Das Land Rheinland-Pfalz hat einen Staatsvertrag mit Muslimen unterzeichnet. Er umfasst Regelungen zu islamischem Religionsunterricht, Feiertage und Bestattungen. Doch was wurde vereinbart?
Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat mit drei islamischen Religionsgemeinschaften – der Schura Rheinland-Pfalz, dem DITIB Landesverband Rheinland-Pfalz und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) – richtungsweisende Verträge geschlossen. Diese Abkommen basieren auf dem Grundrecht der Religionsfreiheit und der Anerkennung des Islam als festen Bestandteil des religiösen und gesellschaftlichen Lebens. Sie schaffen eine Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Land, stärken den interreligiösen Dialog und fördern die Integration.
Ziel der Vereinbarungen ist es, die Rechte und Pflichten der islamischen Gemeinschaften zu klären und Rahmenbedingungen für Bereiche wie Religionsunterricht, Seelsorge, Feiertagsregelungen und Moscheebau zu schaffen. Der Vertragstext der Schura dient dabei als Beispiel, da die Inhalte für alle drei Gemeinschaften nahezu identisch sind.
Die nachfolgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über die wichtigsten Regelungen und Vereinbarungen aus den Staatsverträgen.
Glaubensfreiheit und Selbstbestimmungsrecht: Das Land gewährleistet die Freiheit des muslimischen Glaubensbekenntnisses und der Ausübung. Die Schura wird als Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes anerkannt und verwaltet ihre Angelegenheiten eigenständig innerhalb der gesetzlichen Grenzen.
Gemeinsame Wertegrundlagen: Beide Parteien bekräftigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Basis ihrer Zusammenarbeit und fördern das gesellschaftliche Miteinander sowie die Teilhabe aller Menschen in Rheinland-Pfalz. Sie treten gemeinsam gegen Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Identität ein und bekämpfen antimuslimischen Rassismus, Antisemitismus und religiösen Extremismus.
Vertretung der Religionsgemeinschaft: Die Schura benennt eine Beauftragte oder einen Beauftragten zur Vertretung ihrer Anliegen gegenüber dem Land. Diese Person sollte in der Regel nicht Amtsträger eines ausländischen Staates sein oder dessen Weisungen unterliegen; Ausnahmen sind mit Zustimmung des Landes möglich.
Islamische Feiertage: Der Vertrag erkennt bestimmte islamische Feiertage an, darunter das Opferfest, das Ramadanfest und Aschura. Die Schura verpflichtet sich, die jährlich variierenden Daten dieser Feiertage mindestens zwei Jahre im Voraus dem zuständigen Ministerium mitzuteilen. Die Freistellung von Beamten, Beschäftigten, Auszubildenden und Schülern an diesen Tagen richtet sich nach den geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen.
Schulen und Tageseinrichtungen: Der Vertrag betont die Bedeutung der religiösen und kulturellen Vielfalt in Bildungseinrichtungen und fördert die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Tageseinrichtungen und der Schura. Ziel ist es, das Verständnis für den Islam zu stärken und interkulturelle Kompetenzen zu fördern.
Seelsorge: Es wird die Möglichkeit geschaffen, muslimische Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten und ähnlichen Einrichtungen anzubieten. Die Schura kann hierfür geeignete Personen benennen.
Beteiligung an Rundfunk und Medien: Die Schura erhält die Möglichkeit, an Rundfunk- und Medienangeboten mitzuwirken, um die religiösen Bedürfnisse der muslimischen Gemeinschaft zu berücksichtigen.
Bau und Betrieb von Moscheen: Der Vertrag erkennt das Recht der muslimischen Gemeinschaft auf Errichtung und Betrieb von Moscheen und Gebetsräumen an, unter Beachtung der geltenden Bau- und Sicherheitsvorschriften.
Islamische Bestattungen: Die Verträge sichern muslimischen Gemeinschaften das Recht zu, Bestattungen nach islamischen Riten durchzuführen. Dies umfasst u. a. die Möglichkeit, Gräber ohne zeitliche Begrenzung der Ruhefrist anzulegen, sofern es die örtlichen Gegebenheiten und Gesetze erlauben. Rheinland-Pfalz verpflichtet sich, die Voraussetzungen für solche Bestattungen zu unterstützen und dabei kulturelle und religiöse Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Islamischer Religionsunterricht: Es wird die Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen angestrebt. Dieser soll konfessionell geprägt sein und von Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, die sowohl fachlich qualifiziert als auch in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften stehen. Die Religionsgemeinschaften wirken an der Entwicklung von Lehrplänen und an der Auswahl des Lehrpersonals aktiv mit.
Islamische Theologie: Die Förderung der islamischen Theologie wird als zentraler Bestandteil der Ausbildung von Lehrkräften, Seelsorgern und weiteren religiösen Funktionsträgern betrachtet. Rheinland-Pfalz unterstützt die Entwicklung und den Ausbau islamischer Theologie an Hochschulen und arbeitet dabei eng mit den Religionsgemeinschaften zusammen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Universität Koblenz, die als Standort für ein entsprechendes Studienangebot etabliert werden soll. Ziel ist es, eine wissenschaftliche Basis für die islamische Theologie zu schaffen und dabei die Bedürfnisse der muslimischen Gemeinschaften zu berücksichtigen. Gleichzeitig soll die universitäre Theologie einen Beitrag zur interreligiösen Verständigung und zur Qualifizierung von Fachkräften leisten, die den islamischen Religionsunterricht und andere religiöse Aufgaben übernehmen können.
Das Schlussprotokoll ergänzt die Staatserträge durch konkrete Hinweise zur Umsetzung und Klärung sensibler Themen. Es unterstreicht die Zusammenarbeit bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts, der Förderung islamischer Theologie an der Universität Koblenz sowie bei praktischen Aspekten wie Bestattungen und Feiertagsregelungen.
Ein zentraler Punkt ist das klare Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und zur Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes. Beide Prinzipien werden von den Vertragsparteien als Grundlage für einen friedlichen und respektvollen Diskurs über den Nahostkonflikt anerkannt. Öffentliche Äußerungen zu internationalen Fragen sollen im Geist der Verantwortung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts erfolgen.
Die Umsetzung der Vereinbarungen erfolgt in einer Atmosphäre von Dialog, Toleranz und gegenseitigem Respekt.