Wie hat sich die religiöse Sprache der muslimischen Gemeinschaft verändert? Wie kann sie den heutigen
Bedürfnissen der Muslime angepasst werden? Darüber haben Experten am Samstag in Köln diskutiert.
Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) und das Menar-Institut organisierten gemeinsam mit dem Islamrat in Deutschland eine Fachtagung zum Thema „Religiöse Sprache in pluralen Gesellschaften“. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die soziologischen Veränderungen innerhalb der muslimischen Gemeinschaften in Europa sowie die Bedeutung religiöser Sprache für die muslimische Gemeindearbeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
In seiner Eröffnungsrede betonte Abdullah Ergün, Direktor vom Menar-Institut, dass die religiöse Sprache der muslimischen Gemeinschaften in Europa universelle Werte und das Zusammenleben in den Vordergrund stelle. „Die religiöse Sprache der muslimischen Gemeinschaften in Europa ist heute von einem Ansatz geprägt, in dessen Mittelpunkt die Kultur des Zusammenlebens steht“, so Ergün.
Kemal Ergün, Vorsitzender der IGMG, hob in seiner Begrüßungsrede hervor, dass sich religiöse Sprache verändert und den Anforderungen der jeweiligen Zeit und Umgebung entsprechend aktualisiert werden müsse.
Prof. Dr. Mustafa Tekin von der Universität Istanbul thematisierte in seinem Input zur „Struktur und Definition der religiösen Sprache“, dass Religion weit über ein Regelwerk hinausgehe. Sie biete eine umfassende Perspektive auf das Leben und gebe Antworten auf existenzielle Fragen. „Religiöse Sprache basiert auf den grundlegenden Glaubenswahrheiten; sie kann nicht auf eine bestimmte historische Epoche begrenzt werden“, erklärte Tekin. Stilmittel wie Metaphern und symbolische Sprache könnten dabei die Ausdruckskraft religiöser Sprache bereichern.
Dr. Zübeyir Nişancı von der Marmara-Universität erklärte, wie religiöse Sprache das Individuum beeinflusst. Er hob hervor, dass die Wirkung einer Ansprache nicht nur von der Sprache selbst abhängt, sondern auch von der inneren Vorbereitung und einem tiefen Verständnis der Realität. Dabei warnte er: „Religion darf nicht als Besitz einer bestimmten Gruppe oder Nation dargestellt werden.“
Prof. Dr. Kadir Canatan von der Sabahattin Zaim Universität kritisierte, dass die gegenwärtige religiöse Sprache oft nicht in der Lage sei, aktuelle Herausforderungen zu adressieren. Unter Berufung auf Mehmet Akif Ersoys Worte, „den Islam in der heutigen Zeit verständlich zu machen“, forderte er eine leicht verständliche und emotionale Ansprache.
Im Rahmen der Fachtagung fanden zwei Panels statt. Im ersten Panel sprach Prof. Dr. Kadir Canatan über die „Wahrnehmung der Gemeinschaft in traditionellen und modernen Gesellschaften“. Prof. Dr. Mustafa Tekin, der stellvertretende IGMG-Vorsitzende Celil Yalınkılıç, der IGMG-Berater Mustafa Mullaoğlu und Mustafa Yüksel von der IGMG-Abteilung für religiöse Wegweisung traten als Diskutanten auf.
Celil Yalınkılıç betonte die Bedeutung von Gesprächszirkeln („Sohbet“) für die religiöse Bildung: „Gesprächszirkel sind eine gute Möglichkeit, um Wissen in einer freundschaftlichen Atmosphäre zu vermitteln.“ Mustafa Mullaoğlu fügte hinzu: „Der Islam kann nur mit seinen originären Begriffen vermittelt und verstanden werden.“ Es sei wichtig, die authentischen Begriffe des Islams zu bewahren und sie durch regionale und lokale Erklärungen zugänglich zu machen.
Das zweite Panel trug den Titel „Die religiöse Sprache in der digitalen Welt“. Die Soziologin Nazife Şişman hielt einen Inputvortrag, während Prof. Dr. Zübeyir Nişancı, Dr. Selman Dilek, die IGMG-Presseverantwortliche Ilknur Küçük und Abdulkadir Avcı von der IGMG-Moschee in Heilbronn als Diskutanten teilnahmen.
Nazife Şişman sprach über die Auswirkungen sozialer Medien auf die religiöse Sprache. Ilknur Küçük betonte, dass es wichtig sei, eine inklusive Sprache zu verwenden, die die Realität der Gesellschaft berücksichtigt. Selman Dilek hob hervor, dass Muslime die Herausforderungen der Menschheit unter dem Gesichtspunkt der Weisheit („Hikma“) betrachten müssen. Denn Weisheit bedeutet, den göttlichen Sinn auf der Welt zu suchen, so Dilek abschließend. Imam Abdulkadir Avcı ist der Ansicht, dass die „Reels-Welt“ der muslimischen Jugendlichen nur dann mit dem Islam gefüllt werden kann, wenn die Sprache verwendet wird, die die Jugendlichen in ihrer eigenen Gedankenwelt nutzen.
Die Fachtagung unterstrich einmal mehr die Notwendigkeit einer zeitgemäßen, universellen und inklusiven religiösen Sprache, die den sich wandelnden Bedürfnissen der muslimischen Gemeinschaften in Europa gerecht wird.