









Rechtsextreme Drohmails legen Teile des Schulbetriebs in Duisburg lahm. Während die Polizei Präsenz zeigt, lassen viele Eltern ihre Kinder aus Sorge zuhause.
Die Stadt Duisburg steht unter Schock: Nach mehreren rechtsextremen Drohmails an weiterführende Schulen hat die Stadt heute zahlreiche Schulstandorte vorsorglich geschlossen. Die Polizei zeigt verstärkte Präsenz und ermittelt wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Bedrohung und Störung des öffentlichen Friedens.
Wie nun bekannt wurde, gingen die anonymen E-Mails bereits am Wochenende bei verschiedenen Schulen ein – verfasst in offen rassistischer Sprache und mit klaren Drohungen. Unter anderem waren die Lise-Meitner-Gesamtschule, die Theodor-König-Gesamtschule und die Green-Gesamtschule namentlich genannt.
In einem der Schreiben, was der IslamiQ-Redaktion vorliegt, heißt es wörtlich: „Mit ihrer Mithilfe können wir dem heutigen, korrupten und migrantischem Deutschland […] ein Ende bereiten und uns das Deutschland zurückholen, wofür unsere Vorfahren in den letzten Jahrhunderten gekämpft haben.“ Und weiter: „Helfen Sie mit und unterstützen Sie die Weiße Vertreterschaft!“ Ein weiteres Schreiben, das in der Nacht zum Samstag versendet wurde, beginnt mit den Worten: „Liebe Oberhäupte der Bildungsstätten der Kanacken, es wird kein Ende geben, bis die Weiße Vertreterschaft ihr Ziel erreicht.“
Die Täter fordern in ihren Schreiben Unterstützung für eine sogenannte „Weiße Vertreterschaft“ – ein Begriff, der eindeutig in die Ideologie des White Supremacy einzuordnen ist. Zudem listen die Verfasser gezielt Schulen mit hohem Migrationsanteil auf, darunter die Aletta-Haniel-Gesamtschule, Erich Kästner-Gesamtschule, Gesamtschule Duisburg-Meiderich und weitere Einrichtungen.
Während einige Schulen komplett geschlossen blieben, fand an Grundschulen und nicht direkt betroffenen Einrichtungen regulärer Unterricht statt – zumindest offiziell. Viele Eltern fühlten sich mit dieser Einschätzung allein gelassen und zogen persönliche Konsequenzen. Eine Mutter berichtet gegenüber IslamiQ: „Wir haben heute früh eine E-Mail von der Schule erhalten. Dort heißt es, dass die Bedrohungslage an den anderen Schulen nicht für Grundschulen gilt und regulär Unterricht stattfindet. Eine Abmeldung für heute würde aber als eine regulär entschuldigte Abmeldung gelten. Wir haben uns dafür entschieden, dass die Kinder heute zu Hause bleiben.“
Ein anderer Elternteil schildert die innere Zerrissenheit, die viele betrifft: „Mir ist klar, dass immer und überall etwas passieren kann. Doch nachdem ich den Inhalt der Drohmail gesehen habe, musste ich einmal schlucken. Da sagt mir mein Bauchgefühl als Mutter: Es ist besser, dass die Kinder einen Tag aussetzen.“ Auch Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden wurde laut: „Ich bin keine Sicherheitsexpertin, aber ich bin davon überzeugt, dass in der Vergangenheit unzureichende Maßnahmen zu schlimmen Vorfällen führten. Daher finde ich es wichtig, das Bauchgefühl nicht zu unterschätzen – zumal das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden beim Thema Rechtsextremismus sehr schwankt. Beispiel Hanau, Solingen…“
In den digitalen Schulgruppen entbrannte bereits am Sonntagabend eine kontroverse Debatte. „Da sind die Meinungen und Sichtweisen sehr unterschiedlich“, erklärt eine Mutter. „Eine zeigte Verständnis für meine Entscheidung, die Kinder zuhause zu lassen. Sie meinte, sie würde das auch nicht riskieren – besonders nicht, wenn sie Migrationshintergründe hätte. Eine andere Mutter wies dagegen auf die Schulpflicht hin und meinte, man könne die Kinder nicht einfach so abmelden, ohne dass die Schulleitung das explizit äußert.“ Eine Stimme bringt das Dilemma auf den Punkt: „Wenn es eine Bedrohung an einer Schule gibt, kann man nicht unterscheiden zwischen Max und Murat. Das Ganze gab mir das Gefühl, dass rechtsextreme Bedrohung nicht wirklich ernst genommen wird.“
Laut Polizei liegt keine konkrete Gefahrenlage vor, dennoch wolle man „jede Möglichkeit einer Eskalation unterbinden“. An allen betroffenen Schulen sind am Montag Polizistinnen und Polizisten vor Ort, um die Lage zu sichern und das Sicherheitsgefühl bei Schülern und Eltern zu stärken. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Ein Sprecher der Polizei sprach von einem „klaren Fall von Hasskriminalität“.
Zahlreiche Schulen organisierten kurzfristig Distanzunterricht. Andere – wie das Landfermann-Gymnasium – überließen es den Eltern, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken. Eine einheitliche Linie gibt es nicht. Viele Eltern erfuhren erst über die Websites oder über Messenger-Gruppen von der Schließung. Einige Schüler:innen standen trotz allem heute Morgen vor verschlossenen Schultoren.
Die Stadt Duisburg hat sich bislang noch nicht offiziell geäußert. Aus der Zivilgesellschaft gibt es jedoch klare Worte: Der Integrationsrat Duisburg verurteilte die Drohmails scharf und sprach von einem „alarmierenden Angriff auf unsere vielfältige Stadtgesellschaft“.
Auch das Bündnis „Duisburg stellt sich quer“ kündigte eine Kundgebung für den kommenden Freitag an. „Wer Schulen bedroht, trifft das Herz unserer Gesellschaft“, heißt es in einem ersten Statement.