Israels Regierungschef Netanjahu preist die Streitkräfte seines Landes gerne als die „moralischste Armee der Welt“ an. Amnesty kommt in einem fast 300 Seiten langen Bericht zu einem anderen Ergebnis.
Amnesty International hat Israel Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vorgeworfen. Die israelische Armee habe im Zuge ihrer Militäroffensive Kriegsverbrechen begangen und absichtlich Leid und Zerstörung über die dort lebenden Menschen gebracht, teilte die Menschenrechtsorganisation mit. Sie legte einen fast 300 Seiten langen Bericht zu den Vorwürfen vor, den die israelische Regierung als „vollständig falsch“ bezeichnete.
Auslöser des aktuellen Gaza-Kriegs war der Angriff der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 mit 1.200 Toten und etwa 250 Verschleppten. Israel betont stets, Hamas-Kämpfer hätten Zivilisten als Schutzschild missbraucht, während Israel alles unternommen habe, Zivilisten zu schonen.
Amnesty betonte hingegen, Israel habe es darauf angelegt, die Palästinenser als Gruppe zu zerstören. Wer wie auch deutsche Rüstungsunternehmen Israel weiterhin Waffen liefere, laufe Gefahr, sich mitschuldig zu machen. Der Völkermord müsse sofort beendet, ein Waffenstillstand vereinbart und alle Geiseln freigelassen werden, forderte die Menschenrechtsorganisation.
Die israelische Regierung habe zahllose Mahnungen über die katastrophale humanitäre Lage ignoriert und sich über Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) hinweggesetzt, kritisierte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Der IGH hatte Israel aufgefordert, die humanitäre Versorgung im Gazastreifen sicherzustellen.
„Der israelische Staat beging und begeht Völkermord an Palästinensern im Gazastreifen“, sagte Amnestys internationale Generalsekretärin, Agnès Callamard, in Den Haag. Israel „hatte und hat die klare Absicht, Palästinenser im Gazastreifen auszulöschen“.
Das israelische Außenministerium beschrieb Amnesty International als eine «schändliche und fanatische Organisation». Es handele sich um einen „fabrizierten Bericht, der vollständig falsch ist und auf Lügen basiert“. Israel verteidige sich seit dem Hamas-Terrorangriff in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht.
Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, Ali Mete, begrüßt den Bericht von Amnesty International. Dieser liefere ausreichend Beweise, um Israel Völkermord im Gazastreifen vorzuwerfen. Mete betont weiterhin, dass führende Politiker nicht länger schweigen dürfen und die internationale Gemeinschaft ihrer Verantwortung für Menschenrechte und Völkerrecht gerecht werden muss. „Wenn das Völkerrecht heute nicht über politische Ziele gestellt wird, könnte die internationale Ordnung, deren Aufbau Jahrzehnte gedauert hat, zusammenbrechen und sich nie wieder erholen“, so Mete abschließend.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warf Amnesty International „Terrorrelativierung“ vor. Sich für ein Ende des Leids der Menschen in Gaza einzusetzen, sei ein menschliches Anliegen, sagte er laut Mitteilung. „Die dämonisierende Verurteilung Israels durch Amnesty International sprengt jedoch jeden Rahmen. Die Suggestion, dass die Organisation nun Beweise für einen angeblichen Völkermord anführen kann, ist unverantwortlich.“ Amnesty benenne die Hamas nicht als das, „was sie ist: eine mörderische Terrororganisation“.
Israel geht seit mehr als einem Jahr massiv mit Bodentruppen und Luftangriffen gegen die Hamas in dem mit mehr als zwei Millionen Einwohnern dicht besiedelten Küstenstreifen vor. Nach palästinensischen Angaben wurden bereits mehr als 44.500 Menschen getötet und rund 105.500 verletzt. Ein großer Teil der Wohnhäuser und Infrastruktur wurden zerstört. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot.