In einem Interview fordert der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi Muslime dazu auf, die „Gewaltaspekte“ des Propheten Muhammad nicht auszublenden und sagt, dass der Islam einer „kritikfähigen Aufklärung“ hinterherhinkt. Dr. Ali Özgür Özdil kommentiert die Aussagen Ourghis.
Der Freiburger Islamwissenschaftler Ourghi fordert(!) „die Muslime“ in einem Interview mit dem Bonner „General-Anzeiger“ dazu auf, „Gewaltaspekte Mohammeds“ nicht auszublenden. Haben wir da etwas verpasst? Gerade jene, die Gewalt verüben, suchen doch die Legitimation in der Religion und finden dazu – aus dem Kontext gerissene – Verse und Überlieferungen. Von einem Ausblenden kann also – wenn man die aktuellen Geschehnisse aufmerksam beobachtet, in keiner Weise die Rede sein.
Es ist auch auffällig, wie oft der Islam in dem Interview kritisiert wird. Dem Leser drängt sich der Eindruck auf, dass der Autor über (s)ein bestimmtes, eindeutiges Islamverständnis verfügt, das er zum Maßstab seiner Kritik erhebt. Nicht anders könnten Fundamentalisten argumentieren, wenn sie „der Islam“ sagen und natürlich nur ihre Version meinen.
Wenn Ourghi die gewaltbereiten Muslime meint oder eben jene, die ein rigoroses Islamverständnis vertreten, dann dürfte er die Mehrheit der Muslime hinter sich wissen. Wer aber pauschalisiert und etwa von einem „Herrschaftsanspruch des Islam“, einem „universalen Wahrheitsanspruch des Islam“, „die Scharia“ usw. spricht, muss am Ende den Eindruck erwecken: Hier sagt wieder einmal jemand genau das, was er glaubt, was die Mehrheitsgesellschaft gerne hören will.
Die muslimischen Dachverbände würden fremd gesteuert sein und die Alternative sei das auf Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung gegründete Muslimische Forum Deutschland. Man will ja einen Wissenschaftler ernst nehmen, weil man seine guten Absichten nicht in Abrede stellen will, aber es drängt sich automatisch die Frage auf, ob es auch eine Alternative für die Katholische Kirche gibt, die ja auch nicht gänzlich autonom ist?
Abgesehen von der bedenklichen Methodik Ourghis muss man sich inhaltlichen Fragen stellen, nämlich ob der Prophet, wie Ourghi behauptet „immer wieder Gewaltmaßnahmen gegen Andersgläubige, gegen Juden und Christen ergriffen“ hat. Was für „Gewaltmaßnahmen“ waren das im Konkreten und was meint er mit „immer wieder“ und vor allem gegen welche Christen? Herr Ourghi bleibt eine Antwort schuldig und das ist alles andere als wissenschaftlich. Sollte er nicht den Kontext berücksichtigen, kann eine solche Argumentation nur als fundamentalistisch gedeutet werden.
Wie ernst sind also solche Äußerungen zu nehmen, die im Grunde nichts neues in die Debatte einbringen? Er sagt, was bereits viele andere vor ihm ebenso pauschal „dem Islam“ oder „den Muslimen“ vorgeworfen haben, mit noch nicht einmal neuen Begriffen und Beispielen. Da es sich um ein Interview handelt, kann Ourghi ja auch vielleicht falsch wiedergegeben worden sein.
Am Ende wird aber dennoch nur ein Motiv klar, für das die Begriffe und Beispiele als Mittel dienen: man benötige einen Rat der Muslime, wo Vertreter aller Couleur zugelassen sind, und das habe mit dem Muslimischen Forum Deutschland begonnen. Wenn die gesellschaftliche Legitimation dieses Forums auf diese Weise, wie Ourghi es betreibt, versucht wird, dann ist das alles andere als ein sinnvolles Vorgehen. Man kann nicht anderen ein dualistisches Weltbild vorwerfen und polarisierend auf sich verweisen.
Ich erhoffe mir durch diese offene Kritik ebenso ein Umdenken unter jenen, die sich als „liberal“ verstehen (auch wenn sie von der „konservativen“ KAS gefördert werden), wie sie es von jenen verlangen, die sie als „konservativ“ als Konkurrenz wahrnehmen. Es ist bekannt, dass ein gemeinsamer Feind selbst jene, die uneins sind, eint. Aber steht das nicht im Widerspruch zur, von Ourghis selbst geforderten ethisch-humanistischen Kraft?