Flüchtlingskrise in Südostasien: Tausende Menschen driften in teils kaum seetüchtigen Booten auf dem Meer. Niemand will sie aufnehmen. Es handelt sich überwiegend um Angehörige der muslimischen Rohingya, Eine Rettungsaktion gibt es nicht.
In Südostasien driften nach Angaben von Menschenrechtlern Tausende Flüchtlinge hilflos im Meer. Es handelt sich überwiegend um Angehörige der muslimischen Rohingya, die in ihrer Heimat Myanmar verfolgt werden, berichtete die zwischenstaatliche Organisation für Migration (IOM) am Dienstag. „Wir gehen davon aus, dass rund 8000 Menschen auf hoher See treiben“, sagte der Chef des IOM-Thailand-Büros, Jeff Labovitz, am Dienstag in Bangkok. Die Schätzungen beruhten auf Angaben von IOM-Mitarbeitern in Myanmar. Dort seien im März 3000 und im April 5000 Menschen per Boot geflüchtet. Viele werden von Schleppern wochenlang an Bord gehalten.
Die Rohingya sind eine nicht anerkannte muslimische Minderheit im buddhistischen Myanmar in Südostasien. Ihre Zahl wird auf rund eine Million geschätzt. Die britischen Kolonialherren brachten ihre Vorfahren teils vor mehr als 150 Jahren aus dem heutigen Bangladesch in die Rakhine- oder Rakhaing-Region am Golf von Bengalen. Die Behörden Myanmars verweigern ihnen die Staatsbürgerschaft. Seit der Öffnung des Landes nach dem Ende der Militärdiktatur 2011 schüren vor allem buddhistische Mönche den Hass auf die Bevölkerungsgruppe.
Ihre Lage sei prekär, sagte Labovitz: Die Boote seien überfüllt, es gebe nicht genug zu essen und zu trinken und Krankheiten breiteten sich aus. Er rief die Behörden Thailands, Malaysias und Indonesiens auf, die Menschen an Land zu lassen. Seit Sonntag waren mehr als 1500 teils sehr geschwächte Flüchtlinge in Indonesien und Malaysia an Land gekommen. Sie werden dort als illegale Migranten betrachtet und in Internierungslager gebracht.
Die indonesische Marine schleppte ein Boot mit Hunderten Flüchtlingen aufs offene Meer hinaus, wie ein Sprecher am Dienstag sagte. Er rechtfertigte die Aktion, weil die Menschen an Bord nicht wirklich nach Indonesien wollten, wie er behauptete. Die Marine habe sie mit Essen und Trinken versorgt. „Sie sahen nicht so aus, als ob sie in Gefahr wären“ sagte der Sprecher Manahan Simorangkir.
Der Kapitän eines anderen Bootes habe die Flüchtlinge am Sonntag ihrem Schicksal überlassen und sei geflüchtet, berichtete ein IOM-Sprecher in Indonesien. „Er sprang in ein Schnellboot, das an dem Flüchtlingsboot hing“, sagte Marc Getchell. Er berief sich auf Angaben von Überlebenden an Bord. Sie schafften es, dass Boot an einen Strand in Aceh zu bugsieren. „Menschenschmuggler sind rücksichtslos“, sagte er. Die Krise hat sich plötzlich verschärft, weil Thailand nach der Entdeckung von Massengräbern mit sterblichen Überresten von Flüchtlingen an der Küste Razzien durchführt. Vorher hatten Schlepper Tausende Menschen ans thailändische Festland gebracht.
Bei schweren Unruhen 2012 kamen mehr als 70 Menschen um, 140 000 Rohingya wurden aus ihren Häusern vertrieben und von den Behörden in überfüllte Lager gepfercht. Sie leben dort bis heute hinter Stacheldraht. Zehntausende Rohingya fliehen per Boot. Viele geraten in die Hände thailändischer Schlepper und müssen in sklavenähnlichen Verhältnissen auf Fischerbooten schuften. Andere erreichen Thailand oder Malaysia und werden als illegale Migranten dort ausgenutzt.
Neben Rohingya sind nach IOM-Angaben auch Menschen aus Myanmars armem Nachbarland Bangladesch unter den Flüchtlingen. Dort ist die Polizei im Großeinsatz gegen Menschenschmuggler. In den vergangenen Tagen seien mindestens fünf Menschenhändler getötet worden, berichteten die Behörden. 2014 hätten Sicherheitskräfte mehr als 1000 Flüchtlinge aus den Händen der Schmuggler befreit, sagte ein Polizeisprecher. Auch in diesem Jahr seien zahlreiche Flüchtlinge gerettet und Dutzende Menschenhändler festgenommen worden. (dpa)