BUNDESTAGSWAHL 2025

Scholz, Merz und Co. – Was die Spitzenkandidaten über den Islam denken

Am 23. Februar 2025 findet die Bundestagswahl statt. Das Rennen um die Kanzlerfrage spitzt sich zu. Doch wie stehen die Spitzenkandidaten zum Islam? IslamiQ porträtiert sie.

19
01
2025
0

In fünf Wochen wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Der Wahlkampf nimmt an Fahrt auf, doch die jüngsten Umfragewerte bringen neue Dynamik ins Spiel: Laut einer aktuellen Insa-Erhebung für die Bild am Sonntag fällt die Union erstmals seit April 2024 unter die 30-Prozent-Marke und liegt jetzt bei 29 Prozent. Die AfD behauptet mit 21 Prozent den zweiten Platz, verliert jedoch einen Punkt. SPD (16 Prozent) und Grüne (13 Prozent) halten ihre bisherigen Werte stabil. Das Bündnis Sahra Wagenknecht legt einen Punkt zu und kommt auf 7 Prozent, während die Linke auf 4 Prozent klettert. Die FDP erreicht mit 5 Prozent erneut knapp die Bundestagshürde.

Auch dieses Jahr steht das Thema Islam und Migration im Fokus des politischen Diskurses. Während einige Parteien die Integration und den Dialog mit muslimischen Gemeinschaften fördern wollen, warnen andere vor den Gefahren des (politischen) Islams und rufen zu strengeren Maßnahmen auf. 

Der Umgang mit Muslimen in Deutschland ist dabei längst nicht nur ein Thema der Migration, sondern betrifft auch Fragen von Religionsfreiheit, gesellschaftlichem Zusammenhalt und Sicherheitspolitik.

In den letzten Jahren haben extremistische Anschläge und der andauernde Gaza-Krieg die Debatte weiter angeheizt. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein dafür, dass Millionen Muslime seit Jahrzehnten Teil der deutschen Gesellschaft sind und maßgeblich zum wirtschaftlichen und kulturellen Leben beitragen. Die Positionen der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl verdeutlichen, wie die Ansichten über den Platz des Islams in Deutschland sind:

Olaf Scholz (SPD)

Olaf Scholz hat sich während seiner politischen Laufbahn immer wieder für den Dialog mit muslimischen Gemeinschaften ausgesprochen. Als Erster Bürgermeister von Hamburg setzte er 2012, die von der CDU-Landesregierung angestoßenenen Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften um, die die Rechte und Pflichten der muslimischen Gemeinden in der Stadt regelten. In einer Rede vor der Hamburgischen Bürgerschaft im Jahr 2017 betonte Scholz die Bedeutung der Religionsfreiheit und hob die Arbeit der Schura hervor, einem Zusammenschluss verschiedener muslimischer Gemeinden. Er unterstrich, dass ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft nur durch gegenseitigen Respekt und Toleranz möglich sei.

Scholz positionierte sich gegen Hassprediger. „Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger vor Bedrohungen schützen, ohne dabei die Rechte friedlicher Gläubiger einzuschränken“, sagte er in seiner Rede. Zudem sprach er sich für die Religionsfreiheit innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen Deutschlands.

Als Bundeskanzler zeigte Scholz auch Härte in sicherheitspolitischen Fragen. Nach extremistischen Anschlägen in Deutschland betonte er die Notwendigkeit, Extremisten konsequent zu verfolgen. Im Jahr 2024 sprach er sich zudem für strengere Abschieberegelungen aus, insbesondere für abgelehnte Asylbewerber mit extremistischen Verbindungen. Gleichzeitig machte er deutlich, dass der Kampf gegen den politischen Islam nicht mit einer pauschalen Ablehnung aller Muslime gleichgesetzt werden dürfe.

Im Dezember 2023 sprach Scholz auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin und verurteilte jede Form von Rassismus und Extremismus. Er betonte, dass Hass auf Muslime ebenso wenig akzeptabel sei wie Antisemitismus, und bekannte sich gleichzeitig zur Unterstützung Israels im Gaza-Krieg, auch nach den Berichten von Menschenrechtsorganisationen, die Israels Vorgehen als Völkermord deklarierten. 

Robert Habeck (Die Grünen)

Robert Habeck hat sich in der Vergangenheit immer wieder für Muslime eingesetzt und klare Stellung gegen Ausgrenzung bezogen. Bereits 2018 kritisierte er den damaligen Innenminister Horst Seehofer scharf, als dieser erklärte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Habeck forderte eine Entschuldigung von Seehofer und betonte, dass solche Aussagen Muslime ausgrenzen und die Gesellschaft spalten könnten.  Allerdings kam er in seiner Amtszeit als Vizekanzler nie mit islamischen Religionsgemeinschaften zusammen.

In einem Video nach dem 07. Oktober sorgte Habeck jedoch für erhebliche Diskussionen. Seine Rede wurde von breiten Teilen der politischen Landschaft als differenziert und staatsmännisch gefeiert, stieß jedoch auch auf Kritik, insbesondere von muslimischen Organisationen und migrantischen Stimmen. In seiner Rede warf Habeck islamischen Religionsgemeinschaften vor, sich nicht ausreichend von der Hamas distanziert zu haben, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits zahlreiche islamische Institutionen in Deutschland entsprechende Stellungnahmen veröffentlicht hatten. Kritiker warfen Habeck vor, pauschale Generalverdächtigungen gegen Muslime zu schüren und antimuslimische Ressentiments zu normalisieren.

Habecks Aussage, dass Muslime den Schutz vor rechtsextremer Gewalt nur dann verdienten, wenn sie sich schützend vor Jüdinnen und Juden stellten, wurde als problematisch eingestuft. Kritiker:innen merkten an, dass Grundrechte wie der Schutz vor Gewalt bedingungslos seien und nicht vom Verhalten bestimmter Gruppen abhängen dürften. Dennoch bleibt Habeck bei seiner Position, dass Antisemitismus in allen Bereichen der Gesellschaft konsequent bekämpft werden müsse, ohne dabei Hass auf Muslime zu schüren.

Habeck sieht den Islam als Teil der deutschen Realität und fordert ein friedliches Zusammenleben auf Basis gemeinsamer Werte. In verschiedenen Reden hob er hervor, dass die Akzeptanz der deutschen Rechtsordnung essenziell sei und es keinen Raum für Scharia-Recht auf deutschem Boden gebe. Er betonte, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion, die gleichen Rechte und Pflichten hätten.

Friedrich Merz (CDU)

Friedrich Merz ist bekannt für seine kontroversen Äußerungen zum Thema Integration und Leitkultur. Merz betont, dass Zuwanderer, die in Deutschland leben wollen, sich den kulturellen Grundvorstellungen des Landes anpassen müssten. Unter seiner Führung arbeitete die CDU 2023 an einem neuen Grundsatzprogramm, in dem die Rolle des Islam in Deutschland neu definiert wurde. Während Muslime als Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands anerkannt wurden, wurde klargestellt, dass ein Islam, der die freiheitliche Gesellschaft ablehnt, nicht zu Deutschland gehört. Dieser Zusatz wurde allerdings nur bei Muslimen und dem Islam getätigt. Merz forderte zudem Alternativen zur Auslandsfinanzierung von Moscheen und die Ausbildung deutschsprachiger Imame an deutschen Hochschulen.

Merz äußerte sich mehrfach kritisch zur Aufnahme von Flüchtlingen aus islamisch geprägten Ländern und sprach sich für strengere Maßnahmen zur Abschiebung und Grenzkontrollen aus. Nach extremistischen Anschlägen in Deutschland forderte er ein härteres Vorgehen gegen Straftäter mit Migrationshintergrund.

Kritiker sehen in Merz einen Politiker, der Ängste vor dem Islam schürt und die gesellschaftliche Spaltung fördert. Befürworter hingegen loben seinen klaren Kurs gegen Extremismus und seine Forderung nach mehr Anpassung von Zuwanderern an deutsche Werte.

Alice Weidel (AfD)

Alice Weidel von der AfD ist eine der schärfsten Kritikerinnen des Islam in Deutschland. Bereits 2016 schrieb sie in einem Gastbeitrag für die „Junge Freiheit“, dass das muslimische Gemeinwesen auf die Errichtung eines Gottesstaates ausgerichtet sei. Sie warnte vor einer schleichenden Islamisierung der Gesellschaft und forderte in mehreren öffentlichen Auftritten ein Verbot des Kopftuchs in der Öffentlichkeit. Weidel verglich das Kopftuch mit der Apartheid und betonte, dass es nicht zu Deutschland gehöre.

In einer Rede im Bundestag 2018 kritisierte sie muslimische Einwanderer und erklärte, dass sie nicht zur Sicherung des deutschen Wohlstands beitragen könnten. Sie verteidigte zudem ihre Parteikollegin Beatrix von Storch, die wegen eines anti-muslimischen Tweets zeitweise von Twitter gesperrt worden war. Weidel betonte, dass die AfD die einzige Partei sei, die sich gegen die Islamisierung wende und damit auch Homosexuelle in Deutschland schütze.

Nach extremistischen Anschlägen sprach Weidel sich für ein konsequenteres Vorgehen gegen islamistischen Extremismus aus. Sie warnt regelmäßig vor Parallelgesellschaften und fordert eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Hasspredigern.