizeikräften und dem 16-Jährigen gehangen. Nach dem Einsatz des Tasers habe Dramé keinen Gegenstand mehr in der Hand gehabt, erklärte ein Zeuge vor Gericht.
Wenig später sei Dramé schnellen Schrittes in Richtung der anderen Polizist gelaufen, die sich links von der Zeugin vor dem Zaun positioniert hatten. Kurz darauf habe sie drei Schussgeräusche wahrgenommen.
Die Staatsanwaltschaft hat fünf Polizeibeamte angeklagt. In der Anklageschrift waren die Delikte bisher als vorsätzliche Taten gewertet worden: Totschlag beziehungsweise gefährliche Körperverletzung im Amt.
Der Prozess vor dem Dortmunder Schwurgericht soll voraussichtlich noch im Dezember enden. Ob die Schwurgerichtskammer die angeregten rechtlichen Hinweise erteilt, ist bisher nicht entschieden. (dpa/iQ)