IslamiQ befragte die einzelnen Vertreter der im Koordinationsrat der Muslime (KRM) vertretenen Religionsgemeinschaften. Es geht um die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des KRM. Heute Nurhan Soykan vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD).
IslamiQ: Es wird kritisiert, dass in Zeiten der Islamkritik ein sechsmonatiger KRM-Sprecherwechsel zu Irritationen führt, da man sich immer wieder an eine neue Figur gewöhnen muss. Ist diese Kritik verständlich?
Nurhan Soykan: Islamkritik ist leider keine Epoche, es wird sie wohl immer geben. Der kurzzeitige Sprecherwechsel ist eher ein internes Problem, da angefangene Sachverhalte meist nicht vom selben Sprecher zu Ende gebracht werden können und der Informationsaustausch manchmal nicht einwandfrei verläuft. Für Außenstehende ist die Adresse der Geschäftsstelle und der Sprecher als Ansprechpartner verbindlich. Der Wechsel spiegelt die Vielfalt wieder.
IslamiQ: Bekir Alboğa sagt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Es hat leider in den letzten zwei, drei Jahren bestimmte Störungen seitens bestimmter Dachverbände gegeben“. Man möchte aber an der Einheit festhalten. Wie ist das zu verstehen?
Soykan: Ich möchte ungern seine Aussage kommentieren, da sollte er doch lieber selbst gefragt werden. Letztendlich heißt es aber, dass es Unstimmigkeiten gegeben hat, man aber dennoch an der Zusammenarbeit festhält. Dieser Satz gilt wohl für alle Vertreter des KRM.
IslamiQ: Muslimischen Organisationen in Deutschland wird oft vorgeworfen, sie seien ihren ursprünglichen Heimatländern zu sehr verbunden und ließen sich von diesen beeinflussen. Würden Sie einen Einfluss dieser Art negativ bewerten?
Soykan: Nein, die Verbundenheit zu den Herkunftsländern ist auch eine kulturelle, sprachliche und religiöse Bindung, die durchaus eine Bereicherung ist und gepflegt werden muss. Allerdings muss man auch Jugendlichen, die diese Bindung verloren haben, oder nie gehabt haben, gerecht werden. Weiterhin besteht bei vielen eine Doppelidentität, sie sind deutsche Muslime mit Migrationshintergrund. Daher fordert der ZMD deutsche Predigten, in Deutschland ausgebildete Imame und inländische Finanzierung, um auch die Identität der deutschen Muslime zu fördern. Das ist der Fokus des ZMD, bei anderen Religionsgemeinschaften mag der Schwerpunkt eher auf der Pflege der Herkunftskultur liegen, das ist eine willkommene Ergänzung und darf nicht als Konkurrenz verstanden werden.
IslamiQ: Die junge Islamkonferenz Deutschland bemängelt, dass die islamischen Religionsgemeinschaften mehrheitlich die Interessen der ersten und zweiten Generation der muslimischen Einwanderer vertreten würden. Heute seien 50 Prozent der Muslime unter 25 Jahren. Wie sehen Sie das?
Soykan: Dann kennt die junge Islamkonferenz unsere Gemeinden wohl nicht wirklich. In den allermeisten Moscheen gibt es auch Jugendliche, die eine gute Jugendarbeit machen. Es gibt leider auch Generationenkonflikte, den Jugendlichen wird nicht überall genügend Aufmerksamkeit erwiesen oder Kompetenzen übertragen. Daher haben sich viele muslimische Jugendorganisationen außerhalb der Moscheen gebildet.
Den Vorständen wird aber mittlerweile immer bewusster, dass die Gemeinden ohne die Jugendlichen keine Zukunft haben. Daher konzentrieren sich die Religionsgemeinschaften stärker auf den Ausbau ihrer Jugendstrukturen und beziehen sie in ihre Vorstände ein.
IslamiQ: Man möchte sich erneut über die Aufgaben und Ziele des KRM beraten wurde zuletzt den Medien gegenüber geäußert. Über welche Möglichkeiten wird nachgedacht?
Soykan: Es gibt die Möglichkeit, weiter an einer Struktur zu einer gemeinsamen Religionsgemeinschaft zu arbeiten, oder den KRM zu einer Beratungsplattform umzustrukturieren. Die Gespräche dazu sind noch nicht abgeschlossen.