Der Schweizer Muslim Aziz O. klagt gegen den gemeinsamen Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen an Basler Schulen. Das Urteil im Fall könnte wegweisend für alle Muslime in Europa sein.
Aziz O. ist aktiv in der muslimischen Community in der Schweiz. Er ist Sekretär einer muslimischen Gemeinde in Basel und weigert sich seit einigen Jahren seine beiden Töchter (12 und 14 Jahre) zum koedukativen Schwimmunterricht zu schicken – aus religiösen Gründen.
Dafür hat Aziz O. mehrmals Bußgelder von der Schulbehörde der Stadt erhalten. Er klagte gegen die Stadt Basel und verlor in allen Instanzen – zuletzt vor dem Bundesgericht im März 2012.
Jetzt hat der Muslim über seine Anwältin den Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingeschlagen. Aziz O. fühlt sich in seiner Religionsfreiheit eingeschränkt und will erreichen, dass seine Töchter nicht zum gemischten Schwimmunterricht müssen. Er reichte in Brüssel Klage gegen die Stadt ein und will zusätzlich erreichen, dass die Bußgelder zurückgenommen werden.
Seit einer Änderung des Schulgesetzes in Basel aus dem Jahr 2009 ist es der Schulbehörde möglich, beim unentschuldigten fernbleiben vom gemischten Schwimmunterricht Bußgelder auszusprechen. Derzeit liegt die Summe für ein Bußgeld bei umgerechnet 287 Euro. Grundlage für diese Bußgelder ist eine Entscheidung des Bundesgerichts aus dem Jahr 2008.
Aziz O. ist kein Einzelfall. In Basel weigern sich mehrere Familien, ihre Kinder zum gemischten Schwimmunterricht zu schicken. Dafür werden dann auch Bußgelder in Kauf genommen. Ein muslimischer Geschäftsmann übernimmt diese teilweise sogar, weil er gegen die Praxis protestieren und Muslime in ihrer Religionsfreiheit bestärken möchte.
Sollte Aziz O. mit seinem Anliegen vor dem EGMR Recht bekommen, müsste die bisherige Praxis in der Handhabung von Schwimmunterricht-Verweigerern in Basel und in ganz Europa überdacht und verändert werden. Es würde sich um ein Wegweisendes Urteil handeln, dass auch für die bisherige Praxis in Deutschland Auswirkungen haben könnte.
Andererseits könnte ein erneutes Scheitern auch negative Folgen für alle Muslime innerhalb der EU haben. Während es in einigen Ländern beispielsweise ein klares Gebot für die Teilnahme am gemischten Schwimmunterricht gibt, gibt es auch EU-Länder, die diese Praxis lockerer handhaben und das fernbleiben aus religiösen Gründen akzeptieren. In vielen EU-Staaten werden oft in solchen Konflikt-Fällen außergerichtliche Lösungen gesucht.
Muslimische Religionsgemeinschaften in Deutschland plädieren seit Jahren dafür, dass der Schwimmunterricht stattfinden und alle dran teilnehmen sollten – allerdings wird ein Unterricht bei der Jungen und Mädchen getrennt voneinander unterrichtet werden, befürwortet. In manchen Bundesländern müssen Mädchen mit einem Burqini am Schwimmunterricht teilnehmen. Dagegen gibt es häufiger Klagen, weil sich auch hierzulande Muslime in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt fühlen.
Wann der Fall von Aziz O. und seiner Töchter vor dem EGMR verhandelt wird, steht noch nicht fest.